Leonard Steckel
Schauspieler und Regisseur
Geb. 8.1.1901 in Knihinin/ Österreich-Ungarn
Gest. 9.2.1971 in Aitrang (Allgäu)
Mit 130 Stundenkilometern legt sich der TEE 56 „Bavaria“ auf dem Weg nach Zürich hinter dem Bahnhof Aitrang in eine Rechtskurve. Das sind 50 km/ h mehr als erlaubt. Der Zug entgleist, zerstört das Gegengleis, einige Wagen stürzen eine Böschung hinab. Ein aus der Gegenrichtung kommender Schienenbus fährt gleich darauf in die Unfallstelle. 28 Menschen verlieren ihr Leben, 42 werden verletzt. Unter den Toten ist Leonard Steckel. 1933 dürfte er mit seiner Familie ebenfalls im Zug auf dem Weg in die Schweiz gewesen sein. Damals war es eine Fahrt in die Freiheit, eine Zugreise, die dem jüdischen Schauspieler das Leben rettete.
„Für mich bedeutet dieser Tod mehr als der Verlust eines Freundes. Ich bin Bühnenschriftsteller, und ich komme mir vor wie ein Maler, dem plötzlich eine bestimmte Farbe abhanden gekommen ist, mit der er arbeitete“, spricht Friedrich Dürrenmatt in seinem Nachruf für den Schauspieler und Regisseur.
Bereits während seiner Gymnasialzeit in Berlin fällt Leonard Steckel durch sein schauspielerisches Talent auf. Noch keine 20 Jahre alt, erhält er durch die Empfehlung seines Deutschlehrers an den Schauspieler Paul Bildt das erste Engagement am Neuen Volkstheater an der Köpenickerstraße. In nur kurzer Zeit wird er im reichen Theaterleben Berlins einer der beliebtesten Schauspieler. Die Charaktere, die er an verschienen Bühnen spielt, notiert Steckel akribisch in einem Rollenbüchlein.
Nur Theater zu spielen, reizt ihn bald nicht mehr. Ab 1928 führt er auch Regie und tritt vor die Kamera. Sein Filmdebüt hat er in Phantome des Glücks (1929). Und es ist nicht Glück, sondern sein Können, das Fritz Lang auf ihn aufmerksam werden und ihn mit-spielen lässt in einem Film der heute zu den Klassikern gehört: M – Eine Stadt sucht einen Mörder (mit Peter Lorre in der Hauptrolel).
Diese Exilkünstler trugen maßgeblich dazu bei, das bisher international wenig beachtete Privattheater zur wohl bedeutendsten deutschsprachigen Bühne in der Zeit des Zweiten Weltkrieges zu machen. Neben Klassikern wurden schon bald antifaschistische Stücke aus Amerika und Frankreich, aber auch zeitgenössische Werke deutscher Schriftsteller aufgeführt. Es gab Uraufführungen von Else Lasker-Schüler (1936: Arthur Aronymus und seine Väter), Ödon von Horváth, Ferdinand Bruckner, Georg Kaiser und Franz Werfel. Allein Steckel inszenierte, wie aus seinem Rollenbüchlein hervorgeht, während dieser Zeit 122 Erst- und Uraufführungen von in Deutschland verbotenen Stücken. Unter anderem führte Steckel im Jahr 1943 Regie bei der ersten Exilaufführung des Brecht-Stückes Der gute Mensch von Sezuan und spielte und inszenierte wenig später den Galilei.
Mit Bertolt Brecht arbeitete Steckel auch nach Kriegsende noch bei mehreren Gelegenheiten zusammen, obwohl wie Hermi Steckel, seine zweite Frau es ausdrückt, er kein „dialektisches Theatergenie“ gewesen war, sondern eher für „handfestes Theater“. In Zürich gab es 1948 eine Aufführung des Puntila mit Steckel in der Hauptrolle, später arbeitete er mit dem Schriftsteller zusammen als er für kurze Zeit Intendant an der Volksbühne in Berlin war. Hermi Steckel, mit der der Schauspieler in zweiter Ehe verbunden war, lernte er in München kurz nach der Rückkehr in seine Heimat kennen. Bis heute ungeklärt ist die Frage, warum Steckel zunächst die Wiedereinreise nach Deutschland verweigert worden war. Erst nach dem Einschreiten von Ernst Reuter und Bundespräsident Theodor Heuss wurde die Einreiseverweigerung 1952 aufgehoben.
In seine Heimatstadt Berlin zurückgekehrt, wirkte Steckel bis zu seinem Tod im Jahr 1971 vor allem als Filmschauspieler in Streifen wie Liebe ohne Illusion (1955), Der Arzt von Stalingrad (1958), und Grieche sucht Griechin (1966). Berühmtheit erlangte er auch durch das überaus erfolgreiche Musical Kiss me Kate, das er zunächst in Berlin, später in Hamburg herausbrachte. Die für den Sommer 1971 geplante Welttournee mit Bertolt Brechts Herr Puntila und sein Knecht Matti sollte aufgrund des tragischen Zugunglückes nicht mehr zustande kommen.
Autoren:
Konrad Vorderobermeier/ Hajo Jahn
Zitate: aus http://cv-muc.de/steckel/index.htm
Literatur:
Franz Rueb: Leonard Steckel. Schauspieler und Regisseur.
Eine Theater- Monographie. Innaron, Zürich 2001
Links (deutsch):
http://cv-muc.de/steckel/index.htm
http://www.kuenstlerkolonie-berlin.de/bewohner/steckel1.htm
http://www.cyranos.ch/smstec-d.htm
http://www.schauspielhaus.ch/www/661.asp
http://www.perlentaucher.de/buch/11061.html
http://cv-muc.de/fpx/steckel.ram
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