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Ramm-Pfemfert, Alexandra

H.A.M. 0

Alexandra Ramm-Pfemfert
Journalistin, Übersetzerin und Literaturagentin


Geb. 1883 in Starodud/ Rußland
Gest. Januar 1963 in (West)-Berlin


Sie ist die Frau von Franz Pfemfert, jenes legendären Gründers der Zeitschrift Die Aktion – auch und vor allem aber ist sie eine eigenständige Persönlichkeit, die als Journalistin und Literaturkennerin die politischen und kulturellen Umbrüche des frühen 20. Jahrhunderts miterlebt.


Alexandra, fünftes von neun Kindern einer streng religiösen jüdischen Familie, wächst in einer 400 Kilometer südwestlich von Moskau gelegenen Kleinstadt auf. Die zu jenen Zeiten allgegenwärtige Angst in der jüdischen Bevölkerung des Zarenreiches vor Pogromen ist womöglich der letzte Anstoß dazu, daß die damals 18jährige nach dem Abitur ihre Geburtsheimat verläßt. Sie geht nach Berlin und immatrikuliert sich an der Universität im Fach Philologie – allerdings zunächst nur als Gasthörerin, da Frauen zur damaligen Zeit ein reguläres Studium erst mit Beginn des Wintersemesters 1908/ 09 erlaubt ist.


Rasch knüpft sie Kontakte zum Berliner Boheme-Milieu und lernt im berühmten Café des Westens – in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg Mittelpunkt des literarischen Expressionismus, in dem Else Lasker-Schüler, Herwarth Walden (der hier 1910 seine Zeitschrift Der Sturm gründet), René Schickele, Roda Roda, Erich Mühsam und Paul Scheerbarth verkehren – 1903 den vier Jahre älteren Literaten Franz Pfemfert kennen, der 1911 mit der Aktion jene legendäre Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur ins Leben ruft, die jungen expressionistischen Schriftstellern und Künstlern ein Forum bietet und zu dessen MitarbeiterInnen von Anbeginn die junge Journalistin gehört.


Sie schreibt kleine Artikel und Rezensionen und übersetzt Texte aus dem Russischen ins Deutsche. Gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Maria, die ihr nach Berlin gefolgt ist, organisiert sie vor 1914 die berühmten Revolutionsbälle der Aktion. 1917, im Jahr der von ihr zunächst lebhaft begrüßten Oktoberrevolution in Russland, eröffnet Alexandra Ramm-Pfemfert die Aktions-Buchhandlung, in den zwanziger Jahren einer der beliebtesten Treffpunkt linker Intellektueller und russischer Emigranten in Berlin.


Anfang 1929 nimmt Alexandra Ramm-Pfemfert Kontakt zu dem von Stalin entmachteten und in die Verbannung vertriebenen Leo Trotzki auf und bietet ihm ihre Hilfe bei der Übersetzung seiner Erinnerungen an. Es folgen Jahre einer intensiven Zusammenarbeit, in denen Ramm-Pfemfert neben Zuarbeiten für Trotzkis zweibändige Geschichte der Russischen Revolution ihn auch als Literaturagentin in Berlin vettritt.


Bereits im November 1931 drückt sie in einem ihrer Briefe an Trotzki ihre tiefe Besorgnis über die politische Entwicklung im Deutschen Reich aus – und muß im März 1933 zusammen mit ihrem Mann aus Hitler-Deutschland fliehen. Zunächst nach Karlsbad, und von dort 1936 weiter nach Paris. Wie viele andere deutsche Emigranten in Frankreich werden sie mit Kriegsbeginn 1939 als feindliche Ausländer interniert. Im Herbst 1940 gelingt den Eheleuten auf abenteuerlichen Wegen die Flucht über Spanien ins portugiesische Lissabon, wo sie schließlich eine Schiffspassage nach New York erhalten. Im März 1941 erreichen sie ihre letzte Exil-Station Mexiko-City.


Mit einem kleinen Fotoatelier halten sich die Pfemferts in den Jahres ihres mexikanischen Exils mühsam über Wasser – isoliert, ohne Bücher, ohne Freunde. Dennoch kommt für Franz Pfemfert 1945 eine Rückkehr nach Deutschland nicht in Frage und er stirbt im Exil. Alexandra Ramm-Pfemfert übersiedelt 1955 nach Berlin zu ihrer jüngeren Schwester, fühlt sich allerdings auch nicht wohl in Deutschland und kritisiert vor allem die deutsche Opfer-Mentalität, die sich dem Leiden der Opfer unter den Nazis weitestgehend verschliesst. »Die Deutschen haben Schreckliches, besonders die Berliner, erlebt,“ schreibt sie über diese Zeit später „aber fremdem Leiden hat es sie nicht näher gebracht.«


 

Ihre Befürchtung, das Lebenswerk Franz Pfemferts könne in Vergessenheit geraten, erweist sich allerdings als unbegründet. Einer WDR-Rundfunksendung aus dem Jahr ahr 1957 folgt vier Jahre später ein Reprint der ersten Jahrgänge der Aktion in der Edition Nautilus, die Ende August 2004 (23. Jhg.) ein ganzes Heft (N° 209) der Erinnerung an den revolutionären Intellektuellen Franz Pfemfert widmet.


Quelle: 

»Ich kann ihnen ihren Hitler nicht verzeihen« Dem Vergessen entrissen: Alexandra Ramm-Pfemfert, die Frau des legendären Gründers der Zeitschrift »Die Aktion«
Von Volker Ullrich. Hier in: (c) DIE ZEIT 09.12.2004 Nr.51
http://www.zeit.de/2004/51_lit/P-Ramm-Pfemfert


Literatur:

Julijana Ranc:
Alexandra Ramm-Pfemfert
Ein Gegenleben,

Edition Nautilus
,
Hamburg 2004
ISBN 3894014466


Links (deutsch):

http://www.perlentaucher.de/buch/19730.html

http://www.edition-nautilus.de/proc.php?buecher/ranc/bio_pfemfert.html

http://www.jungewelt.de/beilage/art/626

 

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