Geb. 10.7.1902 in Velbert
Gest. 26.3.1969 in Westberlin
„Nach Deutschland kommt von Zeit zu Zeit,
wenn’s wieder Trümmer gibt, der Lehrer Leid.
Der sah schon viel Krieg vorübergehn.
Man kann es dem müden Gesicht ansehen.
Er legt uns das alte Lesebuch vor
Und sagt: Wiederholt, sprecht alle im Chor!
Und dann lernen wir alle das alte Gedicht
Vom Frieden. Doch wir behalten es nicht.
Und er schreibt an die Tafel, und die Kreide ist rot:
Wer Waffen bestellt, der bestellt den Tod.
Und er blickt jedem einzelnen ins Gesicht,
und er sagt: Ich heiße Leid, vergesst das nicht.
Wann lernt ihr denn endlich eure Lektion?
Doch da läutet die Glocke, und wir eilen davon
Und bestellen Waffen…von Zeit zu Zeit,
und auf uns wartet der Lehrer Leid…“
(Günther Weisenborn: Das alte Lied vom Lehrer Leid“)*
„Die ‚Peitsche‘ Schmerz hat den Menschen einst aus der Höhle getrieben, sie wird ihn auch aus der Zivilisation vorwärts treiben. Das ist der Gedanke, dem Günther Weisenborn immer wieder und bis in seine feinsten Folgerungen nachgeht.“
(Lutz Besch in seinem Vorwort zu Günther Weisenborn: „Ballade vom Eulenspiegel vom Federle und von der dicken Pompanne“, Welt des Theaters, Verlag Kurt Desch, Wien-München-Basel 1961, S. 5)
1914 übersiedelt die Familie von Velbert nach Opladen – wo Weisenborn 1919 am Landrat-Lucas-Gymnasium das Abitur ablegt -, 1928 nach Berlin. Bereits mit seinem ersten, nach Germanistik- und Medizinstudium in Köln, Bonn und Berlin verfassten, 1929 an der Volksbühne Berlin mit Heinrich George und Agnes Straub aufgeführten Drama „U-Boot S 4“, erweist er sich als Gegner der Wiederaufrüstung Ende der Zwanziger Jahre (Stichwort: Panzerkreuzers A)
Nach einem einjährigen Aufenthalt im südamerikanischen Argentinien – wo er sich als als Farmer und Postreiter verdingt und diese Erfahrungen in seinem 1937 erschienen Roman „Die Furie“ verarbeitet -, ist er 1931, zusammen mit Slatan Dudow, Mitarbeiter von Bertolt Brecht bei der Dramatisierung von Gorkis Roman „Die Mutter“. Im selben Jahr löst die Uraufführung von Weisenborns Schauspiel „SOS oder Die Arbeiter von New Jersey“ über die Verstrahlung von Arbeitern einen Theaterskandal aus.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten stürzt Weisenborn in tiefe Depression, seine Werke werden verboten, der Roman „Barbaren“ (1931) verbrannt. Unter den Pseudonymen Eberhard Foerster und Christian Munk schreibt er weiter. Sein Drama „Die Neuberin“, 1935 im Theater am Kurfürstendamm uraufgeführt, erlebt über 250 Aufführungen. Auch die Bearbeitung seines Romans „Das Mädchen von Fanö“ für die Ufa, mit Brigitte Horney in der Hauptrolle, ist außerordentlich erfolgreich.
1936 geht Weisenborn für ein Jahr als Reporter nach New York, kehrt jedoch 1937 wieder zurück und arbeitet unter Heinrich George als Dramaturg am Schiller-Theater. Der überzeugte Antifaschist schließt sich der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ an, wird 1942 verhaftet und entgeht der Vollstreckung des Todesurteils nur durch den Umstand, daß seine Akte im Luftkrieg verbrannt ist. Im April 1945 wird Günther Weisenborn von der Roten Armee aus dem Zuchthaus Luckau befreit und gründet noch im selben Jahr – zusammen mit Karl Heinz Martin – das Berliner Hebbel-Theater, wo am 21. März sein Drama der deutschen Widerstandsbewegung „Die Illegalen“ (zusammen mit seinem 1948 erschienenen Erinnerungsbuch „Memorial“ eine der besten literarischen Arbeiten über den Widerstand in Deutschland) uraufgeführt wird.
„Es sitzen hier im Zuschauerraum mutige und gleichgültige Menschen, Flüchtlinge und Heimgekehrte, frühere Hochverräter und heimliche Nazis, wohlwollende Bürger und junge, sehnsüchtige Menschen. Es sitzen hier Witwen neben denen, die guten Willens sind, die Übeltäter neben den Verzweifelten, die Ermüdeten neben den Hoffnungsbereiten. Und hinter dem Vorhang stehen andere Menschen, geschminkte Menschen, zu ihrer Aufgabe entschlossen, in Spannung bereit. Wem dienen die Menschen hinter dem Vorhang (…)? Sie dienen der Erinnerung, dem Gedenken an getane, bisher sorgfältig verheimlichte Taten…Wir Überlebende haben als Instrument der Toten die sehr konkrete Verpflichtung, Denkmäler für die Dahingegangenen in die Gegenwart zu setzen.“
zitiert aus: Manfred Demmer: „Spurensuche – der antifaschistische Schriftsteller Günther Weisenborn“, a.a.O., S. 30f.
Gemeinsam mit Herbert Sandberg gibt Günther Weisenborn das satirische Wochenblatt „Ulenspiegel“ heraus und gehört 1947 zu den Mitinitiatoren des ersten deutschen Schriftstellertreffens nach dem Krieg, auf dem sich bereits auch die Spaltung der deutschen Schriftsteller andeutet. 1948 bewirkt er mit 20 weiteren antifaschistischen Schriftstellern die Wiederbegründung des P.E.N.-Zentrums Deutschland. Wer ihn in den nachfolgenden Jahren in seinem Bemühen verfolgen kann, die Spaltung in ein P.E.N.-Zentrum Ost und West und ein solches der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern, weiß, wie tief ihn die Spaltung traf. Als Chefdramaturg der Hamburger Kammerspiele unter Ida Ehre engagiert er sich auch immer wieder für ost-west-deutsche Schriftstellertreffen.
Seine „Göttinger Kantate“ (1958), die den Aufruf von achtzehn deutschen Atomwissenschaftlern gegen die Atombewaffnung szenisch dokumentiert, findet – in der Inszenierung von Erwin Piscator – sogar ein Forum auf dem SPD-Parteitag.
In den Jahren 1951 bis 1953 ist Weisenborn Chefdramaturg der Hamburger Kammerspiele.
Quelle:
*) Das Gedicht aus der „Göttinger Kantate“ (1958) wurde der folgenden Publikation entnommen: Manfred Demmer, Spurensuche – Der antifaschistische Schriftsteller Günther Weisenborn, Herausg.: Kulturvereinigung Leverkusen e.V., Eigendruck, März 2004, S. 10
Werkauswahl:
Die Barbaren, Roman (1931)
Die Illegalen, Drama (1946)
Memorial, Erinnerungen (1948)
Die Ballade vom Eulgenspiegel.
Das verlorene Gesicht. Die Neuberin.
Der Verfolgter. Die Mutter.
Der dritte Blick. Auf Sand gebaut.
Der Verfolger. Der lautlose Aufstand, Dokumentation.
Göttinger Kantate. Der gespaltene Horizont,
Aufzeichnungen eines Außenseiters (1964).
Links (deutsch):
http://www.geocities.com/hoefig_de/LKDeutsch/Jahrg12/Weisenborn_Klopfzeichen.htm
http://www.jungewelt.ipn.de/2004/06-26/027.php
http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/frauenarchiv/ausstellungen/europa/huch
http://www.etk-muenchen.de/artikel/10333
http://www.buchfreund.de/books/book17210.html
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2002/0710/feuilleton/0021
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