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Zwerenz, Gerhard

H.A.M. 0
Gerhard Zwerenz
Schriftsteller

Geb. 6.3. 1925 in Gablenz (Sachsen)
Gest. 13.07. 2015 in Oberreifenberg

Wer sagt, dass in der Wolle gefärbte linke Deutsche humorlos und lustfeindlich seien, der kennt Gerhard Zwerenz schlecht. Schon mit seinem ersten Erfolg, dem in der Tradition der Schelmenromae geschriebenen Casanova oder der Kleine Herr in Krieg und Frieden, erzählt er witzig-satirisch die Geschichte eines Unangepassten in zwei Gesellschaftssystemen.

Unangepasst ist er selber. Und das schätzen seine Leser. Seinen Freunden macht(e) er es nicht immer leicht und seine Feinde hat er – man verzeihe dieses Klischee, aber hier trifft es zu – redlich verdient: Noch 1942 meldete sich der Sohn einer sächsischen Arbeiterfamilie freiwillig zur Wehrmacht gemeldet, um 1944 bei Warschau zur Roten Armee zu desertieren.


„Ich war 19 Jahre alt, als wir aus Italien nach Polen befohlen worden sind und in Warschau ausgeladen worden sind. Und in Warschau habe ich eine ganz andere Art von Krieg kennengelernt. So schlimm die Schlacht von Monte Cassino war: aber es war ein Krieg von Soldaten gegen Soldaten. In Warschau dagegen haben deutsche Verbrecher, deutsche Banden, Dirlewanger-Banden, gegen die Aufständischen, gegen die Zivilbevölkerung gekämpft. Dies war für mich das Kriegsende! Deswegen habe ich die Wehrmacht verlassen!“

Interview Ulrike Müller mit Gerhard Zwerenz am 16.1.1989

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© Ulrike Müller


In der DDR wird Zwerenz als (zwangsverpflichteter) Volkspolizist und Lehrer Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Doch nach einem Philosophiestudium – unter anderem bei dem Remigranten Ernst Bloch – legt er sich zunächst zaghaft (unter Pseudonym), dann immer mutiger, in ersten (Lyrik- und Prosa)-Publikationen und im renommierten Kabarett Pfeffermühle kritisch mit der Staats- und Parteiführung an. Folgerichtig gehört Zwerenz bald zur antistalinistischen Opposition. Vor der drohenden Verhaftung rettet er sich 1957 in den Westen Deutschlands, wo er sich treu bleibt: Observiert vom Verfassungsschutz. Und als parteiloser Bundestagsabgeordneter (für die PDS, eine Legislaturperiode von 1994 bis 1998) lernt er das Innenleben des Parlaments kennen, das er in einer bitterbösen Satire unter dem Titel Krieg im Glashaus oder der Bundestag als Windmühle beschreibt.


Für die 68er-Studentenbewegung war Zwerenz eine Galionsfigur durch Publikationen wie den bereits erwähnten Casanova-Roman oder den Essayband Wider die deutschen Tabus, mit der die beschauliche Ruhe des politischen Establishments störte und den Staub des Vertuschens und Verdrängens aufwirbelte, der sich wie Mehltau ausgebreitet hatte. Polemik gegen Militarismus, Nationalismus und Neonazis, aber auch gegen sexuelle Verklemmtheit. Zeitweise ist Zwerenz auch Verleger, wobei er sich nicht scheut, einen Sex-Knigge herauszugeben.

Die Stärke von Gerhard Zwerenz aber ist und bleibt die Polemik, wie schon die Titel seiner Werke verraten: Der Widerstand, Der Widerspruch. Autobiografischer Bericht (über seine Kindheit in der Ziegelei seines Großvaters), Vergiss die Träume deiner Jugend nicht, Die Rückkehr des toten Juden nach Deutschland oder Soldaten sind Mörder. Die Deutschen und der Krieg – starke Bücher, die eigenes Erleben verarbeiten.


Polemisch und provozierend sind auch seine Stücke wie Ärgernisse. Von der Maas bis an die Memel, Walter Ulbricht, Die Quadriga des Mischa Wolf, Antwort an einen Friedensfreund oder längere Epistel für Stephan Hermlin und meinen Hund oder Die DDR wird Kaiserreich – Stücke, in denen von Ostalgie keine Spur ist.


Seinem Freund, dem Filmemachers Rainer Werner Fassbender, regte er mit dem Roman Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond zu dessen provokanten und umstrittenen Schauspiel Der Müll, die Stadt und der Tod an, dessen Aufführung durch eine Aktion jüdischer Bürger aus Frankfurt am Main verhindert wurde. Unter den Besetzern des Theaters war auch Ignatz Bubis – wie Gerhard Zwerenz Mitglied der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, die sich für ein „Zentrum der verfolgten Künste und Intellektuellen“ einsetzt, also auch für so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Zwerenz und Bubis.

Autor:

Hajo Jahn


Literatur:

Gerhard Zwerenz: Die Antworten des Herrn Z.
Mit einer Dokumentation ‚Freunde und Feinde über Zwerenz‘.
Hrsg. v. Joachim Jahns
Dingsda-Verlag Leipzig, 2005
ISBN: 3928498614


Links (deutsch):

http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/ZwerenzGerhard

http://www.berliner-lesezeichen.de/lesezei/Blz01_08/rezensi/rezensi135.htm

http://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Zwerenz

http://www.perlentaucher.de/autoren/16853.html

http://www.linksnet.de/autor.php?id=354

http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/47/03a.htm

http://www.gmh.dgb.de/main/jahresin/1991/Leseproben/Beitrag_9103-Zwerenz.html

http://www.vsp-vernetzt.de/soz/0024152.htm

http://www.kranichsteiner.de/presse/images/211200.pdf

http://www.poetenladen.de/zwerenz-gerhard-heidegger.html

http://www.sopos.org/aufsaetze/408e9a9fcdf0d/1.phtml

http://www.sopos.org/aufsaetze/4163b8d5b49b5/1.phtml

http://www.wdr.de/tv/wdr-dok/archiv/2005/mke_25.phtml

http://www.litlinks.it/z/zwerenz.htm

http://www.antiquario.de/a_autoren/z/Zwerenz_Gerhard.html

volume_up.gifhttp://www.wdr5.de/sendungen/erlebte_geschichten/364479.phtml

http://www.wdr.de/cgi-bin/mkram?rtsp://ras01.wdr.de/radio/wdr5/erlebte_geschichten/eg030323.rm

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