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Weininger, Andor

H.A.M. 0

Andor Weininger
Maler, Designer und Innenarchitekt


Geb. 12.2.1899 in Karancs/ Österreich-Ungarn
Gest. 6.3.1986 in New York/ USA


„Andor Weininger ist eine Bauhaus-Legende. Während das Bauhaus als wichtigste Künstlerschule der Moderne zum Inbegriff funktionaler Gestaltung geworden ist und die dort lehrenden Künstler in grossen Retrospektiven gefeiert wurden, sind andere, auch diejenigen, die den sprichwörtlichen Geist dieser Schule mitbegründet haben, in Vergessenheit geraten. Mit seinem Temperament verkörperte der aus Ungarn stammende Weininger den ‚idealen‘ Bauhäusler, der für die Einheit von Kunst und Leben eintrat.“

(Andor Weininger – Vom Bauhaus zur konzeptuellen Kunst)*


Andor und die frühe Liebe zur Kunst

Andor Weininger wird als Kind einer um 1800 aus der Gegend von Donaueschingen eingewanderten deutsch-stämmigen Familie geboren. Der Vater ist Organist und Musiklehrer, Andor wächst in einem künstlerisch geprägten familiären Umfeld auf und beginnt bereits mit 16 Jahren zu malen.


Auf dem Weg zum Bauhaus

Dennoch folgt erst einmal in den Jahren 1917/18 ein Jura-Studium an der Universität in Pécs, später an der Technischen Universität in Budapest. Nachkriegswirren und Revolution unterbrechen Weiningers Studium. Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1920 scheitert vorerst sein der Plan, das Studium an der Technischen Hochschule in München fortzusetzen. Andor Weiniger malt 1919-1921 im heimatlichen Pécs, nimmt mit anderen Künstlern an ersten Ausstellungen teil, bewirbt sich 1921 am Bauhaus in Weimar und kann im Oktober desselben Jahres dort seine Studien aufnehmen. Im Wintersemester 1921/22 besucht Andor Weininger den Vorkurs von Johannes Itten, den er allerdings bereits nach einem Vierteljahr aus finanziellen Gründen abbrechen muß, später aber unter der Leitung von Georg Muche fortsetzen kann.


Bis 1925 studiert Weininger unter der künstlerischen Leitung von Wassily Kandinsky in der Wandmalerei-Werkstatt. 1922 gehört er zum De Stijl-Kreis um den niederländischen Konstruktivisten Theo van Doesburg. 1923 folgt ein fünfmonatiger Aufenthalt in Hamburg, wo Weininger im Kabarett Die Jungfrau als Texter, Bühnenbildner und Musiker arbeitet. Bereits im Bauhaus hatte er als Alleinunterhalter auf dem Klavier auf Bauhaus-Tanzabenden gespielt.


Andor Weiningers „Kugeltheater“ am Bauhaus in Dessau

Mit der Auflösung des Weimarer Bauhauses folgt Andor Weininger 1925 Josef (Sepp) Maltan nach Schönau und Berchtesgaden, um dort bei Maltans Vater als Maler und Innenausstatter zu arbeiten, zieht jedoch kurz darauf wieder ins ungarische Pécs weiter. Im September desselben Jahres folgt er der Bitte von Walter Gropius, ans mittlerweile nach Dessau umgesiedelte Bauhaus zurückzukehren. Anläßlich der Neueröffnung am 4. Dezember 1926 führt Weininger erstmals seine musikalische Clownerie auf, in einem von Schlemmer entworfenen Clown-Kostüm, das von der Bauhaus-Werkstatt gebauten worden ist. Weininger ist, als Mitglied der Bühnenwerkstatt, in der Folgezeit maßgeblich an Entwicklung und Aufführung der Bauhaus-Tänze beteiligt. Von 1925-1928 übernimmt er die Leitung der Bauhaus-Band, mit der er u.a. in Berlin, Dresden und Hannover gastiert. In diese Zeit fällt auch Andor Weiningers Antwort auf das konventionelle Raumtheater in seiner überlieferten Ausrichtung von Bühne auf der einen und Zuschauerraum auf der anderen Seite: mit seinem Kugeltheater entwirft der 27Jährige einen der utopischsten Theaterbauten seiner Zeit.


Möbelentwürfe mit seiner Frau Eva

Im April 1928 verläßt Andor Weininger das Bauhaus in Dessau und geht nach Berlin. Dort trifft er die ehemalige Bauhaus-Studentin und ausgebildete Kunsttischlerin Eva Fernbach und arbeitet mit ihr zusammen bis 1938 als Architekt und Designer. Gemeinsam entwerfen sie u.a. Möbel und Inneneinrichtungen. Zu ihrem Freundes- und Bekanntenkreis in diesen Jahren gehören Walter Dirks, Otto Umbehr (Umbo), Walter Gropius, Lazlo Moholy-Nagy und Oskar Schlemmer. 1931 heiraten Andor und Eva Weininger. Nach 1933 verschlechtert sich ihre Auftragslage erheblich.


Erinnerungen von Eva Weininger an die Zeit nach 1933

„Mit dem Hervorkommen vom Nationalsozialismus wurde ein neuer Stil propagiert. Das war, na nennen wir’s mal, ein Heimatstil zurück zu >gesunder Denkweise<. Weg vom Inter-nationalismus, der verbunden wurde mit Kommunismus und sonst was. Ja, es kam wieder ein neuer Geist. Was sie sagten, war: wieder zurück zum Handwerk! Das war so ein Traum, dass da wieder mittelalterliche Formen kommen werden. Und das steile Dach, das wurde wieder propagiert. Es sollte nicht mehr das flache Dach sein. Es wurde alles, Experimentieren mit modernen Formen und moderner Denkweise, wurde verabscheut und sogar verfolgt…Wir konnten noch arbeiten. Aber mein Mann, zum Beispiel, weil er einen ungarischen Paß hatte: wie alle Ausländer durfte er nicht mehr offizielle Aufträge annehmen. Zuvor hatte er sehr viel für Ausstellungen, in der großen Halle am Rundfunkturm (in Berlin, Anm. der Red.) hatte er wiederholt gearbeitet. Solche Sachen waren ihm verboten. Was bedeutete, dass nur ein wohlgesinnter Architekt – das geschah noch ’ne Weile – ihn klandestin anstellt: ohne, dass sein Name genannt wurde. Aber alle Möglichkeiten schrumpften mehr und mehr ein. Jüdische Kunden verschwanden natürlich. Solche Leute wie Gropius und Mies van der Rohe kämpften ’ne Weile, aber wanderten auch aus. Die Arbeit schrumpfte ein, das war nichts mehr. Nur solche Herrschaften wie Hinnerk Scheper, die sich anschlossen an den Nationalismus, die konnten weitermachen. Der konnte für Göring arbeiten. Aber nicht jeder wollte das! Die Konsequenz für uns war, wegzugehen. Wir hätten ja nach Ungarn gehen können, jederzeit. Aber mein Mann wusste das: Ungarn ist ein armes Land, da sind sehr wenige Möglichkeiten. Es war ja auch infiziert vom Nationalsozialismus durch Horty. Als das hatte nicht viel Zweck. Wir strebten weg nach dem Westen, wo man – in welcher Weise auch – eine neue Existenz aufbauen konnte.“

(Eva Weininger in einem Interview mit Ulrike Müller 1990 in Düsseldorf anlässlich der Ausstellung „Andor Weininger – Vom Bauhaus zur konzeptuellen Kunst“)


Im Dezember 1938 emigiert das Ehepaar Weininger mit seiner Tochter Cornelia in die Niederlande. Der Versuch, von dort weiter nach Großbritannien zu gelangen, scheitert im September 1939 am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Weiningers lassen sich in Scheveningen nieder und siedeln, nach der Evakuierung der Stadt, 1942 nach Amsterdam um, wo Andor Weininger in den Jahren 1945-1951 als Illustrator und freier Maler arbeitet.

„In ’45 war inzwischen in Ungarn Kommunismus. Von Horty der Wechsel zu Kommunismus. Und die schrieben allen, die im Ausland lebten und die ungarische Staatsangehörigkeit hatten, schrieben sie einen Brief: „Eure Sünden sind vergeben, kommt zurück, heim ins Reich, und wenn Ihr nicht kommt, dann seid Ihr ‚rausgeschmissen! Und wir haben gewählt, ‚rausgeschmissen zu werden. Und was die Sünden waren, haben wir nie erfahren…“

(Eva Weininger im Interview mit Ulrike Müller, 1990)

volume_up.gifKlicken Sie bitte hier, um diesen O-Ton (als MP3-Datei) in ganzer Länge anzuhören
© Ulrike Müller


1948, 1949 und 1950 beteiligt sich Andor Weininger an der Ausstellung Amsterdamse Schilders van Nu im Stedelijk Museum, wird 1949 Mitglied der Federatie van Beroepsverenigingen van Kunstenaars und stellt, gemeinsam mit einigen anderen Mitgliedern, im Museum Fodor in Amsterdam aus. 1950 wird Andor Weininger Mitglied der Künstlergruppe Creatie und beteiligt sich am Salon des Réalités Nouvelles in Paris.

Da ihrem Gesuch auf Einreise in die Vereinigten Staaten nicht stattgegeben wird, wandern die Weiningers 1951 nach Kanada aus und lassen sich in Toronto nieder. Nach einer halbjährigen Europareise 1958 gelingt ihnen die Übersiedlung in die USA. 1968 werden Weiningers Entwürfe für die Mechanische Bühnen-Revue und das Kugeltheater-Projekt im Rahmen der ersten umfassenden Bauhaus-Ausstelling in Deutschland „50 Jahre Bauhaus“ im Württembergischen Kunstverein ausgestellt und wandern bis 1971 um die ganze Welt. 1976 ist Andor Weininger mit zwölf Werken auf der Ausstellung Bauhaus-Colour in Atlanta, Houston und San Diego vertreten.

In der Zeit von 1978-1984 entsteht die Rekonstruktion der Bauhaus-Tänze in enger Zusammenarbeit mit Andor Weininger, der, gemeinsam mit Craig Gordon, die begleitende Geräuschmusik entwickelt. Bei der Washingtoner Ausstellung Utopian Visions in Modern Art – Dreams and Nightmares erregen seine Entwürfe für die Mechanische Bühnen-Revue und Haus Stijl-Fantasia außerordentliches Interesse.

Andor Weininger stirbt im Alter von 87 Jahren in New York


* Quelle:

„Andor Weininger – Vom Bauhaus zur konzeptuellen Kunst“, Ausstellungskatalog anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Kunstverein für die Rheinlade und Westfalen, Düsseldorf, 22. März bis 13. Mai 1990, hrsgg. Von Jiri Svetska in Zusammenarbeit mit Katherine Jánszky Michaelsen und Stefan Kraus, ã Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, Edition Cantz und Autoren, 1990, ISBN 3-89322-192-1


Links (deutsch):

http://www.kunstverein-duesseldorf.de

http://www.bauhaus-dessau.de

http://www.bauhaus.de/bauhaus1919/buehne1919.htm


International:

http://keptar.demasz.hu/keptar/magyar/w/weininge

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