Maurice Bavaud
Theologiestudent
Geb. 15. 1. 1916 in Neuchâtel/ Schweiz
Gest. 14. 5. 1941 in Berlin-Plötzensee
Der Dramatiker Rolf Hochhuth hat Maurice Bavaud als modernen Tell bezeichnet und ihm ein literarisches Denkmal ebenso gesetzt wie der Zürcher Historiker Klaus Urner mit dem Buch „Der Schweizer Hitler-Attentäter…“. Der Schweizer Bundesrat hat ihn 1998 (!) rehabilitiert. Halbherzig wird eingestanden, dass sich die Schweiz und ihre Botschaft in Berlin „nicht genügend für Maurice Bavaud eingesetzt und ihre Verantwortung nur unzureichend wahrgenommen“ habe. Anders ausgedrückt: Aus Staatsräson hat sich sein Heimatland an diesem vorbildlichen jungen Menschen versündigt.
Maurice Bavaud war der älteste Sohn des Postangestellten Alfred Bavaud und der Geschäftsfrau Hélène Bavaud-Steiner. Der musisch Begabte absolvierte nach dem Besuch einer katholischen Privatschule auf Druck des Vaters eine Lehre als technischer Zeichner. Danach ließ er sich in der Bretagne zum Missionar ausbilden. Doch noch vor dem Abschluss kehrte der 22jährige 1938 überraschend in die Schweiz zurück.
Wann genau er den Plan zum Attentat auf Hitler fasste, ist nicht bekannt. Jedenfalls reiste er ohne Wissen der Eltern und Geschwister am 9. Oktober 1938 nach Deutschland, wo er sich abwechselnd in München und Berchtesgaden aufhielt, stets dem Diktator buchstäblich auf dem Fuße, während sein Vater unzählige Briefe an das Politische Departement im Bundeshaus Bern schrieb wie den folgenden am 16. Januar 1939:
„Herr Abteilungsleiter, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie die notwendigen Erkundigungen einleiten könnten meinen Sohn Bavaud Maurice betreffend, abgereist nach Deutschland am 9. Oktober 1938. Er ist jetzt 23 Jahre alt. Er studierte im Kollegium St.Ilan in der Bretagne, wollte aber im vergangenen Sommer nicht mehr dorthin zurückkehren, um sein theologisches Studium fortzusetzen. Er verreiste, ohne uns zu orientieren und ohne unsere Zustimmung. Ich selber wünschte, dass er zuerst seinen Militärdienst absolviere, bevor er ins Ausland geht.
Die letzte Nachricht erhielten wir aus Baden-Baden von der Familie Gutterer, die mit uns verwandt ist. Seither fehlt jede Spur. Ergänzend sei beigefügt, dass seine politische Haltung nichts mit derjenigen eines revolutionären Sozialisten oder Kommunisten zu tun hat. Vor seinem Studium machte er eine Lehre als technischer Zeichner in Neuenburg. ¨
Ich bin Ihnen sehr verbunden, Herr Abteilungsleiter, wenn Sie über Ihre Dienststellen im Ausland Informationen über den Aufenthalt und die Beschäftigung meines Sohnes einziehen können“.
Als dieser Brief des besorgten Vaters geschrieben wurde, befand sich der Sohn bereits in Haft. Und die Schweizer Behörden wussten davon, ohne etwas für seine Rettung zu unternehmen: Maurice Bavaud hatte beim sogenannten „Gedenkmarsch“ am 9. November 1938 Adolf Hitler in München erschießen wollen. Der Diktator marschierte wenige Stunden vor dem großen Judenpogrom, der Reichskristallnacht, an der Spitze seiner Parteigenossen zur Feldherrnhalle.
Eingekeilt zwischen fanatischen Nazis hatte es der junge Schweizer tatsächlich bis auf die Ehrentribüne geschafft. In der Tasche seines Mantels versteckt eine Pistole. Doch er kam nicht zum Schuß. Der Diktator war viel zu weit entfernt und umstehende Zuschauer mit zum Heil-Hitler-Gruß ausgestreckten Händen versperrten zudem die Schussrichtung. Auch in den nächsten Tagen kam Bavaud nicht nahe genug an sein Ziel heran.
Enttäuscht gab der junge Mann auf und reiste nach Paris. Ein unglücklicher Zufall ließ ihn in die Hände der Gestapo fallen. Aus Geldmangel fuhr er schwarz mit der Eisenbahn. Bei einer Fahrkartenkontrolle wurde er nicht nur erwischt, sondern die Kontrolleure fanden auch noch die Pistole und auffällige Empfehlungsschreiben. Sie übergaben den verhinderten Attentäter an die Gestapo. Was dann passierte, lässt sich leicht vorstellen, denn die Verhöre und Verhandlungen zogen über 30 Monate hin. Die deutschen Vernehmer erhofften sich Aussagen gegen die katholische Kirche. Unter Folter nannte Bavaud bei zunächst widersprüchlichen Aussagen seinen Missionars-Studienkollegen Marcel Gerbohay als Auftraggeber (obwohl er zuvor erklärt hatte, alleine den Attentat-Entschluss gefasst zu haben; der Komilitone wurde im Januar 1942 in der Bretagne gefasst und ins KZ Sachsenhausen transportiert, schließlich am 9. April 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet).
Als Tötungsmotiv nannte Maurice Bavaud im Prozess vor dem berüchtigten Volksgerichtshof am 18. Dezember 1939, dass Adolf Hitler eine Gefahr für die Menschheit, für die Unabhängigkeit der Schweiz und für den Katholizismus in Deutschland sei.
Autor:
Hajo Jahn
Quellen: Wikipedia, Thomas Staedeli, Rolf Hochhuth
Literatur:
Peter Hoffmann: «Maurice Bavaud’s Attempt to Assassinate Hitler in 1938». Police Forces in History. Hg. George L. Mosse. SAGE Readers in 20th Century History Vol. 2. London/ Beverly Hills 1975. S. 173–204
Rolf Hochhuth: «‹Tell 38›: Er wollte Hitler töten: Der Fall des Theologie-Studenten Maurice Bavaud». Die Zeit 17. Dezember 1976
ders.: Tell gegen Hitler: Historische Studien. Mit einer Rede von Karl Pestalozzi. Frankfurt a. M. 1992.
Niklaus Meienberg: Es ist kalt in Brandenburg. Ein Hitler Attentat. Limmat-Verlag, Zürich 1980.
Klaus Urner: Der Schweizer Hitler-Attentäter: Drei Studien zum Widerstand und seinen Grenzbereichen: Systemgebundener Widerstand/ Einzeltäter und ihr Umfeld/ Maurice Bavaud und Marcel Gerbohay. Frauenfeld 1980.
imagofilm hat über M. Bavaud eine Dokumentation mit dem Titel Es ist kalt in Brandenburg. Ein Hitler-Attentat gedreht.
Links (deutsch):
http://www.rottenburg-stuttgart.paxchristi.de/bs.texte/bs.akt.3/index.html
http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_98/46/28a.htm
http://efriz.ch/cgi/sfc.pl?a=/sys/htm/menu.html&b=/archiv/986/a-3.html
http://www.kath.ch/skz/skz-2001/berichte/be19.htm
http://www.meienberg.ch/themen/werk/es-ist-kalt-in-brand/index.html
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