Walter (Wilhelm Karl Ernst) Rilla
Schauspieler, Regisseur Drehbuchautor und Journalist
Geb. 22.8. 1894 in Neukirchen
Gest.21.11. 1980 in Rosenheim
Der „Grandseigneur der deutschen Filmindustrie“, wie Walter Rilla in den Feuilletons bezeichnet wurde, war auch im wirklichen leben ein Gentleman. Nicht nur, weil er mit Theresa Klausner verheiratet war, einer Jüdin, flüchtet er mit Frau und Sohn Wolf – der später als Drehbuchautor und Regisseur ebenfalls erfolgreich wurde – 1936 nach Großbritannien, während sich andere Zeitgenossen opportunistisch lieber von ihren jüdischen Ehepartnern trennten. Walter Rilla war überzeugter Nazigegner von Anfang an. Im Gastland spielt er in Filmen von Robert Siodmak, Harold Young oder Herbert Wilcox. Um die Familie durchzubringen, verdient sich Rilla ein Zubrot in seinem ersten Beruf, schreibt Drehbücher, Romane und Hörspiele, denn nach seiner Kindheit und Jugend im rheinischen Elberfeld, Studium der Philosophie, Literatur und Kunstgeschichte in Breslau, Berlin und Lausanne, hatte Walter Rilla zunächst als Journalist gearbeitet, bevor er in Filmen von Friedrich Wilhelm Murnau, Victor Janson, Max Mack oder Paul Czinner mitwirkte. In Czinners Geiger von Florenz hatte Rilla 1926 einen Maler zu spielen. Stars des Films waren Elisabeth Bergner und Conradt Veidt. 1957 kehrte Walter Rilla mit britischem Pass nach Deutschland zurück, wo er für das Fernsehen als Darsteller und Regisseur arbeitete. In den Edgar Wallace-Krimis jener Zeit glänzte Walter Rilla neben Klaus Kinski oder Dieter Borsche. Doch sein Leben selbst wäre Roman- und Filmstoff genug, meint seine Biografin Gerhild Krebs:
Nicht nur die Ehe Rillas mit Theresa Klausener böte heute noch Stoff für einen Film, Rillas ganzes Leben war rasant, immer politisch, atemberaubend kreativ und hochgradig flexibel. Er selbst sprach später von drei verschiedenen Leben, und das ist an den Quellen erkennbar. Ein Titel zu dem Spielfilm über Rillas Leben wäre z. B. „Ein Todesurteil und drei Leben“.
Als Kind und Jugendlicher hatte Rilla bereits durch musikalische Brillianz und kultivierte Vielsprachigkeit geglänzt, als Berufsanfänger redigierte er 1918-1919 einen Breslauer Feulleton und schrieb Theaterkritiken, im revolutionären München der Jahre 1919-1920 gründete / gab Rilla die Zeitschrift „Die Erde“ heraus, ein Blatt, dessen Mitarbeiterliste ebenso illustre Namen (Brecht, Becher, Toller, Heinrich Mann …) umfaßte wie die Liste von Rillas Partnern und Partnerinnen in Film, Theater, TV, Radio …- allein seine Filmographie umfaßt meinem jetzigen Arbeitsstand zufolge nunmehr über 170 Titel.
Walter Rilla war seit den 1920er Jahren auf vielen großen Bühnen präsent, feierte Triumphe in ganz Europa, beginnend mit einer legendären Hauptrolle 1922 in Berlin, die er an einem Tag für den plötzlich erkrankten Star einstudierte – und als Hauptrollendebütant das Stück zu einem gefeierten Berliner Erfolg machte, das alles vor eingefleischten Theater-Fans und vor Film-Experten wie Erich Pommer im Premierenpublikum. Wer ein verwöhntes Großstadtpublikum als Solist bei einer solchen Gelegenheit begeistern kann, kann wohl kaum ein einfacher Ensemble-Player genannt werden, wie es in journalistischen Biographien gelegentlich heißt. Rilla erspielte sich so die ersten Nebenrollen in Filmen, er gehörte bald eindeutig zur ersten Garde junger deutscher Schauspielkünstler, war unter Max Reinhardt 1925 in der Pantomime „Sumurun“ in London im ersten Nachkriegs-Theatergastspiel deutscher Schauspieler nach dem Ersten Weltkrieg zu sehen. 1924/1925 hatte Rilla die Hauptrolle in der zweiten deutsch-britischen Koproduktion nach dem WK1, als Hauptdarsteller einer politisch angehauchten, dramaturgisch jedoch verquasten Künstlerbiografie („Die Prinzessin und der Geiger“ / „The Blackguard“, Regie/Drehbuch: Graham Cutts, gedreht in D).
Meiner Auffassung nach gehört Rilla nicht in die zweite Reihe deutscher Stars, sondern war ab 1925 ein internationaler Star eigenen Rechts, vom Rang einem Ivor Novello vergleichbar. Vom männlichen Soziotyp her verkörperte Rilla das männliche Matinée-Idol der 1920er, und hierin den Phänotyp des Kultiviert-Polyglotten, des Weltbürgers, der er tatsächlich war. Rilla modulierte seine filmische Schauspielkunst in diversen Stumm- und Tonfilmhauptrollen und noch mehr Nebenrollen, in denen er ab 1923 mit Emil Jannings ab 1925 mit Bergner, Henny Porten, Hans Albers u. v. a. Rillas Transfer in den Tonfilm war mühelos, künstlerisch lag ihm mehr der Stummfilm, weil dieser ihm mehr Chancen für die Charakterzeichnung bot.
Rillas Karriere war auf dem politischen Zeithintergrund gesehen höchst interessant, und hatte ihm sehr früh einen Platz auf den schwarzen Listen der Münchner Ur-Nazis verschafft. Aber Walter Rillas Karriere wurde noch weit brisanter in London, das er seit 1933 – mit Zwischenaufenthalten in Paris und Wien bis Kriegsbeginn – 1936 als festen Exilort annahm. Seine Exilkarriere im Film war lediglich von außen betrachtet eine Karriere von Nebenrollen, aber angesichts der Zeitumstände für einen deutschen Emigranten war diese Karriere sehr hochkarätig – hatte er doch noch 1936 die Hauptrolle in einem NS-Musikermelodram gespielt. Nun stand Rilla im gleichen Jahr und 1937 als Herzog Ernst, Bruder von Prinz Albert in „Victoria the Great“ und „Sixty Glorious Years“ gemeinsam mit britischen Branchenriesen
wie Anna Neagle, dem ebenfalls emigrierten Adolf Wohlbrück (Anton Walbrook) vor der Kamera von Top-Regisseur Herbert Wilcox. Es waren zwei hochkarätig besetzte, sehr teuer produzierte Filme, die nationalen britischen Spitzenproduktionen der Jahre 1936-1938, die man mit Blick auf Deutschland filmhistorisch als höchst interessante Appeasement-Zwitter aus Faszination und Abscheu werten kann, bedenkt man den Zeithintergrund (zwiespältige britische Politik und Öffentlichkeitsmeinung zu NS-Deutschland Mitte der 1930er Jahre vor und nach der Olympiade; übrigens: es gibt exzellentes Filmmaterial von einem halb privaten, halb politischen Besuch David Loyd Georges Besuch bei Hitler 1936 auf dem Obersalzberg).
Anna Neagle erhielt für „Victoria“ in Venedig die Coppa Volpi als Beste Hauptdarstellerin 1937 – sonst standen Filme aus dem faschistischen Italien oder NS-Deutschland im Vordergrund des Festivals dieser Jahre. Beide Filme kamen seinerzeit nicht auf den deutschen Markt; „Victoria“ wurde Anfang der 1950er Jahre nachsynchronisiert und auf den westdeutschen Filmmarkt gebracht.
Die britische Filmindustrie dieser Zeit war durch die brancheninterne und politische Quotendiskussion wie durch die Zeitläufte selbst stark national orientiert; angestrebt wurde vor allem der Abbau der Dominanz von US-Produktionen auf dem britischen Markt und die Pflege des guten britischen Films, was immer Politiker oder einzelne Branchenmitglieder darunter verstanden. Diese resultierte in einer tendenziellen, branchenweiten Abwehr des Fremden schlechthin. Eine zweite Hauptbedingung für die internationale Tendenz, Rilla ab 1936 nur in Nebenrollen einzusetzen, war die zunehmend antideutsche Haltung überall im Ausland. Rilla war zwar seit 1925 in Großbritannien bestens bekannt, und ihn persönlich lehnte auch in anderen Ländern niemand ab, aber spätestens ab ca. 1938 wollte niemand in GB oder USA mehr irgendwelche Hauptdarsteller deutschsprachiger Herkunft sehen – es waren ausnahmsweise noch Hauptrollen z. B. für die historische Darstellung der britischen Königsfamilie möglich wie im Falle von Adolf Wohlbrück, dessen Karriere im Zenit stand; sonst aber gab es nur noch Nebenrollen für deutschsprachige Emigranten – oft als halbseidene Adlige, sonstige dubiose Ausländer und oder gar ausländische Schurken – so auch für Rilla.
Vor allem in die 1950er Jahre fällt seine mehrfache und zeitgenössisch erfolgreiche literarische Tätigkeit – u. a. mit einem Roman, der den langjährigen Freund Thomas Mann sehr beeindruckte und der mehrfach übersetzt wurde („Saat der Zeit“ 1955). In den 1950ern filmte Rilla vergleichweise wenig, war mehr im Theater und im Radio von Berlin bis München zu sehen und zu hören. Aber Erika Mann wählte den Freund der Familie für die prestigeträchtige Krull-Verfilmung als Darsteller des Lord Kilmarnock, was ihm ein schönes Comeback in dieser Cameo-Rolle verschaffte. Ab den 1960er Jahren spielte und schrieb er viel fürs deutsche und britische Fernsehen, u. a. für die deutsch-britisch koproduzierte, sehr erfolgreiche TV-Serie Paul Temple – Rilla schrieb die Folge „Paul Temple and the Death of Fasching“, die in München spielte.
Seine letzte Filmrolle spielte er mit Orson Welles in „Malpertuis“ (B/D/F 1972/73), die letzte Rolle überhaupt 1978 in einer deutschen TV-Episodenproduktion „Stadtansichten“.
Die britische Fillm- und Radiobranche hat ihn schnell vergessen, als er nach Deutschland zurückkehrte. Die deutsche Filmbranche hat Rillas Lebenswerk 1966 mit dem Filmband in Gold gewürdigt.
Autor:
Gerhild Krebs
Links (deutsch):
http://www.steffi-line.de/archiv_text/nost_filmdeutsch2/18r_rilla.htm
International:
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