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Blei, Franz

H.A.M. 0

Franz Blei (Pseudonym: Medardus, Dr. Peregrinus Steinhövel)
Verleger, Übersetzer, Literaturvermittler und Schriftsteller


Geb. 18.1. 1871 in Wien/ Österreich-Ungarn
Gest. 10.7. 1942 in Westbury (New York)/ USA


Allein die Darstellung von Anfang und Ende läßt eine Lebenstragik erahnen. So schreibt Alain Claude Sulzer: „Franz Blei wurde (…) in Österreich in wohlhabende Verhältnisse geboren; verarmt starb er als Emigrant (…) in Westbury, New York, an Hungerödemen und Herzschwäche. Von den Nazis wurde er – der es nicht war – für einen Juden gehalten; seine Bücher hatte man schon 1933 unverzüglich aus deutschen Bibliotheken ausgesondert.“

Er mußte das Aufziehen der dunklen Wolken des Nationalsozialismus in der Blüte seines Lebens mit ansehen und konnte dessen Untergang nicht mehr erleben: trotz seiner erst 62 Jahre. Sein Exildasein hatte mehrere Stationen:

1898-1900 Aufenthalt in den USA. 1901-11 in München, 1911-33 in Berlin, 1933-36 auf Mallorca, 1936-38 in Wien, 1938 geht er über Italien und Frankreich nach Amerika. Er war als Verleger der Entdecker und Förderer zahlreicher AutorInnen, z.B. Kafka und Musil und übersetzte die Weltliteratur u.a. von Stendhal und C. Baudelaire aus dem Französischen. Seine satirischen Schriftstellerportraits waren sehr bekannt, beliebt und berüchtigt. Und nicht nur die zeigen die Schattenseiten seines damaligen Ruhms: „Denn diesen in Wiener und Berliner Cafés stets von hörigen Elevinnen, hoffnungsfrohen Protegés und allerlei Gerüchten umgebenen Literaten hielten viele für einen Pornografen. Seine Vorlieben für abseitige Autoren und Amouren waren bekannt, ebenso die Titel der bibliophilen Lustbarkeiten, mit denen Blei als Herausgeber betuchte Literaturgourmets beglückte, wie Die Lehrbücher der Liebe, Das Lustwäldchen oder Die Puderquaste.“ Neben den Affairen wird in einigen Quellen auch eine Ehetragödie erwähnt- ohne dass ich nähere Details erfahren konnte.


Für die Freunde der gehobeneren Literaturbetrachtung hier der Beginn der Auseinandersetzung von E. Kiss Franz Blei als Repräsentant der europäischen Moderne: „Man hätte zwei Möglichkeiten, über Franz Blei mit einem Anspruch auf konzeptionelle Endgültigkeit zu reden. Die eine wäre ein philosophischer Ansatz, der Franz Blei als ein Schicksal und als eine intellektuelle Laufbahn nach dem ENDE DER PHILOSOPHIE darstellen würde. Diese Argumentation würde auf eine Interpretation der Geschichte der Philosophie aufbauen, wonach der auch vom jungen Blei praktizierte kritizistische Positivismus oder positivistische Kritizismus ein tatsächliches Ende der Philosophie ist, das aber auch als Begründung von jenen neuen Lebens- und Denkmöglichkeiten ist, im Zeichen derer wir auch heute noch unsere intellektuelle Tätigkeit ausführen.“


So enthält das Schaffen von Franz Blei als Herausgeber, Übersetzer, Literaturvermittler und Schriftsteller für jeden Geschmack etwas und ebenso ist sein Leben geeignet, unser Interesse weiter auf sich zu ziehen. Ich verstehe nicht, wieso ein solch fleißiger, umtriebiger Mensch mit so vielen Bekannten letztlich an Hungerödemen sterben muss. Wo war das Netzwerk? Die Freunde? Die Literaturgourmets und Philosophen? War er zu stolz, sie um Hilfe zu bitten? Wollten oder konnten sie alle nicht? Hatten sie keinen Kontakt mehr zueinander?


Lassen wir ihn zum Schluß selber zu Wort kommen- über seinen Freund Robert Walser:

„In seinen jüngern Jahren, seinen noch jüngern, wie man bei ihm sagen muß, war Walser auch ein Page, und sein Traum, einer jungen Dame zu dienen, ihr die Schleppe zu tragen. Nicht so mit Redensarten romantischer Schwärmerei, nicht in banaler Übersetzung etwa einer »dichterischen« Haltung, höchstens ein kleines bißchen außer und abseits der Welt, wie sie in diesen Ephemeriden abläuft. Vielleicht wäre Gärtner der beste praktische Beruf für ihn gewesen, Ziergärtner. Er hat schreibend so viele Sträußchen gebunden, mit Delikatesse, Anmut und heiterer Täuschung über den Busen, den das Gebilde schmücken sollte. Praktisch erfuhr er ja gröbste Widerlegungen. Als er einmal von Zürich nach Berlin zu Fuß wandern wollte und ohne Geld, brach er auf der Straße vor Treuchtlingen zusammen über seinen blutenden Füßen. Und als er sich auf eine Annonce hin, wo für eine Schloßherrschaft in Schlesien ein Diener gesucht wurde, meldete in der Erwartung, dem jungen Fräulein die Schleppe tragen zu dürfen, da kam er durch die zwei sinistren Wintermonate dieser schlesischen Schloßherrlichkeit zu nichts anderem, als daß er die Öfen heizen mußte, von den Korridoren aus, und das Fräulein des Hauses war ein junger Fratz von nur fünfzig gewesen, das Traktätchen für die Innere Mission verfaßte und auch so aussah.“


Autorin:

Kathleen Wagner


Quelle:

Diese Biografie wurde der Exil-Archiv-Redaktion freundlicherweise vom Verein Aktion Patenschaften für verbrannte Bücher e.V. zur Verfügung gestellt.


Literatur:

Franz Blei: Erzählung eines Lebens
Mit einem Nachwort von Ursula Pia Jauch.
Zsolnay Verlag, Wien 2004
ISBN 3-552-05310-7

Gregor Eisenhauer: Franz Blei: Der Literat.
Ein biographischer Essay.
Mit Texten von Franz Blei über Robert Walser, Eugen Arram,
Frank Wedekind, Karl Kraus, Buck Whaley auf CD.
Elfenbein Verlag, Berlin 2004, ISBN 932245-66-0

Helga Mitterbauer: Die Netzwerke des Franz Blei.
Kulturvermittlung im frühen 20. Jahrhundert.
Francke Verlag, Tübingen 2003
ISBN 3772032133


Links (deutsch):

http://www.literaturhaus.at/buch/buch/rez/franzblei/bio.html

http://literaturhaus.at/buch/buch/rez/franzblei/leseprobe.html

http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.b/b551906.htm

http://www.symbolon.de/downtxt/blei_mag.htm

http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Blei

http://mitglied.lycos.de/gedichteforum/Sites/Schriftsteller/blei.htm

http://www.litlinks.it/b/blei_f.htm

http://www.perlentaucher.de/buch/19359.html

http://www.spiegel.de/spiegelspecial/0,1518,320395,00.html

http://www.ndrkultur.de/ndrkultur_pages_stdep/0,2515,OID751662,00.html

http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F468/Doc~EC470E4FE4E154E85A65E1B5137642C8A~ATpl~Ecommon~Scontent.html

http://www.ne-na.de/A556D3/NENA/NENA_NEU.nsf/0/28A93E3DE0C73644C125700E0038D117?OpenDocument

http://www.inst.at/trans/4Nr/kiss4.htm

http://www.verlagdrkovac.de/3-8300-1680-8.htm

http://www.choosebooks.com/angebote/franz-blei.html

http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=6480&ausgabe=200311


International:

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