Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Hasenclever, Walter

H.A.M. 0

Walter Hasenclever
Schriftsteller


Geb. 8. 7. 1890 in Aachen
Gest. 22.6. 1940 im Lager Les Milles bei Aix-en-Provence/ Frankreich


„Wie wir da im Garten sitzen, vielleicht zum letzten Mal, am ersten Kriegstage in dieser friedlichen Landschaft, muss ich plötzlich weinen. Fassungslos. Rettungslos. Wir Verbannten. Wir Heimatlosen. Wir Verfluchten. Was haben wir noch für ein Recht zu leben? Und die anderen müssen sterben!!…Was wir gedacht und geschrieben haben, was wir, Angehörige eines Volkes, das nie seine Dichter begriffen hat, dennoch glaubten verkünden zu müssen – es versinkt im Gespensterzug der Dämonen. Diese Welt existiert nicht mehr.“

(Walter Hasenclever Die Rechtlosen, 1938-1939)


Beim Überfall der deutschen Wehrmacht auf Frankreich gab es für die zahlreichen Exilanten nur die Alternativen, entweder weiter zu fliehen, sich zu verstecken oder sich festnehmen zu lassen mit der Konsequenz, in ein Konzentrationslager geschickt zu werden. Dann schon lieber gleich tot sein, sagte sich Walter Hasenclever. Um nicht in die Hände der Nazis zu fallen, nahm er sich in der Nacht von 21. auf den 22. Juni 1940 mit Veronal das Leben.


Als Sohn des Arztes Friedrich Hasenclever (und seiner Frau Emma, geborene Bölling) war der Schriftsteller gut vertraut mit dem Barbiturat, das als Schlafmittel auch und gerade unter Künstlern sehr beliebt war. Als jedoch Nebenfolgen, Abhängigkeiten und Missbrauch immer deutlicher wurden, gab es die vorher im freien Verkauf zugängliche Substanz ab 1908 nur noch auf Rezept. Walter Hasenclever dürfte wohl für den Fall der Fälle einen ausreichenden Vorrat angelegt haben, um nicht von den Nationalsozialisten umgebracht zu werden, die er in zahlreichen Veröffentlichungen angegriffen hatte. Er war ihr erklärter Gegner, seit sich seine Begeisterung für den (Ersten Welt-)Krieg in einen kämpferischen Pazifismus gewandelt hatte.


Freiwillig hatte er sich nach Studium von Jura, Literatur und Philosophie in Oxford, Lausanne und Leipzig 1914 zum Kriegsdienst gemeldet. Da war Hasenclever bereits ein relativ bekannter expressionistischer Schriftsteller, Mitglied eines literarischen Freundeskreises um den Dichter Franz Werfel. Zu der Zeit hatte er mit „Städte, Nächte und Menschen“ sowie mit Der Jüngling zwei Gedichtbände veröffentlicht, vor allem jedoch mit seinem Stück „Der Sohn“ Furore gemacht. In diesem expressionistischen Drama spiegeln sich seine Kindheitserlebnisse in einem strengen Elternhaus. Es war ein früher literarischer Protest gegen die Vätergeneration.


Innerhalb weniger Monate wurde aus dem begeisterten Soldaten ein entschiedener Kriegsgegner. Doch anders als bei der heutigen Bundeswehr konnte Walter Hasenclever in Uniform damals nicht mehr den Kriegsdienst verweigern. 1915 wird er in Belgien und später an der Ostfront eingesetzt. Aber wie der Hochstapler Felix Krull in dem Roman von Thomas Mann simuliert der junge Dichter ein psychisches Leiden. Er wird in einem Sanatorium behandelt und schließlich 1917 vom Militär entlassen. Im gleichen Jahr bekommt er die höchste deutsche Literaturauszeichnung, den Kleistpreis, für seine Tragödie Antigone: Eine leidenschaftliche Adaption des gleichnamigen Dramas des griechischen Autors Sophokles. In seinem Stück prangert Hasenclever gleichermaßen Machtgeilheit und Kriegsgewalt an.


Bei Kriegsende 1919 – Walter Hasenclever lebt in Dresden und Berlin – ist er Mitverfasser der Flugschrift Der politische Dichter. Darin werden die Leser in Lyrik und Prosa zu politischem Denken und Handeln animiert.

Wie es zu dieser Zeit vor allem in Berliner Intellektuellenkreisen Mode war, wendet sich auch Hasenclever eine zeitlang der Mystik und dem Okkultismus zu und wird einer der Herausgeber der – heute würde man sagen: esoterischen – Publikation Menschen. Zeitschrift neuer Kunst. Als Pariser Korrespondent für das Berliner 8-Uhr-Abendblatt (von 1924-1928) muß er jedoch über harte Fakten berichten. Er ist ein gefragter Feuilletonist, schreibt Essays, freundet sich mit Kurt Tucholsky und dem französischen Schriftsteller, Theaterautor und Diplomaten Jean Giraudoux an. Dessen Einfluss dürfte mit zum Erfolg der ersten Hasenclever-Komödie von 1926 beigetragen haben: Ein besserer Herr. Noch populärer wird er mit Ehen werden im Himmel geschlossen, doch trägt ihm dieses Lustspiel einen Prozeß wegen angeblicher Gotteslästerung ein.


Ab 1929 nimmt Walter Hasenclever wieder seinen Wohnsitz in Berlin. Von dort startet er ausgedehnte Reisen durch Europa und Nordafrika. Er schreibt Reiseberichte und einige Filmdrehbücher für Metro-Goldwyn-Mayer in Hollywood. Mit der Machtergreifung der Nazis aber wird die Karriere des Schriftstellers abrupt beendet: Öffentlich werden auch seine Bücher am 10. Mai 1933 in Berlin und anderen Städten verbrannt, aus den Bibliotheken verbannt und seine Werke verboten.


Nizza ist seine erste Zuflucht als Exilant. Hasenclever heiratet Edith Schäfer, geht nach Jugoslawien, Italien, England und wieder nach Südfrankreich. Im Zweiten Weltkrieg inhaftieren in die Franzosen zwischen 1939 und 1940 zweimal. Als Jean Giraudoux davon erfährt, setzt er sich bei der Vichy-Regierung für die Freilassung des deutschen Freundes ein. Hasenclever wird auf freien Fuß gesetzt, schreibt noch einmal ein Buch, sein letztes. Es ist der autobiografische Roman „Die Rechtlosen“. Kurze Zeit nach Beendigung des Manuskripts wird Walter Hasenclever erneut inhaftiert. Beim Anmarsch der deutschen Truppen auf das Lager Les Milles (wo u.a. auch die Schriftsteller Rudolf Leonhard, Friedrich Wolf und Alfred Kantorowicz sowie der Maler Heinrich Maria Davringhausen interniert sind) greift er zum Veronal.


Abschiedsbrief an seiner Frau Edith

„Meine geliebte Frau, die Katastrophe rückt näher – heute oder morgen kann das Ende da sein. Ich weiß nicht, ob Du diesen Brief je erhalten wirst – mein letzter soll an Dich gerichtet sein. Ich kann und will nicht mehr leben. Du wirst mich verstehen. Verzeih mir, […] Ich weiß aus Deiner letzten Karte an mich, daß Du mir meine bösen Dämonen nicht nachtragen wirst. Ich danke Dir. Du hast mir die schönsten Jahre Deines Lebens geopfert, und ich habe Dir wenig genug dafür gegeben. Heute bekenne ich, dass Du mir am nächsten von allen Menschen gestanden hast, und ich danke Dir mit Tränen für alles Liebe und Gute, Edith! Ich will freiwillig den letzten Schritt tun. Und in der letzten Minute, das schwöre ich Dir, werde ich an Dich denken […]. Worte sagen nichts mehr. Man lügt nicht in der Todesstunde. Ich bin ganz bei Dir. […]“

Ich umarme Dich voll Liebe und Dankbarkeit!
Für immer Dein Walter

Quelle: http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/germ2/verboten/aus/hasencl_abschied.html


Autor:

Hajo Jahn


Literatur: 

Walter Hasenclever
Ich hänge, leider, noch am Leben
Briefwechsel mit dem Bruder.
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Bert Kasties
Wallstein Verlag, Göttingen 1997
ISBN: 3892442258

Dieter Breuer, Bernd Witte:
Sämtliche Werke, Bd.3/2,
Pariser Feuilletons 1927-1932
Hase und Köhler, Mainz 1996
ISBN: 3775813489

Bernd Kasties:
Walter Hasenclever.
Eine Biographie der deutschen Moderne
M. Niemeyer, Tübingen 1994
ISBN: 3484350466


Links (deutsch):

http://www.walter-hasenclever-gesellschaft.de

http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/HasencleverWalter

http://www.kuenstlerkolonie-berlin.de/bewohner/hasencl2.htm

http://www.berliner-lesezeichen.de/Lesezei/blz98_04/text34.htm

http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Hasenclever

http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/germ2/verboten/aus/hasenclever.html

http://www.tucholsky-gesellschaft.de/index.htm?KT/Texte/brief.htm

http://www.ziebig.de/theater-2j-3.htm

http://www.filmportal.de/df/12/Uebersicht,,,,,,,,AC4D29917CB74DF0880749B2BE991313,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,.html

http://dispatch.opac.ddb.de/DB=4.1/REL?PPN=118546619

http://www.german.or.kr/mla_bibl/hasenc98.htm

http://www.antiquario.de/a_autoren/h/Hasenclever_Walter.html

http://www.frankreich-sued.de/aix-en-provence-server/les-milles.htm

http://www.raederscheidt.com/Les%20Milles.htm


International:

 

Die Kommentare sind deaktiviert.