Geb. 23. 11. 1920 in Czernowitz, Rumänien
Gest. 20. 4. 1970 in Paris/ Frankreich
Mit dem Gedicht Todesfuge wurde er weltberühmt. Es beginnt mit den Worten „Schwarze Milch der Frühe“ und sein berühmtester Satz lautet: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“. Paul Celan war der Sohn deutschprachiger Juden. Seine Heimat gilt wie kaum eine andere als Dichterschmiede: Czernowitz in der Bukowina. Diese untergegangene Kulturmetropole, aus der beispielsweise Rose Ausländer, Gregor von Rezzori, Selma Meerbaum-Eisinger oder Osip Juri Fedkowitsch und Mihai Emimescu stammen, gehört heute zur Ukraine: Eine multikulturelle Stadt mit Rumänen, Ukrainern, Deutschen, Polen, Ungarn, Armeniern und natürlich Juden, die entweder Deutsch, Jiddisch oder Hebräisch sprachen.
Erwähnt werden sollte noch, dass Paul Celan tief enttäuscht darüber war, wie man ihn in der wichtigsten deutschen Schriftstellergruppe der Nachkriegszeit behandelte: Kalt und abweisend – wie die meisten Exilanten. Die Gruppe 47 hatte für ihn und seinesgleichen keine Empathie.
Studium der Medizin in Paris und Bukarest. 1942/43 im rumänischen Arbeitslager. Ändert 1947 seinen Familiennamen. 1947 Flucht aus dem kommunistischen Land nach Wien und 1948 weiter nach Paris. 1950 Studium der Sprachwissenschaft und Germanistik in Paris. Lektor, Sprachlehrer und Übersetzer. 1952 Heirat mit Alix Marie Gisèle de Lestrange. Reise nach Nienburg zur Gründung der „Gruppe 47“. 1959 wird er französischer Staatsbürger. 1963 Begegnung mit Gisela Dischner. 1963 erstmals Einweisung in eine psychatrische Klinik. 1965 versucht er seine Frau zu töten. 1967 verletzt er sich mit einem Messer. 1958 Reise durch Deutschland, u.a. Frankfurt/Main, Kiel. 1970 letzte Reise nach Deutschland. Freitod durch Ertränken in der Seine in Paris. 12.5.1970 Bestattung.
Auszeichnungen u.a.: Bremer Literaturpreis (1958), Georg-Büchner-Preis, Darmstadt (1960).
Veröffentlichungen u.a.: Der Sand aus den Urnen (Gedichte, 1948), Mohn und Gedächtnis (1952, DVA), Von Schwelle zu Schwelle, (Gedichte,1955, DVA), Sprachgitter (Gedichte,1959). Gespräch im Gebirg, Prosa (1959), Sprachgitter (Gedichte (1959). Die Niemandsrose (Gedichte 1963), .Atemwende (Gedichte (1967). Fadensonnen (Gedichte 1968),Zeitgehöft, Späte Gedichte aus dem Nachlaß (1976, Suhrkamp). Paul Celan und Gisela Dischner:Briefe aus den Jahren 1965-70 (1996, Privatverlag). Celan wiederlesen (Gedichte,1998, Lyrik-Kabinett). Todesfuge (1999, Rimbaud), Unverloren. Trotz allem, Fachleute über Celan (2000, Mandelbaum-Verlag). Paul Celan/Hanne und Hermann Lenz. Briefwechsel, (2000, Suhrkamp – Hrsg. von Barbara Wiedemann und Hanne Lenz), Paul Celan-Die Goll-Affäre (2000, Suhrkamp – Hrsg. von Barbara Wiedemann). Celan, Oper von Peter Ruzicka (2001, Dresden). Briefwechsel. Paul Celan/ Gisèle Celan-Lestrange (2001, Suhrkamp, 2-bändig – Hrsg. von Bertrand Badiou). Paul Celan und Erich Eichhorn: Eichhorn, du wisst um die Steine, Briefwechsel (2001, Friedenauer Presse – Hrsg. von Marina Dmitrieva-Einhorn). Im Zeithof. Celan-Provokationen (2001, Stroemfeld-Verlag – Hrsg. von Roland Reuß). Eine Hand voller Stunden (Gedichte, dtv). Briefwechsel Celan-Shmueli (2004, Suhrkamp – Hrsg. von Ilana Shmueli und Thomas Sparr)
Literatur:
Theo Buck: Celan schreibt an Jünger
Zu einem Brief und den Reaktionen, die er auslöste
(Celan-Studien VII) Mit einem Gesamtregister der
Celan-Studien I–VII, Rimbaud-Verlag, Aachen 2005
ISBN 3-89086-634-4
ders.: Auf Atemwegen
Interpretationen zur poetischen Konzeption Celans
(Celan-Studien VI) Rimbaud-Verlag, Aachen 2004
ISBN 3-89086-661-1
Ilana Schmueli, Thomas Sparr:
Paul Celan – Ilana Shmueli. Briefwechsel
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2004
ISBN : 3-518-41596-4
Paul Celan: La bibliothèque philosophique / Die philosophische Bibliothek. Catalogue raisonné des annotations établi par Alexandra Richter, Patrik Alac et Bertrand Badiou. Préface de Jean-Pierre Lefebvre. Publié par l’Unité de recherche Paul Celan de l’École normale supérieure. (Presses de l’Ecole Normale Supérieure) Paris: Éditions Rue d‘ Ulm 2004, ISBN: 2-7288-0321-8.
Theo Buck: Celan und Frankreich
Darstellung mit Interpretationen
(Celan-Studien V) Rimbaud-Verlag, Aachen 2002
ISBN 3-89086-740-5
Paul Celan: Todesfuge
Mit einem Kommentar von Theo Buck
(Texte aus der Bukowina Bd. 7)
Rimbaud-Verlag, Aachen 2002
ISBN 3-89086-795-2
Paul Celan: Gespräch im Gebirg
Mit einem Kommentar von Theo Buck
(Texte aus der Bukowina Bd. 15)
(Rimbaud-Taschenbuch Nr. 10)
Rimbaud-Verlag, Aachen 2002
ISBN 3-89086-744-8
Ilana Shmueli:
Sag, dass Jerusalem ist. Über Paul Celan:
Oktober 1969 – April 1970 Mit Anmerkungen
und einem Nachwort von Gerhard Kurz
Edition Isele, Eggingen 2000. ISBN 3861422026
Der nachfolgende Text über den Dichter Paul Celan ist dem Buch Czernowitz entnommen, mit freundlicher Genehmigung des Autors Helmut Braun, der zugleich Herausgeber ist.
Paul Antschel, der sich später Paul Celan nannte, wurde in der Zwischenkriegszeit geboren, in der unter rumänischer Herrschaft ein schier unaufhaltsamer Niedergang des Lebens und der Kultur in Cernäuti (wie Czernowitz damals hieß) erfolgte. Trotzdem war der Glanz der Stadt noch nicht ganz erloschen, leuchtete das goldene Zeitalter der österreichisch-ungarischen Kultur noch herüber in eine immer tristere Gegenwart.
Celan, aufgewachsen im Spannungsfeld zwischen einem dem Chassidismus nahestehenden Vater und einer musisch interessierten Mutter, fing früh zu schreiben an. Dabei unterschied er sich bereits in seinen Anfängen deutlich von anderen Czernowitzer Dichtern. Sein glanzvoller dichterischer Weg schien vorgezeichnet, wie auch sein beruflicher Werdegang zum Mediziner, den er gegen alle Widerstände mit einem Studium in Frankreich durchsetzen wollte. Der Zweite Weltkrieg und die Shoa beendeten abrupt und entsetzlich diesen Weg.
Celan kehrte nach Czernowitz zurück und musste 1942 die Deportation seiner Eltern nach Transnistrien erleben, wo beide jenseits des Bugs durch Angehörige der SS ermordet wurden. Von diesem Trauma hat sich der Dichter, der selbst in einem rumänischen Arbeitslager überlebte, niemals erholt. Er trug schwer an der vermeintlichen Schuld des Überlebenden, war extrem sensibilisiert, sah sich ständig durch Nazismus und Neonazismus bedroht, erkrankte psychisch und ging, schließlich manisch-depressiv, 1970 in Paris in den Freitod.
Seine Muttersprache war „zur Sprache der Mörder geronnen“, und trotz allem schrieb er an Verwandte in Israel: „Ihr merkt, dass ich versuche, Euch zu sagen, dass es nichts in der Welt gibt, um dessen willen ein Dichter es aufgibt zu dichten, auch dann nicht, wenn er ein Jude ist und die Sprache seiner Gedichte die deutsche ist.“
Schlagartig wurde Paul Celan durch ein Gedicht berühmt, das inzwischen als eines der wichtigsten Gedichte des 2.0. Jahrhunderts verstanden wird, die „Todesfuge“:
Paul Celan
TODESFUGE
SCHWARZE Milch der Frühe wir trinken sie abends wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie
nachts
wir trinken und trinken wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man
nicht eng Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den
Schlangen der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein
goldenes Haar Margarete er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen
die Sterne er pfeift seine Rüden herbei er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab
in der Erde er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich morgens und mittags wir trinken
dich abends
wir trinken und trinken Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den
Schlangen der schreibt Der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein
goldenes Haar Margarete Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein
Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr
anderen singet und spielt er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine
Augen sind blau stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt
weiter zum Tanz auf
b warze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar
Margarete dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den
Schlangen
Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister
aus Deutschland Er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr
als Rauch in die Luft Dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man
nicht eng
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts Wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus
Deutschland Wir trinken dich abends und morgens wir trinken
und trinken Der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge
ist blau
Er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau Ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar
Margarete Er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab
in der Luft Er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist
ein Meister aus Deutschland
dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith
Es wurde wohl kaum ein anderes Gedicht geschrieben, das so eindringlich, nachhaltig, erinnernd und erschütternd von der Shoa spricht, ohne zu versuchen, das Geschehene abzubilden. Selten ist aber auch ein Gedicht so gewollt missverständlich zum „ästhetischen Ereignis“ stilisiert worden wie dieser Text.
Viele Literaturwissenschaftler sehen darin den Höhepunkt der modernen Klassik in der deutschen Lyrik.
Nach ihm war ein Fortsetzen in bisher gewohnten Bahnen nicht mehr möglich. Nur ein Neuanfang in der Lyrik konnte gelingen.
Celans Freitod weckte das Interesse an seinem Leben. „Werk und Biografie konnten nicht mehr länger getrennt betrachtet werden. Damit geriet auch seine Heimat, die Stadt, in der er aufgewachsen war, ins Blickfeld seiner Forscher und Leser.
Stark dazu beigetragen hat die von Israel Chalfen veröffentlichte Biografie seiner Jahre in Czernowitz und Bukarest. In ihr kamen Zeitgenossen zu Wort, die sein Leben dort beschrieben und damit auch sein Umfeld kenntlich machten. Sie gaben der untergegangenen
Stadt und ihren verschwundenen Menschen wieder ein Gesicht.
Werke/Vertonungen:
Xaver Paul Thoma:
Drei Impressionen nach Gedichten von Paul Celan
für zwei Bratschen, opus 22/b (1980)
I Psalm
II Todesfuge
III Schneebett
weitere Informationen unter: http://www.xaverpaulthoma.de/werkverzeichnis/xpt051/xpt051/index.html
Autor:
Helmut Braun
Links (deutsch):
http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Celan
http://polyglot.lss.wisc.edu/german/celan/biblio2
http://www.ub.fu-berlin.de/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/multi_cde/celan.html
http://www.geocities.com/transsylvania/celan.html
http://www.textkritik.de/briefkasten/celan/celan_datiert1934_1954.htm
http://www.hamburger-bildungsserver.de/welcome.phtml?unten=/faecher/deutsch/autoren/celan
http://www.ruedigersuenner.de/paul%20celan.html
http://www.etk-muenchen.de/etk/etk_framemaker.php?content_id=5059&top_nav=literatur
http://polyglot.lss.wisc.edu/german/celan
http://www.inst.at/trans/15Nr/03_6/gutu15.htm
http://www.zeit.de/archiv/2001/13/200113_l-celan.xml
http://www.zeit.de/archiv/2000/48/200048_st-celan.xml
http://www.dla-marbach.de/kallias/hyperkuss/c-9.html
International:
http://amediavoz.com/celan.htm
http://www.poeticas.com.ar/Directorio/Poetas_miembros/Paul_Celan.html
http://www.instaplanet.com/paulcelan.html
http://polyglot.lss.wisc.edu/german/celan/papers/segal.html
http://wings.buffalo.edu/epc/authors/joris/todtnauberg.html
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