Erich Kuby
Journalist, Publizist und Drehbuchautor
Geb. 28.7. 1910 in Baden-Baden
Gest. 9.9. 2005 in Venedig/ Italien
„Er recherchierte, dokumentierte Zeitgeschichte, schrieb politische Schlüsselromane und übte Tageskritik aus der prinzipiell-radekal-ethischen Perspektive eines sensiblen Antifaschismus. Ein unbequemer Aufklärer gegen den Zeitgeist. Die deutschen Demokraten sind ihm viel schuldig. Wir müssen ihm dankbar sein.“
(Ekkehard Krippendorff)*
1913 übersiedelt die Familie ins oberbayerische Voralpenland, wo Kubys Vater – wie auch schon früher in Westpreussen – einen Hof übernimmt. Erich besucht das Gymnasium und macht seine ersten bewußt politischen Lernerfahrungen durch einen kritischen jüdischen Lehrer seiner Schule. Das anschließende Studium der Volkswirtschaft schließt Erich Kuby 1933 mit dem Diplom ab, arbeitet danach als Werfthilfsarbeiter bei Blohm & Voss in Hamburg und verarbeitet seine Erfahrungen und Eindrücke aus der Arbeitswelt in literarischer Form.
Obgleich ihm seine jüdische Freundin rät, Nazi-Deutschland zu verlassen, will Erich Kuby den staatlichen Verfallsprozeß in kritischer Distanz vor Ort beobachten und analysieren – und bleibt. Da er selber nichts mehr veröffentlichen darf, nimmt Kuby 1936 eine Stellung beim Buchverlag Scherl in Berlin an. 1938 heiratete er die Tochter des Berliner Nationalökonomen Hermann Schumacher. Seine Schwägerin ist übrigens die Frau des Physikers (und Nobelpreisträgers 1932) Werner Heisenberg – „Lauter Patrioten“, wie Kuby später seine Biographie überschreiben wird. Er, der alles Militärische verachtet, wird in die Nazi-Wehrmachtsuniform gezwungen und erlebt die Grauen des Krieges am eigenen Leibe an der Ost- und Westfront – als ewiger Gefreiter und immer begleitet von seiner Schreibmaschine, auf der er, wo und wann immer dies auch möglich ist, vom 27. August 1939 bis zum 24. Juni 1945 seine Erlebnisse ohne Rücksicht auf eine mögliche Zensur notiert. Kubys Aufzeichnungen aus 2129 Tagen erscheinen 1975 unter dem Titel Mein Krieg.
Nach nur kurzer Kriegsgefangenschaft stellt Erich Kuby im Auftrag der amerikanischen Militärregierung Zeitungslizenzen für vertrauenswürdige Persönlichkeiten aus, darunter Rudolf Augstein, Axel Springer und Henri Nannen. 1947 wird er als Chefredakteur der von Alfred Andersch und Hans Werner Richter gegründeten Zeitschrift Der Ruf. Kritische Blätter für junge Menschen eingesetzt. Nach einem Jahr steht der Linksliberale und Kriegsgegner wegen allzu kritischer Artikel allerdings wieder auf der Straße. Es folgt eine Stelle als Redakteur für die Süddeutsche Zeitung und freie Mitarbeit für diverse Publikationen, darunter Spiegel, Stern und die Frankfurter Hefte.
Der unbeugsame Widersacher und Chronist bundesdeutscher Nachkriegsgeschichte – für Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll ein „Nestbeschmutzer von Rang“ -, „ein Nonkonformist, den plötzlich viele das Gewissen der Nation nennen“ (so der Publizist Otto Köhler), bekämpft als Publizist und Kolumnist wie kaum ein anderer die Restauration der Adenauer-Ära mit ihrem wiedererstarkenden deutschen Militarismus. Ein Hörbild, das Kuby 1954 für den damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk über die sinnlose Verteidigung der Festung von Brest durch die Wehrmacht schreibt, bringt ihm – der jene Ereignisse selber als Soldat miterlebt hat -, eine Beleidigungsklage des verantwortlichen Generals Berhard Ramcke ein. Das Ganze endet 1959 mit einem Freispruch für Kuby. Der Rundfunkbeitarg ist allerdings seitdem nie mehr wiederholt worden.
Zu Kubys größten Bucherfolgen gehört neben Das ist des Deutschen Vaterland – 70 Millionen in zwei Wartesälen vor allem Rosemarie, des deutschen Wunders liebstes Kind. Seine Abhandlung über das Leben der ermordeten Frankfurter Prostituierten Rosemarie Nitribitt, eine Analyse deutscher Doppelmoral, wird in 17 Sprachen übersetzt und in der Verfilmung von Rolf Thiele (nach dem Drehbuch von Kuby) mit Nadja Tiller in der Hauptrolle 1958 zum Welterfolg.
Zu den Themen seines Lebens gehören bis zu seinem Tode immer wieder die Brüche und Katastrophen in der jüngeren deutschen Geschichte, die sich auch und vor allem in seine eigene Biographie tief eingekerbt haben. Seine letzten Lebensjahre verbringt Kuby mit seiner Familie in Venedig, von wo er sich aber auch hochbetagt noch mit regelmässigen Kolumnen ins politische Alltagsgeschehen einmischt.
Quelle:
hier zitiert aus: Ekkehard Krippendorff: Ein Solitär…und unbeugsamer Aufklärer gegen den Zeitgeist, in: Freitag 37, 16. September 2005, S. 7
Links (deutsch):
http://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Kuby
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/417665
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!204455,204491,958226/SH/0/depot/0
http://www.taz.de/pt/2005/09/13/a0130.nf/text
http://www.freitag.de/2002/13/02130403.php
http://www.freitag.de/2002/10/02100402.php
Die Kommentare sind deaktiviert.