Willi Münzenberg
Verleger und Politiker
Geb. 14.8. 1899 in Erfurt
Gest. 21.10. 1940 bei Caugnet/ Frankreich
Natürlich könnte man ihn auch einen Politiker nennen, den ehemaligen Kommunisten, der seit 1939 eine strikt antikommunistische Haltung einnahm, der Lenin kannte und Stalin kritisierte. Zwar war er von 1924 bis 1933 Mitglied des Zentralkomitees der KPD und Reichstagsabgeordneter. Doch vor allem war er Verleger. Mit Leib und Seele. Neben dem Konzern des national- konservativen Alfred Hugenberg hatte Willy Münzenberg das größte Medienunternehmen Deutschlands aufgebaut. Noch im Exil gründet er mehrere Verlage. Als Filmfan sichert er sich mit eigenen Verleihfirmen den Alleinvertrieb aller sowjetischen Filme und initiiert die Aufführung von Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“, der heute als einer der weltbesten Filme aller Zeiten gilt. Seinen Widerstand gegen die Nazis und gegen Moskau leistet er mit Hilfe seiner Zeitungen und der von ihm herausgegebenen Bücher.
An der Wiege hat Willy Münzenberg wohl niemand seinen Aufstieg zum einflussreichen Verleger gesungen. Denn der Sohn eines Gastwirts besuchte zunächst nur unregelmäßig eine Dorf- und später eine Volksschule in Gotha, um dann ab 1906 als Jugendlicher drei Jahre lang in einer Erfurter Schuhfabrik zu arbeiten. Schon dort engagiert er sich im Arbeiterbildungsverein mit dem beziehungsreichen Titel Propaganda. 1910 geht er auf Wanderschaft und erhält (bis 1913) eine Anstellung als Hausbursche bei einer Apotheke in Zürich, wo er Mitglied des Zentralvorstands der sozialistischen Jugendorganisation der Schweiz wird.
In dieser Zeit des Umbruchs fühlt sich Willi Münzenberg sogar in der betulichen Schweiz als Revolutionär. Bei einer Demonstration wird er 1917 verhaftet und zu einer fünfmonatigen Haftstrafe verurteilt, die gegen Zahlung einer Kaution ausgesetzt wird. Aber schon kurze Zeit später sperrt man ihn ein zweites Mal ein, um ihn schließlich am 10. November 1918 als „missliebigen Ausländer“ und „Anhänger der (russischen) Oktoberrevolution“ des Landes zu verweisen.
Die wohl spannendste Stadt in Europa zu jener Zeit war Berlin. Auch den nunmehr 30jährigen Willy Münzberg zieht sie unwiderstehlich an. In der Reichshauptstadt schließt er sich dem Spartakus und der Kommunistischen Partei Deutschlands an. Bereits im November 1919 wählt man ihn zum Vorsitzenden der soeben gegründeten Kommunistischen Jugendinternationale. Sein Einfluss wächst zusehends. Kein Wunder, dass sich sein alter Genosse aus Schweizer Tagen, der inzwischen zum mächtigsten Mann Russlands aufgestiegene Lenin, Münzenbergs bedient. Er beauftragt ihn mit der Leitung der Internationalen Arbeiterhilfe für die hungernden Sowjetrussen.
In dieses Jahr 1921 fällt der Beginn seiner Verlegerlaufbahn. Willi Münzenberg gründet die Illustrierte Sowjetrußland im Bild, die er fünf Jahre später in Arbeiter-Illustrierte-Zeitung umbenennt (für die u.a. auch Egon Erwin Kisch schreiben wird). Es folgt 1924 die Gründung den Neuen Deutschen Verlags. Aber erst mit seinem zeitgleich errungenen Reichstagsmandat und der Ernennung zum Leiter des Propagandaapparats der KPD kann er sein Talent voll ausspielen und mit dem Kosmos-Verlag das zweitgrößte Medienimperium Deutschlands aufbauen. Beispielhaft ist der Kauf der Zeitung Welt am Abend. Ihre Auflage steigert er fast im Handumdrehen von spärlichen 3.000 auf sagenhafte 100.000 Exemplare. Zwei Jahre später, 1928, gründet Willi Münzenberg mit Heinrich Zille die satirische Zeitschrift Eulenspiegel. Es folgen rasch nacheinander die Tageszeitung Berlin am Morgen und die Illustrierte Der Weg der Frau, die bald eine verkaufter Auflage von über 100.000 Stück erreicht, erstaunlich inmitten hoher Arbeitslosenzahlen.
Diese Erfolge sind erklärbar: Die Publikationen zeichnen sich aus durch eine klare politische Haltung gegen den aufkommenden Nationalsozialismus und Führerkult.
Zwangsläufig muss Willi Münzenberg 1933 nach der Machtergreifung Hitlers und dem Reichstagsbrand emigrieren. Mit Babette Gross, seiner Lebensgefährtin, flieht er nach Paris, wo er mit Freunden aus Berliner Tagen seine Arbeit fortsetzt: Publizistischer Kampf gegen die Diktatur in Deutschland. Münzenberg gründet den Verlag Éditions du Carrefour, verlegt Dutzende von deutschsprachigen Publikationen, darunter das Braunbuch über den Reichstagsbrand und Hitlerterror.
Er organisiert die Zusammenarbeit deutschsprachiger Oppositioneller und plädiert für ein Bündnis aller Hitler-Gegner, unabhängig von politischen oder konfessionellen Gegensätzen. Seine Volksfront-Bestrebungen werden misstrauisch verfolgt von seinen eigenen Genossen. Wegen seiner Kritik an Josef Stalin, der seine Gegner gnadenlos verfolgten und ermorden lässt, wird Münzenberger erst aus dem Zentralkomitee der KPD (22.3.1938) und fast genau ein Jahr später aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen. Der Hitler-Stalin-Pakt ist das Tüpfelchen auf dem I und macht aus Münzenberg endgültig einen kompromisslosen Antikommunisten.
Er hat inzwischen die Éditions Sebastian Brant gegründet, in der Exilliteratur und die Zeitschrift Die Zukunft verlegt werden. Damit ist Schluss, als die Wehrmacht Frankreich überfällt. Im Mai 1940 wird Münzenberg in Lyon interniert, doch kann er im Juni in Richtung Südfrankreich fliehen, wohin die Deutschen noch nicht gekommen sind.
Seine Flucht endet tragisch und ist geheimnisumwittert:
Am 21. Oktober 1940 wird Willi Münzenberg im Wald von Caugnet im Département Isère tot aufgefunden. Erhängt. Die Todesumstände sind bis heute nicht geklärt. War es Freitod? Wurde er durch die deutsche Geheime Staatspolizei ermordet? Oder von Stalins Agenten?
Autor:
Hajo Jahn
Links (deutsch):
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/MuenzenbergWilli
http://www.trend.infopartisan.net/trd1099/t351099.html
http://www.kokhavivpublications.com/kuckuck/archiv/brand/muenzenberg.html
http://www.gegen-diktatur.de/beispiel.php?beisp_id=345&tafel_id=5&thema=0
http://www.sozialarchiv.ch/Aktuell/97AJugend.html
http://www.deutsches-filminstitut.de/collate/collate_sp/se/se_04g06.html
International:
http://palissy.humana.univ-nantes.fr/labos/cht/biblio/ouvrages/livre9559.htm
http://www.frontpagemag.com/articles/ReadArticle.asp?ID=12139
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