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Schumacher, Kurt

H.A.M. 0

Kurt Schumacher
Politiker, Journalist

Geb. 13.10.1895
Gest. 20.8.1952


Kurt SchumacherEin Mensch sein, heißt Kämpfer sein. Wenn dieser Ausspruch des Dichters Johann Wolfgang Goethe je auf einen Politiker zutraf, dann auf Kurt Schumacher, an dem sich Rechte wie Linke rieben. Seine langjährige Mitarbeiterin, die spätere Bundestagspräsidentin Annemarie Renger, schrieb über ihn: „Kurt Schumacher wurde als Sohn eines freisinnigen liberalen Kaufmanns, eines strengen Protestanten aus alteingesessener preußischer Beamtenfamilie in der alten Hansestadt Kulm an der Weichsel geboren. Die Voraussage, daß ein Kind dieser Herkunft eines Tages der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands würde, wäre unter den damaligen Verhältnissen absurd erschienen. Trotzdem traten, wenn man sein Leben heute überblickt, schon in frühester Jugend jene Züge hervor, die seine wirkliche Berufung ahnen lassen“.


Annemarie Renger war Sekretärin, Reisebegleiterin, Vertraute und Krankenschwester für den Schwerbehinderten, der 1914, gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs, sein „Notabitur“ abgelegt und sich als Freiwilliger beim Militär gemeldet hatte. Kurz danach wurde er bei Lodz in Polen verwundet und nach der Amputation eines Armes aus dem Kriegsdienst entlassen. Trotz dieser Behinderung hat er von 1933 bis 1943 Folterungen in den Konzentrationslagern Heuberg, Kuhberg, Dachau und Flossenbürg überstanden: Sein Sehvermögen wird geschwächt durch die Dunkelhaft. Doch nicht sein Wille. Durch einen Hungerstreik erzwingt Kurt Schumacher, dass er nicht mehr im Steinbruch arbeiten muß. Als Schwerkranker wird er nach einem Jahrzehnt KZ entlassen. In Hannover, seinem zugewiesenen Aufenhaltsort, lebt er zurückgezogen bei seiner Schwester Lotte bis zum Ende der Hitlerdiktatur, unterbrochen durch eine erneute, allerdings kurzfristige Verhaftung, denn eine Beteiligung an dem Attentat vom 20. Juli 1944 kann ihm nicht nachgewiesen werden.


Wenn dieser Kurt Schumacher als ein Vorbild in Erinnerung bleiben soll und muß, dann wegen seines Mutes, seiner Gradlienigkeit, seiner Eindeutigkeit gegen Nazis und Kommunisten sowie seines sozialen Engagements. Den Kommunisten gab er die Mitschuld an der Machtergreifung der Nationalsozialisten; den Zusammenschluß von SPD und KPD in der sowjetischen Besatzungszone bekämpfte er vehement. Gleichzeitig versuchte er der SPD eine breitere Basis zu geben, sie zur Volkspartei zu machen, wie man heute sagen würde. Die Mitbestimmung für Arbeitnehmer im Montanbereich (Stahl, Kohle) ist eine Errungenschaft, die der SPD-Vorsitzende und Oppositionsführer Schumacher mit den Sozialdemokraten erreicht hat, allerdings in einer Zeit, als der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer gegen den Widerstand Schumachers weitsichtig die Öffnung nach Westen betrieb sowie den Beitritt der Bundesrepublik zum Europarat, zur Montanunion und zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, dem Vorläufer der Nato.


Schumacher war im besten Sinne des Wortes ein Patriot. Aber kein revanchistischer Nationalist. Das lag gewiss an seiner Prägung in der preussischen Kleinstadt Kulm, die heute zu Polen gehört. Unter den 12.000 Einwohnern gab es zu schon damals mehr Polen als Deutsche. In seiner Abiturklasse standen drei deutsche siebzehn polnischen Schülergegenüber. Schumacher-Biograph Helmut Bärwald schreibt dazu:

„Die Besonderheiten des Zusammenlebens zwischen Polen und Deutschen mußten sich auf das Denken des Schülers auswirken. Dies umso mehr als das evangelische Bekenntnis mit dem deutschen und das katholische mit dem polnischen Bevölkerungsteil weitgehend zusammenfiel. Zwar sind uns aus der Weichselniederung zu jener Zeit keine Volkstumskämpfe bekannt, wie sie etwa in der österreichisch-ungarischen Monarchie gang und gäbe waren, aber auch das dort sichtbare Problem zweier verschiedener Nationalitäten hat zweifellos bereits dem Gymnasiasten klar vor Augen gestanden. Der besondere Eifer, mit dem sich schon der Fünfzehnjährige der Geschichte und der Geographie zuwandte, und die spätere Beschäftigung mit nationalen Fragen lassen darauf schließen, daß die Eindrücke der Jugendjahre zu einem guten Teil das Denken und Handeln des heranwachsenden Menschen mitbestimmt haben.“


Von 1915 bis 1919 studiert Schumacher Rechts- und Staatswissenschaften in Halle, Leipzig und Berlin. 1918 tritt er in die SPD ein und in den ihr verbundenen „Reichsbund der Kriegsbeschädigten“. Er engagiert sich im Berliner Arbeiter- und Soldatenrat und wird nach wissenschaftlicher Hilfsarbeitertätigkeit Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung „Schwäbische Tagwacht“ in Stuttgart, wo er 1924 in den Württembergischen Landtag gewählt wird. Zugleich versucht er, allerdings vergeblich, an der Berliner Universität einen Doktorvater zu finden. Schließlich promoviert er 1926 in Münster mit dem Thema „Der Kampf um den Staatsgedanken in der deutschen Sozialdemokratie“. Der 35jährige wird 1930 einer der jüngsten SPD-Abgeordneten im Deutschen Reichstag, wo er sich als entschiedener Gegner der „Tolerierungspolitik“ der SPD-Parteileitung gegenüber der konservativen Regierung Brüning einen Namen macht. Die Feindschaft der NSDAP zieht er sich spätestens mit einer scharfen Rede im Februar 1932 zu, in der Schumacher die nationalsozialistische Propaganda als permanenten „Appell an den inneren Schweinehund im Menschen“ bezeichnet. Sein Kampf gegen die Nazis trägt ihm ein Jahrzehnt KZ-Aufenthalt ein, gleich nach dem Verbot der SPD im Sommer 1933.


„Kurt Schumacher weigerte sich, trotz dem Rat vieler Freunde, ins Ausland zu gehen. Er konnte sich, teilweise auch in Stuttgart, noch einige Zeit verstecken und auch Kontakte halten. Bei einer seiner Pendelfahrten zwischen Stuttgart und Berlin wurde er am 6. Juli 1933 verhaftet. […] In dieser für uns Sozialdemokraten so bedrückenden Zeit war es für mich und etwa 100 Stuttgarter Funktionäre ein großes Erlebnis, als wir am Pfingstsonntag des Jahres 1933 in einer Waldlichtung oberhalb von Marxzell im Albtal [Schwarzwald, 20 km südöstlich von Karlsruhe] mit Kurt Schumacher zusammenkamen. Dass dies der Sinn unserer ,Fahrt ins Blaue‘ war, erfuhren die meisten der auf ihre Zuverlässigkeit ausgesuchten Genossen und Genossinnen erst am Treffpunkt. Es regnete in Strömen an diesem Sonntag. Kurt Schumacher kam mit Begleitern, die wir nicht kannten. Er sprach zu uns über die völlig veränderte politische Situation, über die Notwendigkeit des Aufbaus der illegalen Arbeit und machte uns Mut mit seiner Meinung, dass dieses Regime nicht von langer Dauer sein werde.“

Helene Schoettle: ,,Wer Hitler wählt, wählt den Krieg“, in: Arbeiterbewegung in Stuttgart 1933. Erinnerungen, Berichte, Dokumente, Tübingen 1984, S. 31, zit. nach: Politischer Widerstand gegen die NS-Diktatur, in: Politik und Unterricht, 2/1994


So unbeugsam, wie er gegen Nationalsozialisten und Kommunisten war, blieb er auch gegenüber den alliierten Besatzungsmächten. Er warf ihnen vor, „einseitig Kandidaten der bürgerlichen Parteien für Schlüsselstellungen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung“ zu bevorzugen. Die französischen Besatzungsbehörden erteilen ihm deshalb sogar zeitweise Redeverbot. Aber in London wirbt er für die Freilassung deutscher Kriegsgefangener und schildert die schlechte Versorgungslage. Das ist auch der Tenor seiner Rede vor Delegierten des amerikanischen Gewerkschaftsbundes in Washington und in Oslo, doch bei den Norwegern stößt Schumacher auf Verständnislosigkeit wegen seiner strikten Ablehnung des Kommunismus und der Sowjetunion.


Kein Wunder, daß ihn die kommunistischen Zeitungen der „SBZ“ verteufelten. Doch auch in den Zeitungen westlicher Länder wurde er abgekanzelt. Im „Servir“ war 1946 zu lesen: Kurt Schumacher ist ein chauvinistischer Demagoge. Die französische „Concorde“ verstieg sich 1947 gar zu der Behauptung: Kurt Schumacher ist ein neuer Hitler. Da wundert man sich nicht mehr über die kommunistische „L’Humanite“, die ihn einen Nazidemagoge und Nationalisten nannte. Als Bürger einer besiegten Nation, die bis dahin ungekannte Verbrechen verübt hatte, bot er mit seiner Vision eines Wiederaufstiegs Deutschlands als einer gleichberechtigten Nation genügend Angriffsflüche. In einer Zeit, in der jegliches Nationalbewußtsein für einen Deutschen verpönt war, bekannte Schumacher:

„National sein ist Ehrensache, international sein ist Aufgabe. Nationalist sein heißt heute Todfeind des deutschen Volkes sein… Der notwendige gute Wille zur internationalen Zusammenarbeit kann nur entstehen auf der Grundlage der nationalen Selbstbehauptung. Eine Zerstörung der deutschen Nation würde hier wie bei allen anderen Völkern der Welt der beste Boden für die Entstehung des Nationalismus sein. Internationale Zusammenarbeit setzt die nationale Geltung aller Beteiligten voraus“.


Autor:

Hajo Jahn


Quelle:

Archiv der Sozialen Demokratie


Links (deutsch):

http://www.fes.de/archiv/2abt/schum-k.htm

http://www.fes.de/fulltext/historiker/00781toc.htm

http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/SchumacherKurt

http://berlin.spd.de/servlet/PB/menu/1017121

http://www.ifdt.de/0203/Artikel/brammer.htm

http://www.dra.de/online/w02-09.htm

http://www.verlagdrkovac.de/3-8300-1391-4.htm

http://www.perlentaucher.de/buch/2691.html

http://www.wennigsen.de/Geschichte-in-Wennigsen/html/geleitworte.html

 

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