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Peltzer, Otto

H.A.M. 0

Otto (Paul Eberhard) Peltzer (genannt: „Otto der Seltsame“)
Leichtathlet, Pädagoge, Journalist und Publizist

Geb. 8.3. 1900 in Ellerbrook-Drage
Gest. 11. 8. 1970 in Eutin


Der aus dem Holsteinischen stammende Peltzer begeistert sich bereits in jungen Jahren – und nach einer überstandener Kinderlähmung – für den Sport. Nach kurzem Kriegsdienst legt er das Abitur ab und absolviert anschließend ein Volontariat auf der Stettiner Vulkan-Werft. Im Herbst 1920 schreibt er sich für das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften ein, studiert an den Universitäten in Jena, Berlin und München und promoviert 1926.


Zu diesem Zeitpunkt gehört Otto Peltzer bereits mit zu den weltbesten Mittelstrecken-Läufern. Zu seinen bis dahin größten Erfolgen zählen 1925 in Budapest der Weltrekord über 500 m (mit einer Zeit v on 1:03,6), 1926 Weltrekord über 800 m (1:51,6) und 1.500 m (3:51,0), gefolgt von zwei weiteren Weltrekorden.

Von 1926 bis 1933 unerrichtet er Geographie, Geschichte und Geschichte an der Freien Schulgemeinde Wickersdorf in Thüringen. In den Jahren 1922 bis 1933 wird Peltzer 15mal Deutscher Meister und kann allein 16 deutsche Laufrekorde für sich verbuchen. Bei den olympischen Spielen 1926 siegt der Ausnahmesportler über den zweifachen Olympiasieger Douglas G. Lowe über 880 Yards und über Paavo Nurmi sowie Edwin Wide in Weltrekordzeit über 1.500 m.

Neben seinen pädagogischen und sportlichen Aktivitäten betätigt sich Peltzer in diesen Jahren auch immer wieder publizistisch und veröffentlicht eine Reihe von Büchern zu Triningslehre und Sportethik.


1933 tritt Otto Peltzer in die NSDAP und in die SS ein und arbeitet u.a. zeitweise auch als Redakteur der stramm völkischen Reichswacht. Seine anfängliche Sympathie für die nationalsozialistische Ideologie verkehrt sich jedoch bald ins Gegenteil. Peltzers sportpolitische Anschauungen stoßen bei den Nazi-Sportführern auf Widerstand und Reichssportführer Hans v. Tschammer und Osten, Carl Diem und andere verhindern Peltzers weitere sportliche Karriere.

Wegen seiner internationalen Kontakte, seines Umgangs mit jüdischen Mitbürgern und seiner Eigenwilligkeit im privaten und politischen Verhalten wird der promovierte Läufer als politisch äußerst unzuverlässig eingestuft, 1935 verhaftet und unter dem Vorwurf der Homosexualität zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Seine akademischen Titel erkennen ihm die Nationalsozialisten ab.

Eine britische Intervention erzwingt noch vor den Olympischen Spielen 1936 seine Freilassung, und das Urteil wird in eine Freiheitsstrafe auf Bewährung umgewandelt.


1938 geht Peltzer nach Schweden. Seine Meinungsäußerungen in schwedischen Zeitungen erregen jedoch sehr bald wieder den Unwillen der Nazi-Führung. Auf Druck der Reichssportführung wird dem Leichtathleten daraufhin die Aufenthaltsgenehmigung seitens der schwedischen Behörden entzogen und Peltzer kehrt nach Deutschland zurück, wo er 1941 von der Gestapo wiederum verhaftet und ins Konzentrationslager Mauthausen gebracht wird.

Otto Peltzer hat die Martern überlebt; das jahrzehntelange Training hatte Kräfte wachsen lassen, die ihn, nach der Befreiung durch die Amerikaner, genesen ließen; aber er war ein gebrochener Mann, dem die Welt, in welcher die dem Nationalsozialismus willfährigen Funktionäre immer noch das Sagen hatten, fremd erschien: Wer, im Kreis derer, die einst Hitlers Krieg glorifizierten, stand, in Verpflichtung gegenüber dem Außenseiter und eigener Schuld eingedenk, in den Jahren nach dem Krieg einem Leichtathleten zur Seite, der, hoch geehrt in Indien und vergessen in Deutschland, in einem Akt tieftraurigen Aufbegehrens einen Briefkopf mit den Worten „Dr. Otto Peltzer“ benutzte, „Schriftsteller und Soziologe. Experte in Sportmedizin, -technik und Erziehung. Olympionike. Ehemaliger Weltrekordläufer“?


Quelle: Walter Jens: Sportler wie Odysseus. Ein Lob des Leistungsspiels und seiner Widerständigkeit, (c) DIE ZEIT 5/1999, http://www.zeit.de/1999/05/199905.t_odysseus_.xml?page=4

Nach seiner Befreiung 1945 arbeitet Otto Peltzer zeitweilig als Sportredakteur und Trainer, kann allerdings im bundesrepublikanischen Nachkriegssport keinen Fuß mehr fassen. Sportfunktionäre, die ehemals den Nazis gedient hatten, machen ihm auch jetzt wieder das Leben schwer, darunter nicht zuletzt Carl Diem, Mitbegründer und Rektor der Sporthochschule Köln und Gründungsmitglied des Nationalen Olympischen Komitees.


1952 eröffnet der (westdeutsche) Leichtathletik-Verband ein Verfahren gegen Otto Peltzer, weil er bei einem Sportfest in Ostberlin eine Ehrenrunde gelaufen ist und er verliert daraufhin auch seine Anstellung bei einer Bielefelder Firma. Ausgegrenzt vom westdeutschen Sport und zunehmend ignoriert von den DDR-Sportadministratoren – die in anfangs im Kalten Krieg benutzten – gerät der Ausnahmeathlet immer mehr in Isolation, trotz Intervention von alten Sportfreunden, DLV-Funktionären und sogar seines einstigen britischen Olympia-Rivalen Douglas Lowe. Der spätere DDR-Dissident Robert Havemann verwendet sich genauso für ihn wie der (West-)Verleger Heinrich (Peter) Suhrkamp. Peltzers 1955 in der DDR erschienenes Buch Umkämpftes Leben wird ein Erfolg – aber sein Autor gerät immer mehr zwischen alle politischen und sportlichen Fronten.


1956 verläßt er Deutschland ein zweites Mal und versucht, in Australien, China, Südkorea, Japan, Iran und Malaysia sportlich wieder Fuß zu fassen. Als Leichtathletik-Nationaltrainer wirkt er seit 1957 in Indien, wo er unter oft einfachsten Bedingungen Olympiakader, die Laufbewegung und die Leichtathletik-Jugendmeisterschaften Indiens entwickelt.

Gesundheitlich geschwächt kehrt Otto Peltzer nach über zehn Jahren am 14. Dezember 1967 wieder nach Deutschland zurück. Er stirbt im Anschluß an eine Abendsportveranstaltung.

Erst 1998 wird der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) auf Otto Peltzer aufmerksam und verleiht – neben dem Carl-Diem-Schild – nun auch eine nach dem wohl berühmtesten deutschen Mittelstreckenläufer der Zwanziger Jahre benannte Otto-Peltzer-Medaille.


Literatur:

Volker Kluge: Otto, der Seltsame. Die Einsamkeit eines Mittelstreckenläufers. Otto Peltzer (1900 bis 1970). Mit einem Vorwort von Walter Jens. Parthas Verlag, Berlin 2000, ISBN 393252974X.


Quelle:

Helmut Klimmer: Der vergessene Rebell, in: LAUFZEIT 6/2000, Seite 6/7, hier zitiert aus:
http://www.laufzeit-online.de/Archiv/2000/lz2000-06_6-7.htm


Links (deutsch):

http://www.perlentaucher.de/buch/2978.html

http://www.jungewelt.de/frameit.php?/2000/04-29/020.shtml

http://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/big/17340.html

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