Gerta Taro (eigtl. Gerta Pohorylle)
Fotografin
Geb. 1.8.1910 in Stuttgart
Gest. 25. 7. 1937 in Escorial/ Spanien
„Den Namen Gerda oder Gerta Taro findet man in zeitgenössischen Berichten über den spanischen Bürgerkrieg und vereinzelt in fotohistorischen Abhandlungen zur Kriegsfotografie. Nachschlagewerke zur Geschichte der Fotografie sind wenig hilfreich, wenn nach Leistungen von Frauen gesucht wird…“
(Ute Eskildsen, Leiterin der fotografischen Abteilung des Museum Folkwang in Essen)*
Die Tochter eines aus Ostgalizien eingewanderten Kaufmanns mit literarischen Neigungen verbringt ihre ersten Kindheitsjahre mehr in der Heimat der Eltern als im württembergischen Stuttgart, das in seiner Behaglichkeit die sich anbahnenden unruhigen Zeiten kaum vermuten läßt. Am 1. August 1914 – die Familie befindet sich zu diesem Zeitpunkt gerade wieder in Stuttgart – bricht der Erste Weltkrieg aus. Es ist Gertas vierter Geburtstag.
Ab 1917 besucht sie die Königin-Charlotte-Realschule und danach für ein Jahr ein Schweizer Pensionat am Genfer See. Da sich Gerta beruflich noch nicht endgültig festlegen will, absolviert sie in ihrer Geburtsstadt Stuttgart eine zweijährige Höhere Handelsschule, um das Fachabitur zu machen. „Poho“, wie Gerta von ihren Mitschülerinnen liebevoll genannt wird, gilt als unterhaltsames, temperamentvolles und unkompliziertes Mädchen, das gerne lacht, lebensfroh und kontaktfreudig ist. Ihre erste ernsthafte Bekanntschaft mit dem Handelsvertreter für amerikanische Baumwollstoffe, Pieter Bote, führt zur Verlobung.
Die Situation zu Hause, bei „Heinrich und Gisela“, wie Gerta ihre Eltern vor Freunden nennt, wird in den zwanziger Jahren zunehmend von den geschäftlichen Problemen des Vaters überschattet. 1929 entscheidet man sich, aus geschäftlichen Gründen von Stuttgart nach Leipzig zu ziehen. Gerta muß ihre Ausbildung an der Handelsschule abbrechen. In der Zuversicht, mit Briefen, Telefonaten und häufigen Besuchen ihre Beziehung zu Pieter Bote aufrechterhalten zu können, versucht sie, sich mit der Trennung von der gewohnten Umgebung zu arrangieren.
In Leipzig schließt sich Gerta dem sozialistisch orientierten jüdischen Turn- und Sportverein ‚Bar-Kochba e.V.‘ an und wird insbesondere durch ihre Freundschaft mit dem Medizinstudenten Georg Kuritzkes zunehmend politisiert. Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu Beginn der dreissiger Jahre führen in der deutschen Gesellschaft zu immer schärferen Auseinandersetzungen und der sichtbare Zerfall der bürgerlichen Parteien geht mit zunehmender Gewalt und antisemitischen Übergriffen einher, von denen nicht zuletzt auch der Kreis um Georg Kuritzke und Gerta Pohorylle berührt wird.
Gerta beteiligt sich an Flugblattaktionen gegen die Nazis – wird im März 1933 verhaftet, nach knapp zwei Wochen aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Noch im selben Jahr verläßt die Jüdin mit ihrer engen Freundin Ruth Cerf Deutschland und geht ins französische Exil. Als Gerta Pohorylle im Spätherbst 1933 in der französischen Hauptstadt ankommt, ist Paris, neben der Côte d’Azur, bereits eines der kulturellen und politischen Zentren der deutschen Emigration.
Für Gerta, die sich erst als Sekretärin, später mit wechselnden Gelegenheitsarbeiten mehr schlecht als recht durchschlägt, spielt sich ein wichtiger Teil ihres Lebens in den Pariser Cafés ab; hier treffen sich die Emigranten, hier wird kommuniziert und diskututiert. So trifft sich der linksorientierte „Leipziger Kreis“ um Gerta Pohorylle, Trudel Frank-Fromm, Ruth Cerf und Willi Chardack im Café Capoulade am Boulevard Saint-Michel, wo politisch Interessierte verkehren, Sympatisanten, Parteilose, Trotzkisten und Parteimitglieder der Exil-SAP (der auch Willy Brandt angehört).
Im September 1934 lernt Gerta den ungarischen Fotografen André Friedman kennen und wird bald darauf seine Schülerin, finanziell immer wieder unterstützt von ihrem früheren Freund Georg Kuritzkes. Aus der Arbeitsbeziehung zu Friedman ist mittlerweile längst auch eine private geworden. Ihre Arbeitstage sind lang und hart. Die Zeitungsredaktionen zahlen oft erst nach Wochen, Filme und Fotomaterial sind vorzufinanzieren und alte Schulden müssen abgetragen werden. Gertas Einkommen reicht kaum aus, um das Nötigste zu kaufen. Robert Capa nennt sie einmal scherzhaft „Die Zerlumpte“. Ihre existentielle Not bringt beide Fotografen auf die – damals keineswegs ungewöhnliche – Idee, sich einen anderen Namen, ein zweites Ich, zuzulegen. Aus André Friedman wird so Robert Capa – und aus Gerta Pohorylle Gerta Taro.
Ihr erster Presseausweis datiert vom 4. Februar 1936, ausgestellt von Imre Rona, dem Leiter des A.B.C.-Press-Service, einer Amsterdamer Fotoagentur.
Die Nachricht vom Militärputsch in Spanien am 18. Juli 1936 schockiert die Welt. Wie kaum ein anderer Krieg zieht der Spanische Bürgerkrieg in der Folgezeit Schriftsteller, Journalisten, Fotografen und Intellektuelle aus aller Welt in seinen Bann, von Ernest Hemingway, André Malraux, Arthur Koestler über Rodrigo Dos Passos, George Orwell bis zu Alfred Kantorowicz und Stephen Spender. Auch Gerta Taro und Robert Capa entschliessen sich, nach Spanien zu gehen, bemühen sich um Reportageaufträge und Papiere und erreichen am 5. August 1936 Barcelona.
In den folgenden Monaten dokumentieren Gerta Taro und Robert Capa die Gräuel des Spanischen Bürgekrieges für diverse internationale Zeitungen und sind teilweise wochenlang unter beschwerlichsten Umständen unterwegs: bei den Internationalen Brigaden, an der Segoviafront, in Madrid, Valencia und Cordoba.
Am 25. Juli 1937 wird Gerta Taro bei einem Angriff der deutschen „Legion Condor“ von einem Panzer überrollt. Ihr Freund und Kollege Robert Capa weilt zu diesem Zeitpunkt in Paris und erfährt aus der Zeitung von ihrem Tod.
Bei ihrer Beisetzung am 1. August 1937 auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris folgen Tausende Taros Sarg, angeführt von Pablo Neruda und Louis Aragon. Der Trauerzug wird zur Manifestation gegen den Faschismus.
„Als Partnerin des berühmt gewordenen Bildjournalisten Robert Capa, der wie Gerta Taro einen fotografischen Kriegsbericht nicht überlebte, erhielten die bilder keine Chance der individuellen Beurteilung in der Nachkriegszeit. Robert Capa hatt nicht nur seine Arbeit im spanischen Krieg an anderen Schaplätzen des Grauens fortführen können, sondern gründete 1947 u.a. zusammen mit Henry Cartier-Bresson und David Seymour die Fotoagentur Magnum, um den Vertrieb von fotografischen Bildern kontrolliert zu organisieren. Im Kontext dieser genossenschaftlich organisierten Vermarktung von Fotografien schien es offensichtlich unwesentlich, die Arbeiten von Gerta Taro zu autorisieren.“
(Ute Eskildsen, a.a.O., S. 8)
*) zitiert aus: Irme Schaber: Gerta Taro – Fotoreporterin im spanischen Bürgerkrieg. Eine Biografie, Jonas-Verlag Marburg, 1994, ISBN 3-89445-175-0, S. 7
Links:
http://www.extenza-eps.com/extenza/loadHTML?objectIDValue=27576&type=abstract
http://www.dhm.de/magazine/spanien/Fotos%20l%FCgen%20nicht.htm
http://www.elangelcaido.org/comunicacion/028/028gerdataro.html
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