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Paalen, Wolfgang

H.A.M. 0

Wolfgang Paalen
Maler


Geb. 22.7.1905 in Baden b. Wien/ Österreich-Ungarn
Gest. 24.9. 1959 in Taxco/ Mexiko


„Da aber der Künstler, , der seine Kunst prostituiert, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, auf jeden Fall aufhört, wahrer Künstler zu sein, ist es besser – so unangenehm auch eine solche Alternative sein mag – zeitweise auf seine Kunst zu verzichten, in der Hoffnung, sie später, ohne daß sie Schaden genommen hat, wiederaufzunehmen, als seine künstlerische Unantastbarkeit für immer zu verlieren. Denn die Kunst verzeiht nie…“

(Wolfgang Pahlen in einem Interview 1944)


Wolgang Paalen stammt aus adeligem Haus. Obgleich sein Vater, Gustaf Robert Paalen, ein reicher jüdischer Kaufmann aus der damaligen Provinz Mähren, nach seiner Heirat mit einer katholischen Schauspielerin zum Protestantismus übergetreten ist, läßt er den Sohn nach jüdischer Tradition beschneiden. Seine Jugendjahre verbringt der junge Paalen auf der St. Rochusburg, einem herzöglichen Schloss in Sagan, das der Vater wenige Jahre vor dem ersten Weltkrieg erworben hat. Wolfgang Paalens Erziehung erfolgt hauptsächlich durch Privatlehrer, eine Zeit, an die er sich später noch gerne erinnern wird als die „besten Jahre einer anachronistischen Kindheit“.


Die Familie Paalen wohnt Wien und Berlin, lebt in Paris und übersiedelt 1919 nach Rom. Schloss Sagan bleibt allerdings bis zur Beschlagnahme durch die Nationalsozialisten weiterhin der Sommersitz der Paalens. Der Vater nennt eine bedeutende Kunstsammlung sein eigen, und sie ist es, die Wolfgang von früher Kindheit an inspiriert: sehr früh schon beginnt er selbst zu zeichnen, er malt und bildhauert. 1925 zeigt die Berliner Sezession die erste Ausstellung des damals knapp Zwanzigjährigen, der in Paris und München lebt, wo er unter anderem bei Hans Hofmann studiert. An Wien, so Dieter Schrage, der ehemalige Direktor des dortigen Museums Moderner Kunst, sei Paalen nie besonders interessiert gewesen. Auch in der österreichischen Haupstadt gerät der Maler über Jahrzehnte hinweg in Vergessenheit, und erst 1993 erinnert eine Retrospektive im Museum Moderner Kunst an Wolfgang Paalen.


Als mit der Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre das Imperium des Vaters zusammenbricht, lebt Wolfgang bereits fern der Familie, an stets wechselnden Orten. Anfang der vierziger Jahre stirbt der Vater in geistiger Umnachtung und völlig verarmt auf der Flucht vor den Nazis in der Schweiz. Das Schicksal aller weiteren Familienangehörigen von Wolfgang Paalen liegt weitgehend im Dunkeln. Ein Bruder kann nach Schweden fliehen. Sein Bruder Hans Peter ist bereits 1928 durch Selbstmord aus dem Leben geschieden. Paalens Biografen schliessen nicht aus, dass sich in den 40er Jahren die gesamte Familie umgebracht hat.


Als Künstler bekannt wird Wolfgang Paalen Anfang der 30er Jahre vor allem in Frankreich, zunächst als Vertreter der Gruppe Abstraction-Création, der auch Kandinsky, Klee und Mondrian angehören; später als Mitglied des Pariser Kreises der Surrealisten um den französischen Schriftsteller und Theoretiker André Breton. 1936 gelíngt Paalen in Paris der Durchbruch als Surrealist. Gemeinsam mit Max Ernst, Salvador Dalí, René Magritte, André Masson, Joan Miró und Yves Tanguy betritt der Maler Wolfgang Paalen künstlerisches Neuland. Paalen Objekte – in Efeu gehüllte Stühle, ein Schirm aus Schwämmen – ähneln denen von Marcel Duchamps oder René Magritte.


Im Paris der 30er Jahre kommt Wolfgang Paalen erstmals mit der primitiven Kunst Amerikas und Ozeaniens in Berührung. Einen nachhaltigen Eindruck auf sein Werk hinterläßt auch und vor allem eine Spanienreise zu den prähistorischen Höhlenmalereien von Altamira. Diese primitive art wird ihn zeitlebens fesseln und zu einem leidenschaftlichen Sammler machen, der alles kauft, dessen er habhaft werden kann. Er malt totemistische Landschaften, sucht weiter nach Neuem in der Kunst und experimentiert mit Kerzenrauch auf der feuchten Leinwand, die er mit den Brandspuren einschwärzt. Diese Technik wird ihn als Erfinder der Fumage weithin bekannt machen.

Kurz nach einer Einzelausstellung in der Londoner Guggenheim Galerie geht Wolfgang Paalen 1939, gemeinsam mit der bretonischen Malerin Alice Rahon und der Fotografin und Violonistin Eva Sulzer ins us-amerikanische Exil nach New York. Die, so Paalen, „unsagbar gute, schwesterliche Freundin“ Eva Sulzer, seine Mäzenin, Freundin, wahrscheinlich auch Geliebte, begleitet ihn auch noch, als er längst mit Alice verheiratet ist. „Es war in Wirklichkeit ein Dreieck“, erinnert sich der ebenfalls aus Wien gebürtige und vor den Nazis geflüchtete Walter Grün, der in Mexiko-Stadt das erste Plattengeschäft des Landes gegründet hat und zu dessen Kunden auch Wolfgang Paalen zählt. „Paalen lebte von Eva Sulzer. Er war ein brillianter Mann, überaus gebildet, aber sehr instabil in seinen privaten Beziehungen. Und die Eva hat darunter sehr gelitten.“


Von New York aus unternehmen Paalen, Sulzer und Rahon Reisen nach Neuengland, Kanada, British Kolumbien und Alaska, wo Wolfgang Paalen seine Liebe zu totemistischen Skulpturen und indianischer Kunst vertieft und zahlreiche Kunstwerke erwirbt. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, Im September 1939, entschließt sich das Trio umgehend zur Übersiedelung nach Mexiko-City, wo die Künstler von Frida Kahlo und Diego Rivera werden, den Palen lebt und arbeitet fortan in Mexiko, wobei der Einfluß des abstrakten Expressionisten auf die mexikanische Kunst unter Experten bis heute umstritten ist.


Im Januar 1940 organisiert Wolfgang Paalen in Zusammenarbeit mit Breton die sensationelle Gran Exposición Internacional del Surrealismo in der Galeria de Arte Mexicano in Mexiko Stadt. Vertreten sind so gut wie alle großen Künstler jener Zeit, darunter Diego Rivera, Frida Kahlo, Paul Klee, Pablo Picasso, Henry Moore, Wassilij Kandinsky und Carlos Merida.

Wenige Monate später reist Paalen nach New York zu seiner ersten amerikanischen Einzelausstellung – und seinem letzten Aufrtitt als als Surrealist. Mit einem auf französisch geschriebenen Farewell au Surrealism verabschiedet er sich im April 1942 vom Surrealismus:

„Nach 1942, nach all den blutigen Fehlschlägen des Dialektischen Materialismus und dem fortschreitenden Zerfall aller ‚Ismen‘ scheint mir dringend die unnachsichtigste Überprüfung jeder Theorie geboten zu sein, die den Platz des Menschen im Universum, den Platz des Künstlers in unserer Welt bestimmen will. Mit einem Wort, weit wichtiger, als auf einigen prächtigen Einfällen herumzureiten, so brilliant sie auch sein mögen, scheint es mir zu sein, einen neuen Beobachtungspunkt zu finden. Ich zweifle nicht daran, daß die großen surrealistischen Dichter und Maler weiterhin höchst bedeutsame Werke schaffen werden, aber ich glaube nicht mehr daran, daß es dem Surrealismus gegeben sein wird, die Stellung des Künstlers in der gegenwärtigen Welt zu bestimmen, den Seinsgrund der Kunst objektiv zu formulieren“.

Seine Abwendung vom Surrealismus wird für Paalen gleichzeitig zum Neubeginn. Sein „Farewell“ erscheint in der ersten Ausgabe von Wolfgang Paalens neugegründeter Kunstzeitschrift DYN, die er bis 1944 in englisch und französisch herausgibt und für das u.a. so renommierte Autoren wie Henry Miller oder Anais Nin schreiben, Abbildungen der Werke von Georges Braque, Pablo Picasso, Marc Chagall und Henry Moore ebenso erscheinen wie Reproduktionen moderner und präkolumbianischer Kunstwerke. Fotoarbeiten von Eva Sulzer und nicht zuletzt auch Paalens eigene Beiträge machen DYN zur Plattform einer intellektuellen Avantgarde.

Der Gründer der Gruppe DYNATON (dt.: Das Mögliche) und Wegbereiter des Abstrakten Expressionismus in den USA beschäftigt sich in der Folgezeit zunehmend mit Esoterik und naturwissenschaftlichen Themen, korrespondiert u.a. mit Albert Einstein und orientiert seine Malerei am zentralen Motiv der Spirale. Wolfgang Paalens Abschied vom Surrealismus hat gleichzeitig zum Bruch mit dem künstlerischen Weggefährten André Breton geführt. Erst Anfang der 50er Jahre, als Paalen noch einmal nach Europa reist, werden die beiden Künstler sich wieder aussöhnen. In dieser Zeit in Paris ändert Paalen abermals seine Malweise und wird zunehmend abstrakter.


1943 hat Paalen in New York die venezolanische Malerin Luchita Amalia Hurtado del Solar kennengelernt, die später mit ihren beiden Kindern aus erster Ehe zu ihm nach San Angel ziehen wird, wo Eva Sulzer ein Wohn- und Atelierhaus für ihn hat bauen lassen. 1947 läßt er sich von Alice Rahon scheiden und erlangt im selben Jahr die mexikanische Staatsbürgerschaft. Auch die Ehe mit Luchita Amalia Hurtado wird 1951 geschieden. Paalen unternimmt weitere Reisen nach San Francisco, New York und wiederum Paris, wo er sich für längere Zeit niederläßt, äußerst produktiv als Maler tätig ist. Die Bilder aus dieser Zeit zählen für einige seiner Biografen, zu dem qualitativ letzten Höhepunkt im Schaffen Wolfgang Paalens.


Er kehrt nach Mexiko zurück und kauft ein Haus in Tepoztlan nahe Mexiko-Stadt, wo er Monate in völliger Zurückgezogenheit verbringt. Frauen wie Aice Rahon und Eva Sulzer spielen weiterhin bedeutende Rollen im Leben des Malers, der als Künstler zunehmend erfolgreich ist, dessen Gesundheitszustand sich jedoch immer mehr verschlechtert. Er wird mehrfach operiert, bekommt Malaria, leidet unter Herzattacken.


1958 heiratet Wolfgang Paalen ein letztes Mal: Isabel Marín, eine jüngere Schwester von Diego Riveras erster Frau Lupe Marín. Mit finanzieller Hilfe von Freunden kann der schwerkranke Maler eine Hazienda auf der Halbinsel Yucatán käuflich erwerben. Ein Entschluß, den er allerdings kurz darauf bitter bereuen wird. Kurze Phasen künstlerischer Aktivität werden immer wieder von inneren Zusammenbrüchen unterbrochen. Paalens letzte Ausstellung mit Bildern aus Tepoztlán findet im Oktober 1958 in der Galerie Souza in Mexiko-City statt.


Die Verwicklung in einen Skandal um die illegale Ausfuhr räkolumbianischer Kunst in die Vereinigten Staaten und damit verbundene mögliche strafrechtliche Konsequenzen mögen eventuell dazu geführt haben, daß Wolfgang Paalen Selbstmord begeht. In der r Nacht zum 24. September 1959 erschießt er sich in der Nähe von Taxco.Freunde finden ihn am Morgen mit von Koyoten zerfetzten Kleidern, von Passanten bestohlen. In seinem Haus findet man ein aufgeschlagenes Buch von André Breton. Darauf die symbolträchtige 17. Tarokarte, die für Unsterblichkeit steht.


Quelle:

DIE GAZETTE, 18.9.2002
http://www.gazette.at/Archiv/Gazette-September2002/Brandner7.html


Literatur:

Andreas Neufert: Wolfgang Paalen – im Inneren des Wals, Springer Verlag Wien New York 1999
Christian Kloyber: Wolfgang Paalens DYN, the complete reprint, Springer Verlag Wien New York 2000
Katalog zur Ausstellung: Wolfgang Paalen zwischen Surrealismus und Abstraktion, Museum Moderner Kunst Wien, 1993


Links (deutsch):

http://www.aeiou.at/0x811bc836_0x007b4566

http://www.prestel-kuenstlerlexikon.de/search.php?type=detail&id=945&searchkey=

http://www.literaturepochen.at/exil/lecturepage5028_11.html

http://www.kunstnet.or.at/suppan/GALERIE/19_20/OFFER_1102.HTML

http://www.ideenwelt.net/paalen/dyn.htm

http://www.paalen-archiv.com/paalen/index.html

http://www.paalen-archiv.com/literatur/Neufert-Essay-WP.pdf

http://www.twokmi-kimali.de/surr/Paalen.htm

http://www.gazette.de/Archiv/Gazette-September2002/Brandner7.html


International:

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