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Freund, Gisèle

H.A.M. 0

Gisèle Freund
Soziologin und Fotografin


Geb. 19.12.1908 in Berlin-Schöneberg
Gest. 31.3.2000 in Paris/ Frankreich


„Der Fotograf muß in einem Gesicht lesen wie in einem Buch. Er muß auch entschlüsseln, was zwischen den Zeilen steht.“

(Gisèle Freund)


Gisèle FreundDie Tochter aus bürgerlichem Elternhaus wird sehr früh bereits von ihrem kunstbegeisterten Vater in Museen mitgenommen und macht die Bekanntschaft mit Malern und anderen Künstlern. Den Plänen ihres Elternhauses zum Besuch einer Haushaltsschule widersetzt sie sich beharrlich und macht das Abitur.

Mit einer vom Vater geschenkten Leica im Gepäck geht Gisèle Freund 1931 zum Studium der Kunstgeschichte nach Freiburg und wechselt 1932 nach Frankfurt/ Main, wo sie am renommierten Institut für Sozialforschung bei Theodor W. Adorno und Karl Mannheim Soziologie belegt. Als Mitglied des sozialistischen Studentenbundes engagiert sie sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. 1933 muß die Jüdin Deutschland verlassen und emigriert nach Paris, wo sie sich an der Sorbonnne immatrikuliert.
Im Intellektuellenviertel der französischen Metropole beginnt ihre Freundschaft mit Adrienne Monnier, Besitzerin der legendären Buchhandlung Maison des Amis des Livres. Als Entdeckerin und Förderin junger Schriftsteller, Lektorin, Kritikerin, Übersetzerin und Verlegerin schafft Monnier ein Forum der französischen Literaturszene der zwanziger und dreißiger Jahre.


Die Kontakte Adrienne Monniers zur literarischen Avantgarde regen die junge deutsche Fotografin zu Portraitaufnahmen der im Buchladen verkehrenden Schriftsteller an. Zwischen 1935 und 1940 entstehen so überwiegend Farbproträts der großen Literaten jener Zeit, darunter James Joyce, Walter Benjamin, André Malraux, Louis Aragon, André Breton, Paul Eluard, Jean Cocteau, André Gide, Paul Valery, T. S. Eliot, Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir.


1936 erscheint Freunds erste große Photoreportage über Arbeitslosigkeit in England und bis 1940 arbeitet die Autodidaktin als freie Journalistin für diverse Magazine wie Paris Match, Life und Vu. Ihre 1936 von ihrer Freundin Adrienne Monnier herausgebrachte Dissertation „Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung der Fotografie“ wird zum Standardwerk.


1939 veröffentlicht das „Time“-Magazin auf der Titelseite eines jener Farb-Porträts, das Gisèle Freund von dem irrischen Dichter James Joice gemacht hat. Sie ist die erste Fotografin in Frankreich, die bereits seit 1938 mit 35-mm-Farbfilmen arbeitet.


Drei Jahre nach ihrer Heirat mit Pierre Blum, durch die sie die französische Staatsbürgerschaft erlangt, marschiert im Frühjahr 1940 die Deutsche Wehrmacht in Frankreich ein und Gisèle Freund flüchtet ins südfranzösische Lot. wo sie im Untergrund lebt, ehe sie 1942 nach Argentinien emigriert und als Kameraassistentin bei der Louis Jouvet Theatre Company Arbeit findet.
1947, ein Jahr nach der Trennung von ihrem Ehemann, wird Gisèle Freund Mitglied bei der von Robert Capa mitbegründeten Fotoagentur Magnum. In Lateinamerika wird sie endgültig zur Fotoreporterin und fotografiert bei ihrem späteren Aufenthalt in Mexiko u.a. das Malerpaar Frida Kahlo und Diego Rivera.

1946 kehrt Gisèle Freund aus dem argentinischen Exil nach Paris zurück, im Gepäck drei Tonnen gesammelter Lebensmit tel für die Schriftsteller im Nachkriegs-Paris. Kurz darauf bereist die Fotografin für „Magnum“ die Vereinigten Staaten. Als die Zeitschrift „Life“ 1950 ihre kritische Reportage über Evita Perón veröffentlicht, kommt es zum politischen Eklat zwischen Argentinien und den USA. 1954 erklärt sie das FBI zur „uner-wünschten Person“ und verweigert ihr die Einreise in die Vereinigten Staaten. Damit entfällt eine für „Magnum“ geplante Reportage und es kommt zur Trennung.


Entgegen ihrem Schwur, nie wieder deutschen Boden zu betreten, kehrt sie dennoch 1957 zu einem ersten Besuch in ihre Geburtsstadt zurück. Das Thema ihrer dort entstandenen Berlin-Bilder ist die Schizophrenie zwischen Wiederaufbau und Spaltung.


Zwischen 1970 und 1976 unternimmt Gisèle Freund mehrere ausgedehnte Reportagereisen, die sie u.a. nach Japan, in den Nahen Osten und in die USA führen. Ihre Autobiografie erscheint in englischer und französischer Sprache und sie veröffentlicht eine politische Geschichte der Fotografie (auf deutsch: „Photographie und Gesellschaft“).

Der Französische Fotografenverband wählt sie 1977 zu seiner Präsidentin. Das Rheinische Landesmuseum Bonn zeigt eine erste Retrospektive und sie nimmt an der documenta 6 in Kassel teil.


Frankreich verleiht Gisèle Freund den „Grand Prix National“ und ernennt sie – nachdem sie 1981 den französischen Staatspräsidenten François Mitterrand porträtiert hat -, zum Offizier der Ehrenlegion.

1987/88 verbringt sie auf Einladung der Getty-Foundation ein Studienjahr in den Vereinigten Staaten. 1989 wird ihr der Ehrendoktor der Universität Bradford/ England verliehen.

1991 findet eine große Gisèle Freund-Retrospektive im Musée National d’Art Moderne (Centre Pompidou) statt, und zwar auf der bis dahin nur berühmten Malern vorbehaltenen fünften Etage.

Die ‚Grande Dame‘ der Fotografie stirbt im Alter von 91 Jahren in ihrer Wahlheimat Paris.


Links (deutsch):

http://perso.wanadoo.fr/balmer/freund.html

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1996/0904/kultur/0003

http://www.duesselart-verlag.de/ap/gf-d.htm

 

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