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Nabokov, Vladimir

H.A.M. 0

Vladimir Nabokov
Schriftsteller


Geb.:  23.4.1899, St. Petersburg (RUS)
Gest.: 2.7.1977, Montreux (CH)


Wenn vom Exil die Rede ist, denkt man automatisch an die Opfer und Gegner des Nationalsozialismus, die ins Ausland fliehen konnten. Mit Salman Rushdie verbinden wir das Exil von Schriftstellern, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ländern emigrieren mussten, in denen sie aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt wurden. Der weltberühmte Schriftsteller Vladimir Nabokov steht hier exemplarisch für seine russischen Landsleute, die von den Kommunisten vertrieben wurden. Er lebte 15 Jahre lang in Berlin, wo 1923 bis zu 360.000 Russen Zuflucht gefunden hatten – geflohen nach der „Oktoberrevolution“.


Wladimir Dmitrijewitsch Nabokoff, Jurist und liberaler Politiker, rettet 1920 seine Familie aus dem damaligen Petrograd – dem von den Kommunisten so genannten Leningrad, das heute wieder St. Petersburg heißt – auf Umwegen nach Berlin. Er engagiert sich auch hier politisch und wird Mitherausgeber von „Rul“, der wichtigsten von mehreren Emigrantenzeitungen der 20er Jahre in Berlin. Sein später so berühmter Sohn hat in jungen Jahren in „Rul“ Lyrik und sogar Kreuzworträtsel veröffentlicht. Am 28. März 1922 wird sein Vater bei einem rechtsradikalen Attentat in der Philharmonie an der Bernburger Straße 22-23 getötet. Sohn Vladimir, der seit 1919 in Cambridge studierte, weilt zufällig zum Zeitpunkt des Attentats bei der Mutter Jelena Nabokova in der Sächsischen Straße 67. Um sie zu unterstützen, zieht er von England wieder nach Berlin. Er ernährt sich und die Mutter mit Gelegenheitsjobs wie Tennis- und Boxunterricht. Und als Komparse in den Filmstudios von Babelsberg, denn der angehende Schriftsteller ist fasziniert vom Medium Film. Einige seiner späteren Publikationen wirken wie für Verfilmungen geschrieben.


Vladimir Nabokov ist jetzt immer häufiger Gast im „Klub der Schriftsteller“ am Nollendorfplatz. In seinen Romanen „Die Gabe“ (1937/38), „König, Dame, Bube“ (1928) und „Gelächter im Dunkel“ (1933) fließen seine Berlin-Erfahrungen ein: Über die „Kinomeile“, den „rohen Witz“ der Berliner und deren „dicke Hinterteile“, die Klosettwitze, der deutsche Bürokult, die spießige Mittelmäßigkeit und die Vorliebe für Zäune, der Mangel an Feingefühl und die demonstrative Sauberkeit. Sein Stammcafé ist die „Prager Diele“ in Schöneberg, wo er u.a. Maxim Gorki, Boris Pasternak, Wladimir Majakowski und Marina Zwetajewa trifft – an die Dichterin erinnert heute eine Tafel am Haus Trautenaustr. 9.


Auch unter der Hitler-Diktatur bleibt Vladimir Nabokov mit seiner Frau (Muse, Kritikerin, Sekretärin) Véra und dem 1934 geborenen Sohn in Berlin. Véra ist Jüdin. Als jedoch der Druck auf die Juden immer schärfer wird, kehrt der Autor von einer Lesereise durch Belgien und Frankreich im Jahre 1937 nicht mehr zurück. Über die Tschechoslowakei, die so vielen deutschen Exilanten Heimat wurde, reisen Frau und Sohn ein paar Monate später aus. In ihrem Gepäck befindet sich das noch unvollendete Manuskript für den Roman „Die Gabe“.


Stationen des Exils waren danach Paris – wo viele russische Exilanten aus Berlin lange vor ihm angekommen waren –  und ab 1940 die USA (Einbürgerung 1945). Dort erhielt  V. Nabokov von 1948 bis 1959 eine Professur für russische Literatur an der Cornell University, Ithaca, N.Y. Zu den größten Probleme von Autoren im Exil gehört, dass sie von den Weiterentwicklungen ihrer Muttersprache abgeschnitten sind und nur schwer Verlage für ihre in der Originalsprache geschriebenen Bücher im Gastland finden.   


Nabokov war auch deshalb längst von der russischen in die englische Sprache gewechselt.  Damit einher gingen internationale Erfolge. Einige seiner stilistisch brillanten psychologischen Romane – die er anfangs unter dem Pseudonym V. Sirin geschrieben hatte – wurden verfilmt. Weltruhm stellte sich mit dem Roman „Lolita“ ab 1955 ein, der sexuelle Normen und Verhaltensweisen der amerikanischen Gesellschaft ironisch behandelt. Weitere Titel: „Maschenka“, 1926; „Einladung zur Enthauptung“, 1938; „Pnin“, 1957; „Ada oder das Verlangen“, 1974. Die jüngste Neuausgabe seiner Autobiografie liegt seit 1999 in der Übersetzung von Dieter E. Zimmer als Rowohlt Taschenbuch, ISBN 3-499-22547-6 vor: „Erinnerung, sprich“.


Autor:

Hajo Jahn


Literatur:

BERLIN, Stadt der Dichter
Knesebeck Verlag, München, 2003
ISBN 3-89660-182-2, S. 91

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