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Ebert, Carl

H.A.M. 0

Carl Ebert
Theaterregisseur


Geb. 20.2. 1887 in Berlin
Gest.14.5. 1980 in Santa Monica (Cal.)/ USA


„Politisches Theater erreicht nichts, weil die, die gemeint sind, nicht ins Theater gehen.“

(Carl Ebert)

Dieser Satz eines Realisten stimmt nur partiell: Nazis kamen Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts sehr wohl ins Theater. Allerdings oft nur aus einem Grund: Um zu provozieren und zu stören. Einen Regisseur wie Carl Ebert, der mit seinen Opern-Inszenierungen in Darmstadt und später in Berlin neue Akzente gesetzt hatte, mussten die Nazis als Provokateur empfinden. Sie verfolgten den Sozialdemokraten und Kulturbolschewisten wegen seiner linken Einstellungen schon vor 1933. Und als sie an der Macht waren, entließen sie den Intendanten und Generaldirektor der Städtischen Oper Berlin am 15. März 33 fristlos.


Carl Ebert war ein im besten Sinne besessener Theaterfreak. Dabei hatte er nach dem Besuch einer Oberrealschule zunächst bei einer Bank angefangen. Möglicherweise, weil die Eltern oder ein Elternteil den Sohn etwas „Vernünftiges“ machen lassen wollte.
Doch den ungeliebten Langeweilerjob hing er schnell an den Nagel, um sich seiner wahren Liebe hinzugeben. Es war ja eine tolle Zeit: Expressionistische Autoren schrieben Bühnenstücke, die Musik ließ sich aus Amerika beeinflussen: Jazz, Jitterbug, Lindy Hop. Bunte Paradiesvögel wie Else Lasker-Schüler beherrschten als heimliche Königinnen die Szene. Berlin war in und Sammelpunkt für die Kreativen aus halb Europa.


Ebert hatte das Riesenglück, bei einem der ganz Großen des deutschsprachigen Theaters von 1907 bis 1909 lernen zu dürfen, nämlich bei Max Reinhardt, der ihn anschließend bis 1914 als Schauspieler am Deutschen Theater engagierte. Danach ging er (überwiegend) als „jugendlicher Held“ nach Frankfurt am Main, wo Ebert 1919 sein Wissen an junge Leute weitergeben wollte. Deshalb gründete er eine eigene Schauspielschule, die er 1922 aufgab, weil er einen Vertrag am Staatlichen Schauspielhaus in Berlin erhalten hatte. Dort stand er nicht nur in vielen Paraderollen, etwa als Peer Gynt, Egmont, Florian Geyer oder Tellheim auf der Bühne, sondern unterrichtete als wohlbestallter Professor an der Berliner Musikhochschule.


Es war die Zeit, als der begabte Regisseur Erich Kleiber die als fast unspielbar geltende Alban Berg-Oper „Wozzeck“ inszenierte. Da mussten theaterbesessene Zeitgenossen wie Ebert einfach schon bei den Proben dabei sein. Unter den „Fans“, wie man heute sagen würde, war der junge Komponist Berthold Goldschmidt. Man lernte sich kennen und schätzen: Der Komponist und der Schauspieler, der längst auf dem Wege zu einem der bekanntesten Regisseure war, freundeten sich an und arbeiteten solange zusammen, wie es ihnen in Deutschland noch vergönnt war. Aber das ahnten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Goldschmidt folgte Ebert nach Darmstadt, der dort ab 1927 als Generalintendant des Hessischen Landestheaters angestellt worden war. Vier Jahre später ging es zurück nach Berlin an die bereits erwähnte Städtische Oper, wo Kritiker und Publikum seine Verdi-Inszenierungen begeistert feierten – Inszenierungen von Macbeth und Maskenball, die bei den Faschisten für Aufjaulen sorgten, so modern waren sie.


Im Exil ging es Ebert mal besser, mal schlechter. Immerhin bekam er Aufträge als Gastregisseur von 1933 bis 1936 bei deutschen Operneinstudierungen am legendären Teatro Colón in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, als Schauspieler und Regisseur an den Stadttheatern von Zürich und Basel, sowie vor dem Anschluss Österreichs an der Staatsoper und am Burgtheater in Wien, in Salzburg und beim Maggio Musicale in Florenz; unter der faschistischen Diktatur in Italien war manches möglich, was unter den deutschen Nazis nie gegangen wäre.


Mit einem anderen großen Künstler aus Deutschland, dem exilierten Dirigenten Fritz Busch, gründete Carl Ebert die Glyndebourne-Opernfestspiele, mit der ein neuer Mozart-Stil kreiert wurde, der bis heute vorbildhaft ist. Es folgte die Mitwirkung an den Edinburgg-Festspielen und eine Berufung als Opernsachverständiger für das türkische Theater durch Kemal Attürk, dem Gründer der modernen, laizistischen Türkei. In Ankara halb Ebert mit, eine türkische Theaterschule und das Nationaltheater aufzubauen, dessen Leitung er von 1939 bis 1947 ausübte.


Nach dem Ende der Nazidiktatur wurde die halbe Welt seine Bühne: Carl Ebert kehrte über Los Angeles – wo er sechs Jahre lang Direktor der Opernabteilung der dortigen University war – an die Städtische Oper Berlin zurück, der er internationale Geltung verschaffte. Die Exilzeit hatte ihn noch mutiger gemacht. Er inszenierte in den Metropolen Europas und der USA zu Unrecht vergessene Werke und neue Kompositionen, oft gegen konservativen Widerstand. Dabei vergaß er nicht, dass ihm die Türkei zeitweise Gastrecht gewährt hatte, war dort als Gastregisseur ebenso tätig wie an anderen Stationen seiner Exilzeit in England und der Schweiz.


Seinen Wohnsitz aber nahm Carl Ebert in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo er als Exilant nie gewesen war, aber viele andere großartige Geister Schutz und Aufnahme gefunden hatten.
Zurückgezogen lebte der nicht nur in West-Deutschland mit Auszeichnungen regelrecht überschüttete Carl Ebert zuletzt in Californien, wo er nach 93 erfüllten Jahren und kurzer Krankheit im Krankenhaus von Santa Monica starb. Ein vorbildhafter Mensch, ein formidabler Theatermann.


Autor:

Hajo Jahn


Links (deutsch):

http://www.libraries.psu.edu/speccolls/FindingAids/mahlerwerfel/Gratulanten/ebert.htm

http://www.filmportal.de/df/d7/Uebersicht,,,,,,,,E0DF80CA205B4A088CDC07E259BD5312,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,.html

http://www.ofdb.de/view.php?page=liste&Name=Carl+Ebert

http://www.deutscheoperberlin.de/haus/geschichte.php?id_language=1

 

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