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Burger, Adolf

H.A.M. 0

Adolf Burger
Buchdrucker, Autor und Journalist


Geb. 12.8. 1917 in Velká Lomnica/ Slowakei

Gest. 06.12. 2016 in Prag/ Tschechische Republik


Adolf Burger„Kaum Erreichbare, ihr!
In den Konzentrationslagern begraben
abgeschnitten von jedem menschlichen Wort
unterworfen den Mißhandlungen
Niedergeknüppelte, aber
nicht Widerlegte!

Verschwundene, aber
nicht Vergessene!“

(Bertolt Brecht)


Adolf BurgerAdolf Burger wird im August 1942, gemeinsam mit seiner damaligen Frau, aus politischen Gründen verhaftet und mit anderen jüdischen Mitbürgern nach Auschwitz deportiert, wo er die Hölle des größten Vernichtungslagers der Nazis erlebt und seine Frau Gisela im KZ Birkenau ermordet wird.

Zwei Jahre später wird der gelernte Buchdrucker und Setzer auf Befehl des Sicherheitsdienstes der SS in die Fälscher-werkstatt des KZ Sachsenhausen (bei Berlin) abkommandiert.

Streng isoliert vom übrigen Lager, läuft hier seit 1942 das „Unternehmen Bernhard”, eine Falschgeldproduktion, in der Millionen englische Pfundnoten und jugoslawisches Partisanengeld ebenso gefälscht werden wie sowjetische Ausweise, brasilianische Pässe, Soldbücher und Formbriefe, z.B. des Palästina-Amtes in Genf. Eine philatelistische Rarität sind britische Briefmarken, die König Georg VI. mit Hammer und Sichel in der Krone zeigen oder Stalin Adolf Burgeranstelle der Königin.
Der Plan für die „größte Fälscherwerkstatt in der Geschichte” wurde von SS-Sturmbannführer Naujocks konzipiert, von Heydrich zu einer Führer-Vorlage erweitert und von Himmler Hitler vorgelegt. 

 


Adolf Burger„Der Block sah wie eine Mausefalle aus, hier war das Ziel unserer Reise. Noch wußten wir nicht, welches Geheimnis sich im Innern dieser Baracken verbarg, die uns wie ein Lager im Lager vorkamen.
Vor dem Tor blieben wir stehen…Wir hörten das Geräusch von Maschinen. Ein SS-Mann öffnete das Tor, und wir gingen zum Block. Als wir hineinkamen, sahen wir einen weißgetünchten Saal mit modernen Druckmaschinen und arbeitenden Häftlingen. Diese waren nicht kahlgeschoren, trugen saubere Häftlingsbekleidung. SS-Hauptscharführer Werner sagte, hier werden englische Pfundnoten gedruckt, ihr seid alle Facharbeiter und werdet hier arbeiten.
Er übergab uns dem Blockältesten. Artur Lewin, einem politi-schen Häftling aus Berlin. Er brachte uns zuerst in den Schlafraum. Erstaunt starrten wir auf die nur zweifach übereinander gestellten Pritschen mit weißem Laken, Decken und Kopfkis-sen. Im Vergleich mit den schrecklichen Bedingungen im KZ Birkenau – war mir, als wäre ich von der Hölle in den Himmel gekommen. Jeder bekam seinen Platz zugeteilt und dazu ein Spind für persönliche Sachen. So ein Luxus. Aber in diesem Moment wurde mir auch die schreckliche Wahrheit bewußt:
Von hier kommst du nie lebendig raus. Eine vom Nazi-Staat errichtete Geldfälscherwerkstatt bedeutet ein Staatsgeheimnis, dessen Zeugen nur der Tod erwartet.“ *)


Adolf BurgerMit Herannahnen der sowjetischen Armee im Frühjahr 1945 wird das Todeskommando aus den vom übrigen KZ hermetisch abgeriegelten Blocks 18 und 19 – mit sämtlichen Druckmaschinen – zuerst nach Mauthausen und dann in ein Außenlager des im österreichischen Salzkammergut gelegenen KZs Ebensee deportiert. Hier werden die 135 noch überlebenden Häftlinge des Fälscherkommandos am 5. Mai 1945 durch amerikanische Truppen befreit. Die Kisten mit dem Falschgeld hatten die Nazis zuvor im Toplitz-See versenkt.
Adolf Burger, der ehemalige Häftling Nr. 64 401, kehrt in die Tschechoslowakei zurück.

 

 

 


Adolf Burger„Am 20. Mai 1945 kam ich in Prag an. Ich wollte nach Hause fahren, das war mein erster Gedanke. Aber die Züge aus Prag nach Poprad fuhren erst nach sechs Wochen. Und so mußte ich wieder warten. Ich hoffte, zu Hause meine Mutter und den Stiefvater wiederzufinden, den einzigen Brief von der Mutter hatte ich im Oktober 1944 im KZ Sachsenhausen bekommen.
Deutlich kann ich mich an diese Reise erinnern. Ich machte Pläne für die Zukunft, Hoffnungen…Ich ging auf dem bekannten Weg vom Bahnhof nach Hause. Ich machte die Tür auf… Und enttäuschender konnte es nicht sein: eine leere Wohnung, ganz leer, ohne irgendwelche Möbel. Ich stand auf der Schwelle, an den Türrahmen gelehnt, ich war verzweifelt und nahm die Umgebung gar nicht mehr wahr. Erst nach einer Weile merkte ich, daß jemand hinter mir stand. Ich drehte mich und und sah unsere Nachbarin. „Sind Sie es? Sie leben?“ Voller Unglauben schaute sie mich an. Von ihr erfuhr ich, was geschehen war. Meine Mutter war in das Konzentrationslager Adolf BurgerRavensbrück und der Vater nach Sachsenhausen deportiert worden. Knapp vier Monate vor Ende des Krieges. Ich habe sie nie wiedergesehen.

Damals, auf der Schwelle der leeren Wohnung, hatte ich einen einzigen Gedanken in mir: „Hier kann ich nicht weiterleben!“ Ich drehte mich um und ging wieder zum Bahnhof. Ich kehrte nach Prag zurück, um Zeugnis abzulegen über alles, was ich erlebt und – überlebt hatte.“ *)

Adolf Burger

 

 

 

 


Adolf BurgerAuch und gerade in Zeiten, in denen es immer wieder zu ausländerfeindlichen und antisemitischen Übergriffen kommt, fährt der tschechische Autor, Journalist und Verleger regelmässig nach Deutschland, um in Universitäten, Schulen und Kirchen-gemeinden vor und mit jungen Menschen über seine Erfahrungen im Fälscherkommando von Sachsenhausen zu sprechen. 

 


Adolf Burger„Ja, das ist dieser Moment, der mich auch nach fünfzig Jahren in die Schulen bringt, in die Schulen, wo die Schüler, die sechzehn, siebzehn, achtzehnjährigen Schüler, welche nicht viel davon wissen, was in Auschwitz-Birkenau wirklich geschehen ist, daß ich einen Vortrag halte, um ihnen zu sagen nur das, was ich einsuneinhalb Jahre täglich zusehen mußte. Ich erkläre ihnen, was die SS, was diese Nazis fähig waren…“

volume_up.gifKlicken Sie bitte hier, um diesen O-Ton (als MP3-Datei) in ganzer Länge anzuhören
© Ulrike Müller

 


Adolf BurgerAdolf Burger, Präsidiumsmitglied des Internationalen Sachsenhausen-Komitees, gehört zu den wenigen weltweit noch lebenden Augenzeugen jener Ereignisse, über die er – nach jahrlanger Recherche – einen Tatsachenbericht geschrieben hat, für den er in der Tschechischen Republik mit einem Literaturpreis ausgezeichnet wird.


*) zitiert aus:
Adolf Burger: „Des Teufels Werkstatt“
Verlag Neues Leben GmbH, Berlin 1997
ISBN 3-555-01486-9, S. 123f. und S. 243

2007 erschien im Elisabeth Sandmann Verlag eine Neuauflage des Buches, siehe auch Buchempfehlungen


Im Sommer 2000 fand am Toplitz-See im österreichischen Salzkammergut eine Bergeaktion des US-Fernsehsenders CBS statt:

die 1945 von den Nazis hier versenkten Kisten mit Falschgeld aus dem KZ Sachsenhausen sollten geborgen werden. Mit dabei war Adolf Burger, einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen. Am 5. Juli um 14.30 Uhr holte ihn, nach 55 Jahren die Ver-gangenheit ein: vor ihm, auf dem US-Bergefloß, lag ein winziger Teil jener Pfundnoten, die er einst selbst gefälscht und für den Transport in die Kisten verpackt hatte.

Klicken Sie bitte hier, um die Erinnerungen von Adolf Burger zu dieser Bergungsaktion zu lesen

Weitere Informationen zu dieser Aktion unter: http://www.cbsnews.com/stories/2000/11/21/60II/main251320.shtml


Burgers Tatsachenbericht über die Fälscherwerkstatt im KZ Sachsenhausen ist Drehbuchvorlage für DIE FÄLSCHER, einen der beiden deutschen Beiträge im internationalen Wettbewerb auf der BERLINALE 2007.


Links (deutsch): 

http://www.jungewelt.de/frameit.php?/1997/10-29/014.htm

http://www.gedenkstaette-sachsenhausen.de

http://www.ebensee.org

http://www.bertbrechtgymnasium.de/aktuell/burger.htm

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/17/0,1872,2062641,00.html

film.gifhttp://www.universumfilm.de/theatrical/movie.html?ID=2f76fb65-f9d4-471a-8d61-62d51165ad5e

film.gifhttp://www.zdf.de/ZDFmediathek/inhalt/5/0,4070,3933093-5,00.html

http://www.friedensfilmpreis.org/interviews/heubner.html


International:

http://www.scrapbookpages.com/Sachsenhausen/counterfeit.html 

http://www.cbsnews.com/stories/2000/11/21/60II/main251339.shtml

http://econc10.bu.edu/Ec341_money/Assignments/stories_counterfeit.htm

http://www.psywarrior.com/WWIIAxisBanknotes2.html

http://www.fronta.cz/index.php?clanek=126

http://www.holocaust.cz/cz2/history/camps/sachsenhausen

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