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Canetti, Elias

H.A.M. 0

Elias Canetti
Schriftsteller


Geb. 25.7.1905 in Rustschuk/ Osmanisches Reich (heute: Rousse/ Bulgarien)
Gest. 14.8.1994 in Zürich/ Schweiz


„Rustschuk an der unteren Donau, wo ich zur Welt kam, war eine wunderbare Stadt für ein Kind, und wenn ich sage, dass sie in Bulgarien liegt, gebe ich eine unzulängliche Vorstellung von ihr, denn es lebten dort Menschen der verschiedensten Herkunft, an einem Tag konnte man sieben oder acht Sprachen hören. Alles, was ich später erlebt habe, war in Rustschuk schon einmal geschehen. Die übrige Welt hieß dort Europa, und wenn jemand die Donau hinauf nach Wien fuhr, sagte man, er fährt nach Europa, Europa begann dort, wo das türkische Reich einmal geendet hatte.“

(Elias Canetti: Die gerettete Zunge)


Dieser europäische Bürger par excellence ist der Dichter, für den sich bei der Verleihung des Nobelpreises sieben Länder mit ihm verbunden fühlten – Deutschland, Bulgarien, Österreich, England, die Schweiz, Spanien und Israel -. der bis zum Ende seines Lebens mit doppelter Bürgerschaft gelebt hat – die schweizerische und englische – und dessen Heimat der geistige Raum der europäischen Bildungstraditionen war.


Canettis Elternhaus atmet das orientalische Flair des Urgroßvaters. In dem multikulturellen Sprachgemenge einer Großfamilie mit sephardisch-jüdischen Wurzeln überwiegt das Spanische, aber die Eltern unterhalten sich zuweilen auch auf deutsch, wenn der Sohn Elias sie nicht verstehen soll.

Aus finanziellen Interessen, und wohl auch, um sich aus dem engen Familienverband zu lösen, zieht das Ehepaar 1911 mit den nunmehr drei Söhnen ins britische Manchester, wo Elias‘ Vater, Jacques Canetti, in das Geschäft seines Brudes mit einsteigt und nun auch das Englische zu Elias‘ Sprachheimat wird.

Der Vater stirbt überraschend mit 31 Jahren; da ist der älteste Sohn Elias sieben. Die Familie zieht nach Wien um. Elias spricht außer spanisch ein wenig französisch und sehr gut englisch. Um aber in Wien in die für Achtjährige entsprechende Schulklasse aufgenommen zu werden, muss er Deutsch können. An die Deutschstunden bei seiner Mutter wird sich Canetti sein Leben lang mit mehr als ungutem Gefühl erinnern. 1916 übersiedelt die Familie im Zuge des österreichischen Kriegspatriotismus‘ in die Schweiz und 1921 nach Deutschland.


Nach dem Abitur geht Canetti zu Studium der Chemie wieder nach Wien und fängt an, sich mit dem sozialpsychologischen Phänomen der Masse zu beschäftigen; ein Thema, das ihn sein ganzes Leben lang begleiten wird. In diesen Wiener Jahren vor seiner Emigration verkehrt Elias Canetti unter anderem in den Kreisen von Robert Musil, Hermann Broch, Alban Berg und Alma Mahler. Während der Semesterferien arbeitet der Student Canetti Ende der Zwanziger Jahre in Berlin bei Wieland Herzfelde in dessen Malik-Verlag als Übersetzer; eine Tätigkeit, die er auch nach seiner Promotion weiterführt.

1930 konzipiert er seinen achtbändigen Roman-Zyklus Comédie Humaine an Irren und beendet ein Jahr später die Die Blendung, in der er den Konflikt zwischen Geist und Wirklichkeit als „Groteske“ beschreibt und die in fast allen europäischen Ländern erscheinen wird. Canettis erstes Drama Hochzeit entsteht.


Mit dem Anschluß Österreichs 1938 verlassen Elias Canetti und seine Frau, die Schriftstellerin Veza Taubner-Calderon, Wien und emigrieren über Paris nach London. 1949 wird er in Frankreich mit dem Prix International ausgezeichnet. Drei Jahre später entsteht sein Drama Die Befristeten, das 1956 im Playhouse Oxford in englisch und 1967 in Wien uraufgeführt werden wird. Es handelt von der tiefsten und eigentlichen Ungleichheit der Menschen: der ihrer Lebensdauer. Jeder weiß um die Zahl seiner Lebensjahre: sie sind sein Name.


„Fünfzig: Junge Frau! Junge Frau! Ich muß mit Ihnen sprechen! Erschrecken Sie nicht, junge Frau! Ich weiß nicht, wer Sie sind. Ich weiß nicht einmal Ihren Namen. Aber ich weiß, dies ist das Begräbnis Ihres Kindes. Antworten Sie mir, junge Frau, ich beschwöre Sie! Antworten Sie mir! – Sie haben Ihr Kind verloren?
Junge Frau: Ja
Fünfzig: Es war sehr jung
Junge Frau: Ja.
Fünfzig: Wie alt war es?
Junge Frau: Sieben.
Fünfzig: Sie sind sehr verzweifelt.
Junge Frau: Nein.
Fünfzig: Sie haben es sehr geliebt?
Junge Frau: Ja.
Fünfzig: Und Sie sind nicht verzweifelt?
Junge Frau: Nein. Gar nicht.
Fünfzig: Warum nicht?
Junge Frau: Ich wußte, wann es sterben wird. Ich wußte es immer.“

entnommen aus: Elias Canetti: Die Befristeten, Carl-Hanser-Verlag München-Wien, 2. Aufl. 1982, ISBN 3-446-13567-7, S. 33


Die Eindrücke einer Marrakesch-Reise, die Canetti 1954 als Begleiter eines Filmteams von London aus nach Marokko unternimmt, verarbeitet Elias Canetti in Die Stimmen von Marrakesch als literarische Momentaufnahmen, die in immer neuen Versuchen den flüchtigen Charme Marrakeschs einfangen und am Ende ebenso viel über den bezauberten Schriftsteller verraten wie über die Stadt, die ihn in ihren Bann gezogen hat.

Canettis bislang einzige Veröffentlichung, der Roman Die Blendung, liegt fast zwanzig Jahre zurück, und es werden noch weitere fünf Jahre bis zum Erscheinen seines zweiten theoretischen Hauptwerkes Masse und Macht – eine Analyse der Beziehung von Mensch und Gesellschaft mit Hilfe eines ethnografisch-psychologischen Ansatzes – vergehen. Der Dichter versagt sich in diesen Jahren das Schreiben, er sammelt nur, trägt die Mythen der Völker in Büchern zusammen und versucht, hinter den Massenwahn zu kommen, der Hitler an die Macht brachte und Juden wie Canetti ein weiteres Mal ins Exil trieb


1965 gerät die Uraufführung von Canettis Drama Hochzeit am Staatstheater Braunschweig wegen seiner unkonventionellen Gedanken über die Ehe zum Skandal.

1975 erscheinen die gesammelten Essays unter dem Titel Das Gewissen der Worte,1977 folgt der erste Band seiner Autobiografie Die gerettete Zunge. Geschichte einer Jugend, 1980 Teil zwei: Die Fackeln im Ohr. Elias Canettis literarisches Schaffen wird 1981 mit der Verleihung des Literatur-Nobelpreises gekrönt.


Werkauswahl:

Essays, Aufzeichnungen, Aphorismen: Die Stimmen von Marrakesch (1968) Der andere Prozeß (1969) Die Provinz des Menschen (1973) Der Ohrenzeuge (1974) Das Gewissen der Worte (1975) Das Geheimherz der Uhr (1987) Unruhe der Gezeiten (1989) Die Fliegenpein (1992) – Ausgabe: Werke, 14 Bände (1995).


Links (deutsch):

http://www.canettigesellschaft.ru.acad.bg/index.htm

http://www.ub.fu-berlin.de/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/multi_cde/canetti.html

http://www.ogl.at/OGL-Link/C/canetti_elias.html

http://www.inst.at/trans/7Nr/konstantinov7.htm

http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.c/c062745.htm

http://www.zit.at/show_name.php3?name=385

http://de.wikipedia.org/wiki/Elias_Canetti

http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/CanettiElias

http://www.berliner-lesezeichen.de/lesezei/Blz01_03/text03.htm

http://web.skku.edu/german/essay/mla_bibl/canett98.htm

http://www.daszitat.de/autoren/503204938c0cfb71b/c/50320493970c07a0c.html

http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr04.htm

volume_up.gifhttp://www.lyrikwelt.de/rezensionen/aufzeichnungen-r.htm

http://www.mediathek.ac.at/mediathek_v4/htdocs/87ade1c77a1e54c21d5d610bf6ad350f/index.php?document_id=1000105&catID=5&galeryID=181


International:

http://www.almaz.com/nobel/literature/1981a.html

http://www.kirjasto.sci.fi/ecanetti.htm

http://biografieonline.it/biografia.htm?BioID=595&biografia=Elias+Canetti

http://users.skynet.be/lit/canetti.htm

http://www.fabula.org/actualites/article5872.php

http://www.bibliomonde.net/pages/fiche-auteur.php3?id_auteur=131

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