Uri Avnery (eigtl. Helmut Ostermann)
Journalist und Schriftsteller
Geb. 10.9. 1923 in Beckum
„Ich bin völlig atheistisch. Für mich ist die jüdische Religion nichts als eine interessante historische Erscheinung und Tradition. Das Jüdische, das tief in uns allen steckt, ist meiner Auffassung nach etwas Humanistisches, das in den letzten Jahrhunderten aus der Summe vieler Faktoren und Traditionen entstanden ist. Unserer Geschichte verdanken wir gewisse Erkenntnisse, und ich wünsche mir, dass unser israelischer Nationalismus, unsere israelische Existenz als Nation und Staat, irgendwie diese humanistische Situation reflektieren möge. Das ist jüdisch an mir.“
(Uri Avnery im Gespräch mit Herlinde Koelbl)*
„Ich halte Uri Avnery für einen der wichtigsten Streiter für die Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern. Sein Optimismus und sein langer Atem imponieren mir immer wieder.“
(Johannes Rau)
Der heute über die Grenzen Israels bekannte Publizist Avnery emigriert mit seinen Eltern 1933 vor den Nazis aus Westfalen nach Palästina. Im Alter von nicht einmal 15 Jahren schließt er sich der Untergrund- und Widerstandsorganisation Irgun Zvai Leumi an und kämpft gegen die Briten in Palästina. Im Unabhängigkeitskrieg 1948 wird der Soldat Avnery – mittlerweile Haganah-Mitgied – als Angehöriger der Kommandoeinheit Samson’s Foxes an der ägyptischen Front schwer verwundet.
Er beginnt mit dem Schreiben von Kriegsreportagen und kauft vom Erlös seines Buches Auf den Feldern der Philistern 1949 die bis dahin unbekannte Zeitschrift Ha’olam Ha’zeh, deren Herausgeber und Chefredakteur er bis 1990 ist – und immer wieder zur Zielscheibe heftigster Kritik wird. So bezeichnet der israelische Staatsgründer und erste Ministerpräsident, David Ben Gurion, Avnery und seine Zeitung als „Staatsfeind Nummer eins“ und ein 1965 verabschiedetes neues Pressegesetz richtet sich eindeutig gegen Ha’olam Ha’zeh. Als Reaktion gründet Avnery eine Partei gleichen Namens und zieht in die Knesset, das israelische Parlament, ein, der er insgesamt zehn Jahre als Abgeordneter angehört. Daneben ist er friedenspolitischer Berater von internationalen Politikern wie Bruno Kreisky. Bereits 1973 nimmt Avnery erste geheime Kontakte zur PLO auf und trifft sich 1982 als erster Israeli mit Jassir Arafat im belagerten Beirut.
Anfang der neunziger Jahre entsteht mit Gush Shalom (Der Friedensblock) jene von Avnery verantwortlich mitgetragene Initiative, die sich auch und vor allem für Frieden und Versöhnung im Nahen Osten und die Rechte des palästinensischen Volkes einsetzt.
„Ich bin optimistisch im Sinne, daß ich darauf gefaßt bin, daß sehr schlimme Sachen passieren werden. Wahrscheinlich noch schlimmere Sachen passieren werden, und in meiner Phantasie kann ich mir sehr, sehr schlimme Sachen ausmalen, die passieren können, vielleicht auch werden. Warum bin ich optimistisch? Wenn das Allerschlimmste passiert…was dann? Wird sich irgendwas an der Lage, an den Grundelementen der Lage ändern? Am nächsten Tag werden wir wieder vor dem selben Problem stehen, daß wir zwei Völker in diesem Lande haben, und zwei Völker in Jerusalem haben. Und daß es überhaupt keine andere Alternative gibt, als zwischen diesen beiden Völkern Frieden zu machen…“
(Uri Avnery am 10. Oktober 1996 in Essen)
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© Ulrike Müller
Avnerys gewaltfreies Engagement wird mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, darunter der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück (1995), der Aachener Friedenspreis (gemeinsam mit Gush Shalom, 1997), der Bruno Kreisky Preis für Verdienste um die Menschenrechte (1997), der Alternative Nobelpreis (2001), der Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg (Mai 2002) sowie der Lew-Kopelew-Preis zusammen mit dem Palästinenser Sari Nusseibeh (2003)
Seine pazifistische Haltung aber macht Uri Avnery auch immer wieder zur Zielscheibe heftigster Kritik und persönlicher Angriffe. So ruft im Vorfeld der israelischen Parlaments-Wahlen im März 2006 der Führer der Jüdisch-Nationalen-Front, Baruch Marzal, die Armee öffentlich dazu auf, den prominentesten Friedensaktivisten, Publizisten und Journalisten zu töten.
Quelle:
*) Herlinde Koelbl: Jüdische Portraits, Photographien und Interviews, S. Fischer Verlag, Frankfurt/ M. 2000, ISBN: 3100402170
Literatur:
Uri Avnery: In den Feldern der Philister, Meine Erinnerungen aus dem israelischen Unabhängigkeitskrieg, Diederichs Verlag, München 2005, ISBN 3720525740
ders.:
Ein Leben für den Frieden, Klartexte über Israel und Palästina, Vorwort von Sumaya Farhat-Naser, Palmyra-Verlag, Heidelberg 2003,
ISBN 3-930378-50-7
Links (deutsch):
http://www.arendt-art.de/deutsch/palestina/uri-avnery.htm
http://www.nahost-politik.de/friedensbewegung/avnery.htm
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,173799,00.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Uri_Avnery
http://www.perlentaucher.de/autoren/13856.html
http://www.zmag.de/autor.php?id=5
http://dispatch.opac.ddb.de/DB=4.1/REL?PPN=118835033
http://www.hagalil.com/GuShalom/modaot/interv.htm
http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Friedenspreise/avnery03.html
International:
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