David Ludwig Bloch
Maler und Lithograf
Geb. 25.3.1910, Floß
Gest. 16.9.2002, Barrytown/N.Y./USA
Am 25. März 1910 wurde Bloch in der kleinen oberpfälzischen Gemeinde Floß geboren. Schon als Kleinkind verlor er das Gehör. Sehr früh wurden seine künstlerischen Begabungen erkannt und gefördert. Er besuchte die Landestaubstummenanstalt in München und eine Privatschule in Jena. Von 1925 bis 1930 absolvierte er eine Ausbildung als Porzellanmaler in Plankenhammer bei Floß und in Selb in Oberfranken. Er war stets bemüht, seine künstlerischen Talente auszubauen. Erste Werke, Aquarelle, die er 1937 während einer Radtour durch Deutschland (u.a. Hafenmotive aus Hamburg) schuf, fanden Beachtung, Anerkennung und brachten ihm einen ersten Erfolg. Bloch konnte diese Aquarelle bewahren und über die leidvollen Jahre retten.
Studium in München
Als einziger Gehörloser durfte er 1934 ein Studium an der Staatlichen Akademie für angewandte Kunst in München aufnehmen. Dort erlernte er u.a. bis 1938 die Technik des Holzschnittes, die er später zu meisterlicher Vollkommenheit ausbauen sollte.
Dem Juden David Ludwig Bloch wurde die nationalsozialistische Rassenpolitik zum Verhängnis. Er wurde 1938 von der Akademie verwiesen. Er versuchte nun, sich irgendwie „durchzuschlagen“. Während der Reichspogromnacht im November 1938 wurde er von den Nazis verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Nach mehrwöchigen Drangsalierungen und Qualen konnte er gerettet werden. Sein in den USA lebender Bruder verhalf ihm zur Flucht nach Shanghai.
Fluchtort Shanghai
Warum gerade Shanghai als Zielort seiner Flucht? Die ostchinesische Hafenstadt war zu jener Zeit der einzige Zielort auf der Welt, in dem flüchtende europäische Juden kein Visum vorlegen mußten. So drängten sich 1940, als der 30jährige Bloch dort eintraf, nahezu 20.000 geflüchtete Juden aus ganz Europa in einem Ghetto zusammen. Wie alle anderen hatte auch Bloch unter den erschwerten Lebensbedingungen zu leiden: beengte Wohnverhältnisse, ungewohntes subtropisches Klima, Kulturschock, Hunger…
Weitere Informationen zur Exilstation Shanghai entnehmen Sie bitte dem folgenden Beitrag:
Autoren: Wiebke Lohfeld und Steve Hochstadt
Trotz dieser Umstände entwickelte sich im Shanghaier Ghetto ein vielfältiges kulturelles Schaffen. Bloch wurde als Mitglied in die Vereinigung ARTA (Association of Jewish Artists and Lovers of Fine Art, Shanghai) aufgenommen. Hier fand er Anregungen und den Mut, sein Werk fortzusetzen.
Nicht zuletzt verhalf ihm sein bis heute währender grenzenloser Optimismus über diese prekäre Phase hinweg. Durch Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen wurde er bekannt. Aber erst die Veröffentlichung des Zyklus Rikschas, in dem er 60 Holzschnitte zeigte, verhalf ihm 1942 zu hohem künstlerischem Erfolg. Im Jahre 1997 erschienen die ca. 300 Holzschnitte Blochs mit den weiteren Zyklen Yin & Yang – beggars and chinese children mit dem vorangestellten Lebenslauf des Künstlers.
In den Jahren des Shanghaier Exils schuf Bloch aber auch eine Reihe von Aquarellen mit chinesischen Landschaftsmotiven und ein Ölgemälde von Shanghais bedeutender Uferpromenade.
Im Jahre 1946 lernte David Ludwig Bloch die gehörlose Chinesin Cheng Disia kennen. Sie heirateten.
Emigration in die USA
1949 emigrierte das Ehepaar Bloch in die USA. Aus der Ehe sind zwei hörende Söhne hervorgegangen.
Bloch arbeitete in Mount Vernon, New York, als Kunstlithograph. Aber sein künstlerisches Schaffen gab er nicht auf. In Mount Vernon entstand u.a. der auch in Deutschland bekanntgewordene Acryl-Zyklus Von A (Adolf Hitler) bis Z (Zyklon B) sowie eine Vielzahl von Holocaust-Mahn-Holzschnitten.
Einige gehörlose Freunde David Ludwig Blochs glaubten, er sei durch die Nazis ermordet worden. Ja, selbst seine in Nürnberg lebende Tochter Lydia war von der Ermordung ihres Vaters überzeugt…
Eine späte Würdigung in Deutschland
Anläßlich einer von der bis dahin einzigen Gehörlosen-Synagoge, dem Temple Beth Solomon of the Deaf in Los Angeles, organisierten Vortragsreise (1983) wurde ich von David Ludwig Bloch in dessen Heim in Mount Vernon eingeladen. Blochs Persönlichkeit und sein bedeutendes künstlerisches Lebenswerk beeindruckten mich zutiefst. Auf meinen Wunsch hin erklärte sich Bloch spontan bereit, seinen Zyklus Von A bis Z (s.o.) in Bremen auszustellen. Der Ausstellung war ein großer Erfolg beschieden: Nicht nur die Medien, sondern auch die breite Öffentlichkeit nahmen sich der Persönlichkeit und des Schicksals des gehörlosen Künstlers an. Infolge dieser Bremer Ausstellung Crying hands kam es auch zu der Zusammenführung von Vater und Tochter. Seitdem ist die Tochter Blochs, Lydia Abel, mit enormer Tatkraft und großem Organisationstalent bemüht, das Lebenswerk ihres Vaters in Deutschland weiter bekanntzumachen. Mehrere Ausstellungen in deutschen Museen und Galerien sind ihr zu verdanken.
Verfasst von: Dr. phil. Horst Biesold (1939-2000) anlässlich einer Ausstellungseröffnung mit Shanghaier Holzschnitten von David Ludwig Bloch im Kloster St. Augustin 1997, zuerst veröffentlicht in: DAS ZEICHEN, Heft Nr. 41, September 1997, S. 346 ff. Hier zitiert aus:
http://www.taubenschlag.de/kultur/Kunst/david
Alle Fotos: Privatbesitz
Literatur:
Arbeiten in Deutschland vor der Emigration
Im Exil in Shanghai und in den USA
Weitere Kurzbiographien
Sammlungen
Werk- und Literaturauswahl:
Bloch, David L.: Rickshaw. (Folge von 60 montierten Holzschnitten, ohne Bildtitel) Shanghai 1941-1942 (chinesische Bindung); ders.: Rickshaw (60 Holzschnitte mit chinesischen und japanischen Titeln. Text: Kusano Shinpei). Shanghai: Tai Ping Shu Fang 1942; verschiedene weitere Ausgaben teils mit 70 Holzschnitten, alles Handabzüge, im Besitz des Künstlers und seiner Familie
– -: Beggars. (Folge von 66 montierten Holzschnitten, ohne Bildtitel) Shanghai 1943, Handabzüge, lose Blätter in chinesischem Schuber mit Knebelverschluss, im Besitz der Familie sowie Ex. Nr. 6 (von 7): Exilarchiv Frankfurt/Main: EB 90b/14
– -: Chinese Children. Illustrated with 60 Wood Cuts (Folge von 60 montierten Holzschnitten, ohne Text). Shanghai 1944, Handabzüge, im Besitz des Künstlers und seiner Familie
– -: Yin Yang. 48 Woodcuts by D. L. Bloch (Folge von 48 montierten Holzschnitten). Shanghai 1948, Handabzüge, im Besitz des Künstlers und seiner Familie
– -: zahlreiche ungebundene Holzschnitte (querformatige Straßenpanoramen, Vignetten, Glückwunschkarten usw.), Shanghai 1941-48, Handabzüge, teils koloriert, im Besitz des Künstlers und seiner Familie
Anonym: Bloch’s One-Man Show. In: Gallaudet Today, I, 6, 1975, S. 18f.
Anonym: D. L. Bloch. Shanghai. China. In: Language of Art (USA), 16.12.1949
Anonym: David Bloch. Bilder sind seine Sprache. In: Weser-Kurier, 10.11.1983
Anonym: Jewish Life in Shanghai (Ausstellungsbesprechung). In: YIVO (Yiddish Scientific Institute), No. 28, Sept. 1948 Bloch – David Ludwig Bloch. Holzschnitte und Acrylbilder zum Holocaust. Ausstellungkatalog des Jüdischen Regionalmuseums Fürth-Schnaittach (Monika Berthold). Fürth 1994
– – David Ludwig Bloch: Holzschnitte. Woodcuts. Shanghai 1940-1949, hg. von B. Hoster, R. Malek, K. Wenzel-Teuber. Eine gemeinsame Veröffentlichung des China-Zentrums und des Instituts Monumenta Serica. Nettetal 1997 (enthält sämtliche in China entstandenen Holzstiche, die alle anläßlich der Ausstellung vom Künstler mit Titeln versehen wurden)
Dreifuss, Alfred: Ausstellung D. L. Bloch. In: Shanghai Jewish Chronicle., 25.9.1941
– -: Der Maler D. L. Bloch. In: Jüdisches Nachrichtenblatt (Shanghai), 3.12.1943
Flynn, Norman: Meet the Ricsha Puller. In: The Shanghai Evening Post & Mercury, 16.12.1942
Neugebauer, Rosamunde: Kunst im Exil. David Ludwig Bloch in Shanghai. In: China heute. Informationen über Religion und Christentum im chinesischen Raum, Jg. XVI, 1997, Nr. 5 (93), S. 153-160
– -: KZ Dachau – Ghetto Shanghai – heute New York. Zu Lebensweg und Werk des Künstlers David L. Bloch. In: Zwischen Theben und Shanghai. Jüdische Exilanten in China – Chinesische Exilanten in Europa. Almanach zum V. Else-Lasker-Schüler-Forum, hg. von Hajo Jahn. Berlin 1998, S. 135-155
Autorin:
Rosa von der Schulenburg
Die Kunsthistorikerin Dr. Rosamunde Gräfin von der Schulenburg (Rosamunde Neugebauer) befasste sich aus wissenschaftlicher Sicht ebenfalls eingehend mit den Shanghaier Holzschnitten David Ludwig Blochs. Nachfolgend die gekürzte Fassung eines Vortrages, gehalten am 30. September 1997 in der Alten Synagoge Wuppertal, innerhalb des Rahmenprogramms zum Forum Flucht in die Freiheit – Shanghai als Exil staatenloser Juden und NS-Gegner/ Chinas Exilanten in Europa der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, Wuppertal:
KZ Dachau – Ghetto Shanghai – Heute New York
Zu Lebensweg und Werk des Künstlers David L. Bloch
Im Bildzentrum und als einzige in Gänze zu sehen, werden uns drei gestreifte, fein säuberlich gefaltete Männerjacken präsentiert. Sie sind weder auf einem Verkaufstisch in einem Herrenbekleidungsgeschäft ausgelegt noch im Regalfach eines Kleiderschranks drapiert, sondern sorgsam auf den blanken Boden in akkuratem Abstand nebeneinander – gewissermaßen „stramm liegend“ – geordnet und an Streifendesign, aufgenähtem Stern sowie Nummer als Häftlingsjacken zu identifizieren. Ihnen steht geringfügig mehr Fläche zu, als den dahinter und daneben stramm stehenden Beinen in gestreiften Hosen. Die Kleidung soll offensichtlich die Lücken in den Reihen, die Fehlstellen im Muster der Masse optisch füllen, die durch die Abwesenheit ihrer einstigen, durch Tod oder Krankheit „verhinderten“ Träger entstanden sind. Garant für die Vollzähligkeit mit allen Mitteln beim Roll Call for AU (Abb. 1), beim Zählappell – so der Titel – scheint derjenige in blanken Stiefeln zu sein, der schräg neben dem aufmarschierten Trupp steht. Der extreme Bildausschnitt, die Froschperspektive verdeutlicht zum einen metaphorisch, daß der Betrachter dieser Ordnung nicht gewachsen ist, zum anderen, daß diese zum Endlosrapport gefügten Menschen, wie deren Bewacher, namen- und gesichtslose, auswechselbare Einheiten sind. Es ist die Ästhetik der „mustergültigen“ Barbarei, die der Künstler hier sinnfällig vor Augen führt, indem er uns wie durch einen Sehschlitz heimlich Einblick in einen sonst den Blicken entzogenen Bezirk der Macht gewährt. David L. Bloch, der dieses Acrylbild in den 70er Jahren in den USA schuf, war einst Augenzeuge dieser morgendlichen Prozedur im KZ Dachau gewesen.
Klicken Sie hier, um den Vortrag als PDF-Dokument heruntezuladen
Links (deutsch):
http://server.hagalil.com/hagalil/archiv/2000/09/bloch.htm
http://www.kugg.de/kunst/ssh_davidbloch_1993.htm
http://www.sbg.ac.at/ger/kmueller/zw1-01-inhalt.doc
http://www.kz-gedenkstaette-dachau.de/index.htm
International:
http://moishe.51.net/en/4/4E.HTM
http://www.earnshaw.com/shanghai-ed-india/tales/woodcuts.htm
Die Kommentare sind deaktiviert.