István Eörsi
Schriftsteller
Geb. 1931 in Budapest/ Ungarn
Gest. 13.10. 2005 in Budapest/ Ungarn
„Er ist ein lächelnder Nein-Sager gegen jede Zensur, die auch die neumodischen Worte mit einschließt, ‚politisch korrekt‘ genannt. Statt mit dem moralischen Zeigefinger zu drohen, steckt er ihn den Mächtigen in ihrer Zeit der verratenen Lieben, Glauben und Hoffnungen in ihre fetten Hintern.“
Der Sohn eines jüdischen Juristen überlebt Ghetto und Zweiten Weltkrieg und belegt als Student der englischen und ungarischen Literatur Vorlesungen beim Philosophen Georg Lukács. Später arbeitet der überzeugte Marxist als Lehrer und Journalist und schreibt anfangs noch politische Gedichte, die dem herrschenden System genehm sind.
Nach Stalins Tod im Jahre 1953 beteiligt sich der junge Lyriker, Dramatiker und Prosa-Autor jedoch an jener legendären Rebellion der Schriftsteller, die in den Oktoberaufstand des Jahres 1956 münden, in dessen Verlauf Eörsi als Verbindungsmann zwischen Schriftstellerverband und dem Arbeiter-Rat von Groß-Budapest fungiert. Wegen dieser Aktivitäten wird er im Dezember 1956 verhaftet und unter der Anklage der konterrevolutionären Umtriebe zu acht Jahren Haft verurteilt. Im August 1960 läßt man ihn im Rahmen einer Generalamnestie wieder frei.
Eörsi schlägt sich in der Folgezeit am Rande des staatlich kontrollierten Kulturbetriebes als Schriftsteller, Journalist und Übersetzer durch und überträgt u.a. die Werke des us-amerikanischen Beatnik-Lyrikers und Freundes Allen Gisberg ins Ungarische, es folgen Gedichte von Goethe, Heine, Brecht, Shakespeare, Shelley, Keats, Puschkin und Majakowski, Apollinaire und Lorca sowie das Spätwerk seines einstmaligen Lehrers Georg Lukács. Daneben ist er der erste ungarische Übersetzer der Gedichte von Ernst Jandl.
Von 1978 bis 1982 arbeitet er als Dramaturg am Theater in Kaposvár und mischt sich immer wieder mit scharf-formulierten Essays und Kommentaren ins politische Alltagsgeschehen ein. Der Schriftsteller István Eörsi darf zwar wieder publizieren, aber seine politische Vergangenheit holt ihn immer wieder ein: zwei seiner Gedichtbände werden beschlagnahmt, mehrere Stücke von Verlagen oder Theatern abgelehnt, und immer wieder erteilen ihm die Behörden zeitweiliges Reise- und Arbeitsverbot und lassen ihn vom Geheimdienst observieren. Der Versuch, der ungarischen Kulturfunktionäre, ihn mundtot zu schweigen, mißlingt: István Eörsi ist mittlerweile zu populär, um ihn einfach zu verbietn.
In der letzten Phase der kommunistischen Herrschaft in Ungarn darf er ins Ausland reisen und erlebt dort die Aufführung seiner in Ungarn nicht erlaubten Werke: 1984 inszeniert sein Landsmann George Tabori Eörsis Stück Verhör an der Berliner Schaubühne, im darauffolgenden Jahr steht seine Satire Der Kompromiss auf dem Spielplan des Theaters in Osnabrück.
Der DAAD-Stipendiat (1983/84) kehrt 1986 aus West-Berlin nach Ungarn zurück und schließt sich nach der politischen Wende der Partei der ehemaligen Menschenrechtsopposition, dem Verband freier Demokraten, an, den er allerdings im Anschluß an heftige Auseinandersetzungen 2003 wieder verläßt
„Die politische Laufbahn ist jedoch nur die äußere Hülle eines viel breiteren geistigen und literarischen Werdegangs…Was dieses mannigfaltige Œuvre zusammenhielt, war eine Mischung zwischen Ironie und offen eingestandener Emotionalität. Die erste Qualität reichte bis zu tödlichem Sarkasmus und clowneskem Witzeln, die zweite neigte zum Pathetischen und Sentimentalen, ohne jemals falsch zu werden…Politik, Moral und Ästhetik waren für ihn keine normativen Themen, sondern Fragen der Einsicht, der Haltung und des Geschmacks. ‚Die‘ linke Ideologie mit ihren typischen Hoffnungen und Enttäuschungen existierte für ihn nicht; Linkssein war für ihn eine Attitüde der Verwegenheit, ein Engagement auf eigene Faust, Teil des privaten Glücks und Unglücks…Ich nannte ihn einmal den ‚letzten Linken‘, im Sinne des ‚letzten Römers‘. Es gibt noch andere, wehrte Eörsi mein Kompliment ab, aber sein verschmitztes Lächeln verriet mir, dass er sich geschmeichelt fühlte.“
György Dalos: Der letzte Linke. Verwegenheit und Engagement auf eigene Faust – Zum Tode des ungarischen Schriftstellers, Essayisten und Dissidenten István Eörsi. In: Frankfurter Rundschau vom 14.10.2005, S. 15)
„… im Morgengrauen ist István Eörsi gestorben. Ich müsste hinzufügen: der Dichter István Eörsi. Das war für ihn am wichtigsten. Doch er war auch Erzähler, Essayist, Satiriker, Mann des Theaters, Publizist, der Sporn in der Flanke des Staats, Republikaner, Ironiker, Sportsmann, Wettkämpfer und Champion des Alltags, treuer und treuloser Ehemann, Liebhaber und Vater, zusehends eher nur Vater, auch Großvater, zuverlässiger Freund, Stichelnder, antisentimentaler Sentimentaler, ein richtiger Junge, ein ganzer Mann, der allem und allen zum Trotz stets seine Meinung kundtut…“
(György Konrad: Solange er boxte, ging es ihm gut…Zum Tod von István Eörsi. In: Pester Lloyd 42-2005 Kultur). Hier zitiert aus:
http://www.pesterlloyd.net/Archiv/2005_42/0542 Kultur/0542kultur.html
Quelle:
*)hier zitiert aus: http://derstandard.at/?url=/?id=2207422
Links (deutsch):
http://www.perlentaucher.de/autoren/648.html
http://www.wieser-verlag.com/Autoren/Eoersi/autor.html
http://www.mdr.de/mdr-figaro/journal/783057-hintergrund-1163630.html
http://www.freitag.de/2003/28/03281402.php
http://www.oeko-net.de/kommune/kommune8-97/AKIS8.html
http://www.zeit.de/archiv/1999/26/199926.jh-eoersi_ginsbe.xml
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