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Jesenská, Milena

H.A.M. 0

Milena Jesenská
Journalistin


Geb. 10.8.1896 in Prag/ Österreich-Ungarn
Gest. 7.5.1944 im KZ Ravensbrück


Franz Kafkas „Briefe an Milena“ haben dieser Liebe ein unvergessliches literarisches Denkmal gesetzt. Das eigene Lebenswerk von Milena Jesenská ist darüber fast in Vergessenheit geraten. Dabei gehört sie in den 20er und 30er Jahren in Prag zur journalistischen Avantgarde; eine politisch und sozial engagierte Frau, die sich zeitlebens über gängige bürgerliche Konventionen hinwegsetzt und konsequent ihren Weg geht – bis zu ihrem frühen Tod im Konzentrationslager Ravensbrück.


Milena Jesenská stammt aus einer christlich-wohlsituierten Prager Familie. Für das frühreife Kind, das von der kränkelnden Mutter wenig Hilfe erhält, wird der elegante, weltgewandte Vater, ein Zahnarzt und angesehener Professor für Kiefer-chirurgie, zum Idol, seine Parteinahme für die tschechischen Nationalisten zum politischen Vorbild.
Die Mutter stirbt, als die Tochter dreizehn Jahre alt ist, und aus Milena wird zunehmend , ein – wie sie sich selber bezeichnet – „exaltierter Backfisch“, sentimental und aufsässig zugleich, wild und unkonventionell, der sich triumphierend der Bevormundung des konservativ-strengen Vaters entzieht.

Für ein Rendezvous durchschwimmt sie in Kleidern die Moldau, hält sich nach der Schule im ansonsten von Tschechen ge-miedenen „Café Arco“ auf – wo sie übrigens die Bekanntschaft der Schriftsteller Franz Werfel und Max Brod macht -, bricht das von ihr ungeliebte Medizinstudium ab und verliebt sich, kaum 19jährig, zum Entsetzen ihres Vaters, in den zehn Jahre älteren Prager Literaten und deutschen Juden Ernst Polak.


Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Vater und Tochter eskalieren zusehends, und um die Affäre mit Ernst Polak zu beenden, läßt Jan Jesensky Milena kurzerhand in eine Nerven-heilanstalt einweisen. Erst nach Monaten ist sie wieder auf freiem Fuß, heiratet – gegen den ausdrücklichen Willen ihres Vaters – Polak und geht mit ihm nach Wien. Die Ehe der Bei-den ist allerdings von permanenten Geldsorgen überschattet, so daß Milena mit Tschechisch-Unterricht und als Gelegen-heitsarbeiterin den Lebensunterhalt bestreitet, ehe sie be-ginnt, Artikel und Feuilletons für diverse tschechische Zeitun-gen zu schreiben und Übersetzungen anzufertigen.

Ende Oktober 1919 schreibt sie an einen jungen Schriftsteller namens Franz Kafka, dessen Erzählung „In der Strafkolonie“ gerade im Kurt Wolff Verlag erschienen ist. Milena bittet um
die Erlaubnis, einige seiner Erzählungen ins Tschechische übertragen zu können – der beginnende Briefwechsel zwischen Farnz Kafka und Milena Jesenská wird zu einem der anrüh-
rendsten in der Literaturgeschichte, der auch und vor allem
von einer leidenschaftlichen Liebe zeugt, die 1920 in Meran beginnt.


„…Sie ist ein lebendiges Feuer, wie ich es noch nie gesehen habe…Dabei äußerst zart, mutig, klug, und alles wirft sie in das Opfer hinein oder hat es, wenn man will, durch das Opfer erworben…“

Franz Kafka, zitiert aus: Briefe, S. Fischer-Verlag


Am 3. Juni 1924 erliegt Kafka den Folgen eines langjährigen Lungenleidens.


Milenas unglückliche Ehe wird erst nach sieben Jahren ge-schieden. 1925 kehrt sie in ihre Geburtsstadt Prag zurück, gehört dort bald zur Literaturszene und leitet die Frauenseite der Zeitung „Národni listy“. 1926 heiratet Milena den Architekten Jaromir Krejcar. Zwei Jahre darauf wird die gemeinsame Tochter geboren. Den Kampf gegen die fast unerträglichen Schmerzen einer Gelenkentzündung bezahlt Milena Jesenská mit ihrer Morphiumsucht. Ein Knie bleibt auf Dauer gelähmt. Auch die zweite Ehe zerbricht.


Die bis Mitte der dreissiger Jahre eng der kommunistischen Partei verbundene Journalistin und Autorin zahlreicher politi-scher Reportagen schreibt auch nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Deutschen weiter für die Unter-grundpresse, versteckt in ihrer Wohnung Juden und verhilft ihnen zur Flucht über die polnische Grenze. Im November 1939 wird Milena Jesenská von der Gestapo festgenommen, von ihrer mittlerweilen 11jährigen Tochter getrennt und 1940 ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück deportiert.

Hier lernt sie die Schriftstellerin Margarete Buber-Neumann kennen, mit der sie eine tiefe Freundschaft verbindet und die ihrer Freundin Milena später mit dem Buch „Milena – Kafkas Freundin“ ein bleibendes literarisches Denkmal setzen wird.

Knapp ein Jahr vor der Befreiung von Ravensbrück stirbt Milena Jesenská an den Folgen einer Nierenoperation.


„Nicht lange nach Milenas Tod, als die Zustände im Lager immer chaotischer wurden und die Gefangenen zwischen Angst und Hoffnung dahinlebten, bat mich Anicka, mit der ich nun alle Tage beisammen war, eines Abends an eine ganz bestimmte Stelle der Mauer zu kommen, wo diese an das Männerlager Ravensbrück angrenzte. Dort hatten sich viele Tschechinnen versammelt und begannen zu singen… Sie sangen die tschechische Nationalhymne. Einmal, schon in der Zeit größter Bedrohung, schrieb Milena: ‚Diese Hymne ist nicht ein Lied, das sich gegen etwas wendet, ‚Kde domov muj‘ wünscht niemandes Verderben, wünscht nur unser Fortbestehen.
Kein Kampflied ist es, sondern besingt ohne Pathos die Land-schaft Böhmens mit ihren Hügeln und Hängen, den Feldern und Ebenen, den Birken, den Weiden und schattenspenden den Linden, den duftenden Feldrainen und den kleinen Bächen. Es besingt das Land, in dem wir zu Hause sind…Schön war es, für dieses Land einzustehen, schön, seine Heimat zu lie- ben…'“

aus: Milena Jesenská, Über die Kunst stehen zu bleiben,
„Pritomnost“, 5.4.1939, hier zitiert in: Margarete Buber-Neu-mann: Milena, Kafkas Freundin, © 1977 by Albert Langen – Georg Müller Verlag GmbH, München – Wien, 2. Auflage 1978
ISBN 3-7844-1680-2, S. 312f


Literatur:

Margret Steenfatt:
„Milena Jensenská. Biographie einer Befreiung“.
Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2002
ISBN 3-434-50215-7


Links (deutsch):

http://de.wikipedia.org/wiki/Milena_Jesenska

http://www.meinhard.privat.t-online.de/frauen/jesenska.html

http://www.odaha.com/Kafka/BriefeAnMilena.pdf

http://www.textkritik.de/fka/dokumente/drei_briefe_jesenska.htm

http://www.marabout.de/Begegnungen/Reimert.htm


International:

 

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