Felix Hartlaub
Schriftsteller
Geb. 17. 6. 1913 in Bremen
Gest. 1945 in Berlin
Wo ist der Filmemacher oder der Buchautor, der aus diesem Stoff einen Kinohit oder einen Bestseller macht? Zwar hat Felix Hartlaub wenig geschrieben. Doch das, was er hinterlassen hat, mehr noch das, was er vorhatte, hätte jedem Agententhriller zur Ehre gereicht. Der britische Spionageromanschriftsteller John Le Carré hätte die wahre Geschichte des verhinderten Schriftstellers im Hauptquartier des Diktators Hitler nicht besser erfinden können.
Das offizielle Todesdatum wurde amtlich auf den 31. Dezember 1945 festgesetzt. Die offizielle Todeserklärung erfolgte erst 1955, zehn Jahre nach dem mysteriösen Verschwinden von Felix Hartlaub. Wahrscheinlich ist er im Mai 1945 ums Leben gekommen. Die Todesursache ist so geheimnisvoll wie sein Verschwinden, als er sich Anfang Mai in Berlin auf dem Weg in den Bezirk Spandau befand. Bis heute darf spekuliert werden, ob er in den letzten wirren Tagen vor der Kapitulation und dem Ende der Nazidiktatur Opfer einer Bombe, eines Blindgängers oder eines Racheaktes der Gestapo wurde. Auch andere Szenarien sind vorstellbar, sogar die einer Entführung durch die Russen, um an sein Insiderwissen zu gelangen. Es sind dies aber alles nur Vermutungen und unbewiesene Behauptungen.
Gesichert ist seine Kindheit und Jugend: Als Sohn des Kunsthistorikers und Museumsdirektors Gustav Friedrich Hartlieb hat er Privatschulen in Mannheim und in Heppenheim besucht, wo er an der renommierten Odenwaldschule sein Abitur machte. Felix studierte an der Handelshochschule in Mannheim sowie Romanistik und Geschichte an der Universität Heidelberg, leistete den obligatorischen Arbeitsdienst, den die Nationalsozialisten eingeführt hatten. Studierte danach in Berlin Neuere Geschichte, Romanistik und Kunstgeschichte. Den Abschluss bildete 1939 eine historische Dissertation. Gleich darauf wurde der frischgebackene Doktor der Philosophie zur Wehrmacht eingezogen. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen.
Soweit, so normal, fast langweilig. Spannung kam in sein Leben durch Beziehungen zu Historiker-Kollegen, die ihm im Dezember 1940 einen Auftrag in Paris besorgten:
Felix Hartlaub wurde abkommandiert zur Historischen Archivkommission. Sie sollte in der besetzten französischen Hauptstadt erbeutete Akten sichten und auswerten. Zwar musste er noch einmal knappe drei Monate als Soldat Dienst in Rumänien absolvieren. Aber seine Arbeit in Paris war wohl so erfolgreich gewesen, dass er bereits im Herbst 1941 wieder von den Freunden weitergereicht wurde als historischer Sachbearbeiter. Diesmal gleich in die Höhle des Löwen. Er gehörte nun zum Bearbeiterstab des Kriegstagebuchs – so etwas gab es tatsächlich, vermutlich für die Schönfärberei nach dem Endsieg – beim Oberkommando der Wehrmacht in der Hauptstadt Berlin.
In dieser Funktion hatte der junge Hartlaub Zugang zum äußeren Sperrkreis in den diversen Führerhauptquartieren von Winniza in der Ukraine, Rastenburg und Berchtesgaden. Mit anderen Worten: Die geheimsten Geheimnisse der deutschen Wehrmachtsführung waren ihm zugänglich.
Waren seine befreundeten Berufskollegen vielleicht sogar Gegner des Naziregimes? Hatten sie ihn geschickt über den Bewährungsumweg Paris eingeschleust in den inneren Machtzirkel der Wehrmacht? War das irgendwem aufgefallen? Oder war Felix Hartlaub gar verraten worden, weil er ein getarnter Widerständler war?
Gewiss ist, dass er im April 1945 noch einmal zur kämpfenden Truppe abkommandiert wurde. Dabei dürfte eigentlich längst allen Menschen klar gewesen sein, dass der Krieg (glücklicherweise) verloren war. Vielleicht sollte er bewusst bei diesen letzten Kämpfen ums Leben kommen?
Erst nach seinem geheimnisvollen Verschwinden wurde Felix Hartlaub durch seine privaten Aufzeichnungen aus dem inneren Machtkreis der Wehrmacht relativ bekannt. Gerühmt werden heute mehr denn je seine eindringlichen Schilderungen über die Abläufe im Führerhauptquartier: Präzis, nüchtern, detailliert. Kritiker rühmen seinen knappen, eindringlichen Stil, auch wenn es möglicherweise nur Skizzen für spätere literarische Arbeiten gewesen sein dürften. Seine Schwester Geno gab diese Aufzeichnungen in guter Absicht unter wenig idealen Bedingungen, also ohne große Sachkenntnis, 1955 heraus. Erst 2002 erschien eine vollständige Ausgabe der Aufzeichnungen im Suhrkamp Verlag in zwei Bänden unter dem Titel In den eigenen Umriss gebannt. Kriegsaufzeichnungen, literarische Fragmente und Briefe aus den Jahren 1939 bis 1945, herausgegeben von Gabriele Liselotte Ewenz.
Monika Marose, die eine Felix Hartlaub-Biografie mit dem Titel Unter der Tarnkappe verfasst hat, sagt zu recht über ihren Protagonisten „das Eigentliche ist unsichtbar“. Unbestreitbar ist: Er gehört zu den Opfern des Zweiten Weltkriegs wie manch andere Schriftstellerbegabung. Und sehr wahrscheinlich war auch er ein Gegner des NS-Terrorregimes.
Autor:
Hajo Jahn
Literatur:
Monika Marose: Unter der Tarnkappe.
Felix Hartlaub – Eine Biographie
Transit-Verlag, Berlin 2005
ISBN 3-88747-205-5
Links (deutsch):
http://www.perlentaucher.de/autoren/9983.html
http://www.lyrikwelt.de/rezensionen/indeneigenen-r.htm
http://www.rbb-online.de/_/stilbruch/beitrag_manuskript_jsp/key=stilbruchbeitrag_3168993.html
http://www.zeit.de/archiv/2002/28/200228_p-hartlaub.xml
http://www.freitag.de/2002/24/02241401.php
http://www.antiquario.de/a_autoren/h/Hartlaub_Felix.html
http://www.dla-marbach.de/kallias/hyperkuss/h-20.html#Hartlaub, Felix
http://www.zeitgeschichte-hamburg.de/pro-litnot.html
http://ursulahomann.de/DerKriegInDerLiteratur/kap001.html
Die Kommentare sind deaktiviert.