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Everth, Erich

H.A.M. 0

Erich Everth
Kunsthistoriker, Journalist und Zeitungswissenschaftler


Geb. 1878 in Berlin
Gest. 1934 in Leipzig


„Als am 30. Januar 1933 Hitler die Macht übernimmt, feiern die mehr als achtzig Zeitungen der National-sozialisten das Ereignis mit großen Lettern – Triumph-geschrei in Druckerschwärze. Begeisterung aber auch beim Berliner Lokal-Anzeiger aus dem deutsch-nationalen Hugenberg-Konzern. Und Jubel bei über tausend Tageszeitungen im deutschen Land, die alle den Matern-dienst aus dem Hause Hugenberg beziehen: Es ist vollbracht.

In diesem Konzert der Gleichgesinnten gibt es nur mehr wenige, die eine andere Melodie anstimmen. Und noch wenigere, die wissen, wie solche Konzerte enden. Einer dieser wenigen heißt Erich Everth, ist Journalist und Professor für Zeitungskunde:
Ein Mann der unbequemeren Sorte, dem es als Erstes um den Schutz der Pressefreiheit vor dem Knebelgriff der nationalsozialistischen Gleichschalter geht – eine Sorge, die ihn Beruf und Ehre und wohl auch die Lebenskraft kosten sollte.“

(Anulf Kutsch: „Von der unbequemen Sorte“, in: message 2/2002)


Erich Everth studiert Kunstgeschichte, ist nach seiner Promotion über 17 Jahre als leitender Redakteur u.a. für die Rheinisch-Westfälische Zeitung, die Leipziger Volkszeitung, die Vossische Zeitung und die Deutschen Allgemeine Zeitung tätig und verfasst zahlreiche Beiträge zur Ästhetik, Literatur- und Kunstgeschichte.

Am 1. November 1926 wird der 48jährige Kunsthistoriker und Wiener Korrespondent des Berliner Tageblatts als Nachfolger des Zeitungswissenschaftlers Karl Bücher auf den zeitungskundlichen Lehrstuhl an der Universität Leipzig berufen. Sein Augenmerk gilt dabei vor allem dem Ziel, der Zeitungswissenschaft ein erkenntnistheoretisches wie methodologisches Fundament und damit die Anerkennung als selbständige wissenschaftliche Disziplin zu verschaffen.

In seiner Antrittsvorlesung und bald darauf in weiteren Beiträgen entwickelte Erich Everth eine – für die zeitgenössische Zeitungskunde völlig untypische – funktionale Perspektive, bei der für ihn besonders die gesellschaftliche Funktion der Zeitung im Vordergrund steht. Durch ihre „Vermittlungsfunktion“ befriedigt die Zeitung „als Sozialform in sich“ nach Everths Auffassung, im öffentlichen Leben soziale wie wirtschaftliche Bedürfnisse und stellt damit Verbindungen zwischen der Welt und dem Einzelnen her.


Erich Everths Sicht der Zeitungswissenschaft orientiert sich eng
an gesellschaftswissenschaftlichen (psychologischen und soziologischen) Erkenntnissen und definiert sie als ‚Integrationsdisziplin‘ ohne eigene Methode, für deren umfassende Erschliessung jedoch Methoden verschiedener Wissenschaften herangezogen werden müssen.

Der Zeitungswissenschaftler Everth weist der Ausbildungs-funktion der Zeitungskunde für den Journalismus eine nur nachrangige Bedeutung zu. Im ersten, 1928 gedruckten, Studienführer nennt er als vorrangige Aufgabe seines Instituts vielmehr „die wissenschaftliche Durchdringung der Zeitungs-kunde“, und daraus resultierend, die Ausbildung eines wissenschaftlichen Nachwuchses für die „weitere Arbeit am Ausbau der Disziplin“. Die darüber hinaus von der Zeitungskunde zu erbringende Berufsvorbereitung für den Journalismus liegt für Everth hauptsächlich in der Ausbildung eines systemkritischen Journalisten, dem er „Kenntnisse über das Zeitungswesen (…), die zur richtigen Auffassung und Beurteilung (der) künftigen Arbeit“ anleiten, vermitteln will.

Im April 1933 wird Erich Everth aus politischen Gründen zwangsbeurlaubt: als (übrigens einziger!) Zeitungswissen-schaftler hatte er im Februar ’33 Kritik an den Notverordnungen und der Pressepolitik der Nationalsozialisten geübt.


Links (deutsch):

http://www.leipziger-medienstiftung.de/preis/stipendien/stipendien.html

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