Max Liebermann
Maler
Geb. 20.7.1847 in Berlin
Gest. 8.2.1935 in Berlin
„Ich habe während meines langen Lebens mit allen meinen Kräften der deutschen Kunst zu dienen gesucht. Nach meiner Überzeugung hat Kunst weder mit Politik noch mit Abstammung etwas zu tun. Ich kann daher der Preußischen Akademie der Künste, deren ordentliches Mitglied ich seit mehr als dreißig Jahren und deren Präsident ich durch zwölf Jahre gewesen bin, nicht länger angehören, da dieser mein Standpunkt keine Geltung mehr hat…“
(Max Liebermann am 7. Mai 1933)
Der Sohn des jüdischen Textlfabrikanten Louis Liebermann studiert von 1866 bis 1868 an der Philosophischen Fakultät der Berliner Universität und nimmt in dieser Zeit auch Malunterricht. Mit einem Studium an der Kunstschule Weimar setzt Liebermann bis 1872 seine Kunststudien fort. Mit seinem großen Erstling, den von der Malerei des Ungarn Munkàcsy beeinflussten Gänserupferinnen, sorgt Liebermann 1872 für Aufsehen. Weitere Anregungen findet er auch und vor allem in den Werken französischer Naturalisten; angezogen von der Thematik und der Ethik der neuen französischen Kunst geht Liebermann 1873 nach Paris und Barbizon und widmet sich in Barbizon dem Leben und der Arbeit der einfachen Leute auf dem Lande, wovon Bilder wie die Kartoffelernte in Barbizon von 1875 zeugen.
Mitte der siebziger Jahre reist Max Liebermann zum ersten Mal nach Holland, das ihm besonders mit den Werken von Frans Hals zur „Malheimat“ wird. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges verbringt Liebermann dort fast jeden Sommer mehrere Monate. 1878 übersiedelt er nach München und verarbeitet in seinem dortigen Atelier Skizzen aus den Niederlanden. 1884 kehrt Liebermann nach Berlin zurück und heiratet Martha Marckwald. Der Ehe entstammt eine Tochter.
1889 ist Max Liebermann Mitorganisator einer inoffiziellen Beteiligung deutscher Künstler an der Pariser Weltausstellung. Das „offizielle“ Deutsche Reich beteiligt sich wegen „antimonarchistischer Tendenzen“ in Frankreich nicht. 1894 nimmt Liebermann an einer Ausstellung des Pariser „Salons“ teil und öffnet sich zunehmend dem Einfluß der modernen französischen Kunst. Mit einer Arbeit über den französischen Maler Edgar Degas in der Zeitschrift „PAN“ tritt Liebermann 1896 zum erstenmal als Schriftsteller an die Öffentlichkeit. Anläßlich seines 50. Geburtstages wird er zum Professor der Königlichen Akademie der Künste in Berlin ernannt, verbunden mit einer Akademieausstellung seines Werkes. Als Mitglied der Jury der „Großen Berliner Kunstausstellung“ empfiehlt 1898 Liebermann Werke von Käthe Kollwitz und Walter Leistikow (1865-1908) zur Prämierung. Sie werden jedoch von Wilhelm II. und anderen Mitgliedern der Jury abgelehnt.
1899 wählt man ihn zum Präsidenten der neugegründeten Berliner Secession. Zusammen mit Lovis Corinth und Max Slevogt bildet Liebermann das Dreigestirn des sogenannten „Deutschen Impressionismus“. Um diese Zeit ändert er unter dem Einfluß des französischen Impressionismus seine Motive und seinen Malstil. Er malt nun keine Szenen aus der Arbeitswelt der einfachen Leute mehr, sondern wendet sich Motiven aus dem Leben seiner eigenen Schicht, des gehobenen Bürgertums, zu. So entstehen im holländischen Nordseebad Noordwijk jeden Sommer Strand- und Reiterbilder. Zuhause in Berlin wird Liebermann ein gefragter Porträtmaler, zu dessen frühesten Modellen Dichter wie Gerhart Hauptmann, Museumsleute wie Wilhelm von Bode und Förderer der neuen Kunst wie der Augenarzt Max Linde aus Lübeck gehören.
Die „Berliner Secession“ nimmt 1904 an der Weltausstellung im us-amerikanischen St. Louis nicht teil, da ihr eine freie Auswahl der Bilder verwehrt wird. Die Porträtmalerei gewinnt große Bedeutung in Liebermanns Werk. 1910 weist die Jury der „Berliner Secession“ die Bilder der Expressionisten zurück. Daraufhin verlassen einige junge Künstler wie Max Pechstein die Vereinigung und gründen die „Neue Secession“, der sich auch Max Liebermann 1914, nach seinem Rücktritt vom Vorsitz der „Berliner Secession“, anschliesst.
Bereits 1910 hatte Liebermann sein Landhaus in Wannsee bezogen, in das er sich nun mehr und mehr zurückzieht und dessen prächtiger Garten ihm als Motiv für über zweihundert Bilder dient.
1917 präsentiert die Königliche Akademie der Künste anläßlich Liebermanns 70. Geburtstag eine Gesamtschau seines Werkes. 1920 wird Max Liebermann zum Präsidenten der nunmehr Preussischen Akademie der Künste berufen. Mit seinem liberalen Konzept kann er sich allerdings nicht durchsetzen. 1932 erfolgt die Ernennung zum Ehrenpräsidenten der Akademie. Das politische Klima in Deutschland verschärft sich zunehmend.
„Berühmt ist eine Äußerung Max Liebermanns, die dieser Anfang 1933 unter dem Eindruck des Marschtrittes der braunen SA-Bataillone getan haben soll. Es heißt, er hätte in jenen Tagen allein an einem versteckten Tisch im Café Kranzler Unter den Linden gesessen und Fratzen auf die Rückseite der Speisekarte gekritzelt. Ein Kunsthändler trat an den Tisch, begrüßte Liebermann und fragte: ‚Ihr Aussehen gefällt mir nicht, Meister. Essen Sie nicht zu wenig? Wie geht es Ihnen überhaupt?‘ Schlagfertig soll Liebermann in seinem stark berlindernden Tonfall geantwortet haben: ‚Ach, wissen Se, ick kann jarnich soviel fressen, wie ick kotzen möchte’…“
aus: Julius H. Schoeps „Dem Traum entsagt – Max Liebermann, die Nazis und das Scheitern der deutsch-jüdischen Symbiose“, in: Berliner Zeitung vom 19.7.1997
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 bricht für den „Malerfürsten“ Max Liebermann eine Welt zusammen, muß er doch erleben, daß die politischen Veränderungen auch vor der Preussischen Akademie der Künste, deren langjähriger Präsident er war, nicht haltmachen: Käthe Kollwitz und Heinrich Mann sollen aus der Akademie ausgeschlossen werden, Thomas Mann, Ricarda Huch und Alfons Paquet erklären ihren Austritt, Rudolf Pannwitz, René Schickele und Jakob Wassermann weigern sich, die geforderten Ergebenheitsadressen zu unterschreiben. Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ führt zum Ausschluß der Akademiemitglieder jüdischer Herkunft, und die Entscheidung der Sektion Bildende Künste an der Preussischen Akademie, keine Werke jüdischer Künstler mehr auszustellen, ist für Liebermann der letzte Anstoß zu seiner Austrittserklärung am 7. Mai 1933.
Auch Liebermanns Schwiegersohn, Kurt Riezler, wird aus seinem Amt als Kurator und Honorarprofessor an der Universität Frankfurt gejagt.
Nach dem 30. Januar 1933 sind es nur noch wenige, wie der Schriftsteller-Freund Gerhart Hauptmann und der Maler Oskar Kokoschka, die zu Liebermann halten.
Der wachsende Antisemitismus führt in der Folgezeit zu einer verstärkten Auseinandersetzung Liebermanns mit seiner jüdischen Identität. „Was Liebermanns Judesein betrifft, so war
er sicherlich kein gläubiger Jude im herkömmlichen Sinn. Dennoch fühlte er sich als Jude und in seinem Judesein dem Judentum zugehörig…Wenn man so will, war Liebermann im französischen Sinne ein ‚Libertin‘, ein Freigeist, der sein Judentum dadurch bewies, daß er sich als aufgeklärt verstand …Wie viele deutsche Juden der Generation nach Moses Mendelssohn faßte er ‚Gott‘ vermutlich nur mehr als unpersönliche Größe und ’sachhaftes‘ Prinzip der Welt auf…“ (Julius H. Schoeps, a.a.O.)
Für die jüdische deutsche Jugend sieht Max Liebermann keinen anderen Ausweg als den der Auswanderung nach Palästina, ein Schritt, den er aus Altergründen selber nicht mehr tun kann und will. Seine politische Weltsicht in diesen letzten Lebensjahren ist sehr klar und „Im Gegensatz zu vielen anderen, die meinten, Hitler und der Nationalsozialismus seien ein vor- übergehender Spuk, gab Liebermann sich keinen Illusionen mehr hin. ‚Heute müssen wir‘, schrieb er am 12. Januar 1934 (…) ‚uns um so grösserer Nüchternheit befleissigen, indem wir ruhig unserem Handwerk nachgehen und entsagen, besonders dem Assimilationstraum.'“ (Julius H. Schoeps, a.a.O.) Max Liebermann, der Ausnahmekünstler in Zeiten kultureller und sozialer Umbrüche, dessen Werke heute zu den größten Errungenschaften der deutschen Malerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts und der Weimarer Republik zählen, stirbt im Alter von fast 88 Jahren in seiner Geburtsstadt Berlin.
Literatur:
Sigrid Achenbach: Die Druckgraphik Max Liebermanns. Phil. Diss., Heidelberg 1974
Lothar Brauner: Max Liebermann. Berlin 1986
Günter Busch (Hrsg. und Einl.): Max Liebermann – Die Phantasie in der Malerei, Schriften und Reden. Frankfurt/Main 1978 (1), 1983 (2)
Günter Busch: Max Liebermann. Maler – Zeichner, Graphiker. Frankfurt/Main 1986
Marion Deshmukh: „‚Politics is an Art‘: The Cultural Politics of Max Liebermann in Wilhelmine Germany“, in: Imagining Modern German Culture: 1889-1910, hrsg. von Françoise Forster-Hahn, Washington 1996, S. 165-183
Matthias Eberle: Max Liebermann – Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien. 2 Bde., München 1995/96
Max J. Friedländer: Max Liebermann. Berlin o.J. [1924]
Erich Hancke: Max Liebermann. Sein Leben und seine Werke. Berlin 1914 (1), 1923 (2)
Franz Landsberger (Hrsg.): Max Liebermann – Siebzig Briefe. Berlin 1937 [neu herausgegeben und kommentiert von Ernst Volker Braun, Stuttgart 1994]
Max Liebermann: Gesammelte Schriften. Berlin 1922
Nina Nedelykov, Pedro Moreira (Hrsg.): Zurück am Wannsee – Das Sommerhaus von Max Liebermann. Mit Beiträgen von Anna Teut, Klaus von Krosigk, Reinald Eckert und Wolf-Borwin Wendlandt, Transit Verlag, Berlin, 2003
Hans Ostwald: Das Liebermann-Buch. Berlin 1930
Peter Paret: „The Enemy Within. Max Liebermann as President of the Prussian Academy of Arts“, in: The Leo Baeck Memorial Lecture, Nr. 28. New York 1984
Gustav Pauli: Max Liebermann. Stuttgart-Leipzig 1911
Holly Prentiss Richardson: Landscape in the Work of Max Liebermann. Diss.: Ann Arbor 1991
Hans Rosenhagen: Max Liebermann. Bielefeld-Leipzig 1900
Karl Scheffler: Max Liebermann. München 1912
Gustav Schiefler: Max Liebermann – Sein graphisches Werk – 1876-1923. [4. erweiterte Auflage] San Francisco 1991
Bernd Schmalhausen: „Ich bin doch nur ein Maler“ – Max und Martha im „Dritten Reich“. Hildesheim 1994
Anna Teut: Max Liebermann. Gartenparadies am Wannse., Prestel Verlag, München, New York 1997
Beate Zimmermann: Max Liebermanns Auseinandersetzung mit der Bildtradition. Diss., Berlin 1997
Links (deutsch):
http://www.im-netz.de/liebermann
http://www.hagalil.com/tmunoth/bilder/kunst/liebermann.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Liebermann
http://www.cosmopolis.ch/cosmo56/max_liebermann.htm
International:
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