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Tergit, Gabriele

H.A.M. 0
Gabriele Tergit (eigtl. Elise Hirschmann, weiteres Pseudonym: Christian Thomasius)
Schriftstellerin, Journalistin und Exil-Archivarin

Geb. 4.3.1894 in Berlin
Gest. 25.7.1982 in London/ GB

Verbannt und verbrannt: 1933 musste die regime-kritische Journalistin fluchtartig das Land verlassen, und ihr Berlin-Roman Käsebier stand auf der ersten Verbotsliste der Nazis, als Asphaltliteratur stigmatisiert.


„Gabriele Tergit“ war ein journalistisches Pseudonym von Elise Hirschmann, die – nach dem Besuch des Gymnasiums – 1919 mit dem Studium der Geschichte und Philosophie in Berlin begann. 1925 promovierte sie in Frankfurt zum Dr. phil. Schon als Schülerin hatte sie Feuilletonbeiträge zu renommierten Berliner Blättern geschrieben, zunächst unter männlichem Pseudonym, und 1923 übernahm sie die ständige Aufgabe, für das Berliner Tageblatt Gerichtsreportagen zu verfassen.


1928 heiratete sie den Architekten Heinz Reifenberg, der als Erbauer der Universität Jerusalem und der Gedenkstätte Yad Vashem bekannt wurde. 1931 erschien Tergits erster Roman: Käsebier erobert den Kurfürstendamm, mit dem sie sich in die erste Riege der Neuen Sachlichkeit schrieb. In ihren Zeitungsbeiträgen war sie zeitkritisch und sozial engagiert, z. B. in Sachen Frauenemanzipation, und auch in ihren Reportagen über Prozesse gegen Nazi-Schläger nahm sie kein Blatt vor den Mund.


In den Frühstunden des 4. März 1933 (ihrem Geburtstag) wurde sie in ihrer Wohnung in Berlin-Tiergarten von einem SA-Überfallkommando heimgesucht; doch gelang ihr noch am selben Tage die Flucht in die Tschechoslowakei. Von Prag aus fuhr die junge Familie ins damalige Palästina weiter, wo man endgültig zu bleiben gedachte. Doch sie waren dem Klima nicht gewachsen und zogen 1938 nach London.


Dort schrieb Gabriele Tergit an einem neuen Roman und engagierte sich im Exil-PEN. Sie pflegte das Archiv, sammelte Biografien und Bibliografien von Exil-Schriftstellern und veröffentlichte diese notdürftig in Heftform. Nach dem Krieg besuchte sie verschiedentlich Deutschland, erhielt das Bundesverdienstkreuz, ließ sich aber angesichts der kaltschnäuzigen Verdrängungsmentalität der Adenauer-Ära nicht zu einer dauernden Rückkehr bewegen. „Die Wahrheit, lieber Herr Professor, ist unter die Hitler-Opfer zu rechnen“, war ihre bittere Erfahrung, die sie 1958 einem Briefpartner mitteilte.


Auch nach dem Tod ihres einzigen Kindes Peter und ihres Mannes in den Sechziger Jahren blieb sie in London, wo sie seit 1957 als Sekretärin des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland wirkte, und zwar bis kurz vor ihrem Tod, also fast 25 Jahre lang.
Der Deutschen Bibliothek in Frankfurt übergab sie die Archive der beiden Vorläufer-Organisationen Deutscher PEN-Club im Exil (1933-1940, vor allem von Heinrich Mann, Rudolf Olden und Ernst Toller geprägt) und PEN-Club deutschsprachiger Autoren im Ausland (1941-1950; Alfred Kerr, Hermann Friedmann, Richard Friedenthal). Dieses Material bildet noch heute die Hauptquelle für Exil-Lexika und –Sammelwerke, wie z. B. Sternfeld, W. & E. Tiedemann (1970): Deutsche Exil-Literatur 1933-1945, oder Lacina, Evelyn (1982): Emigration 1933-1945.


Tergits eigene Werke blieben in Deutschland lange Zeit vergessen. 1977 wurde der Käsebier nachgedruckt, 1983/84 erschienen zwei Sammelbändchen, doch erlangte sie damit keinen festen Platz in der deutschen Literaturgeschichte. Erst nach ihrem 100. Geburtstag kamen Jahr für Jahr weitere Tergit-Werke neu auf den Buchmarkt und erweisen sich als eine echte Bereicherung.


Autor:

Johannes Abresch


Literatur- Auswahl:

Gabriele Tergit:
Frauen und andere Ereignisse
Publizistik und Erzählungen von 1915 bis 1970
Das Neue Berlin Verlag, Berlin 2001
ISBN 3360009657,

Jens Brüning (Hg.)/ Gabriele Tergit:
Wer schießt aus Liebe? Gerichtsreportagen.
Das Neue Berlin Verlag, Berlin 1999
ISBN 3360008995

E. Larsen (1987): Die Welt der Gabriele Tergit.
Aus dem Leben einer ewig jungen Berlinerin.
München: Auerbach (Zusammenstellung autobiographischer
Teile aus Tergits Werken)

Eva-Maria Mockel (1996): Aspekte von Macht und Ohnmacht im literarischen Werk Gabriele Tergits. Aachen: Shaker


Links (deutsch):

http://de.wikipedia.org/wiki/Gabriele_Tergit

http://dispatch.opac.ddb.de/DB=4.1/REL?PPN=11862136X

http://www.berliner-lesezeichen.de/lesezei/Blz01_02/text42.htm

http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=1324&ausgabe=200007

http://www.freitag.de/1999/36/99361601.htm

http://www.freitag.de/2000/24/00242401.htm

http://www.perlentaucher.de/autoren/11651.html

http://www.scheinschlag.de/archiv/2004/02_2004/texte/26.html

http://www.hagalil.com/buch/fischer/tergit.htm

http://www.antiquario.de/a_autoren/t/Tergit_Gabriele.html

http://www.scheinschlagonline.de/archiv/2002/02_2002/texte/30.html


International:

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