Gerty Spies
Pädagogin
Geb. 13.1.1897 in Trier
Gest. 10.10.1997 in München
„Was ist des Unschuldigen Schuld –
Wo beginnt sie?
Sie beginnt da,
Wo er gelassen, mit hängenden Armen
Schulterzuckend daneben steht,
Den Mantel zugeknöpft, die Zigarette
Angezündet und spricht:
Da kann man nichts machen.
Seht, da beginnt des Unschuldigen
Schuld.“
(Gerty Spies: Des Unschuldigen Schuld)
Die Tochter von Sigmund Gumprich, Kaufmann (Herren-Bekleidungs-Maaß-Geschäft N. Gumprich Sohn) und Mundartdichter, wächstin einem jüdisch-freisinnigen-liberalen Elternhaus auf. Nach dem Besuch der Königlichen Höheren Mädchenschule in Trier absolviert sie am Fröbelseminar in Frankfurt/ M. eine Ausbildung als Hortnerin (= Kindergärtnerin). 1918 fällt ihr einziger Bruder – ein für Gerty Spies einschneidendes Erlebnis, das sie später in ihrem Roman Bittere Jugend literarisch verarbeiten wird.
1920 heiratet sie einen Chemiker; die gemeinsame Tochter Ruth wird im darauffolgenden Jahr geboren; ihren behinderten Sohn Wolfgang erwähnt sie lediglich in der autobiografischen Erzählung Selektion in ihrem Buch Drei Jahre Theresienstadt.
1929 geht Gerty Spies mit ihrer Tochter nach München-Schwabing. Die Ehe mit ihrem nicht-jüdischen Mann ist bereits zwei Jahre zuvor geschieden worden, verhilft ihr aber vermutlich unter den Nazis zu jenem sogenannten privilegierten Status, der sie zunächst vor der Deportation in ein Konzentrationslager bewahrt.
Im Juli 1942 wird sie nach Theresienstadt deportiert. Ihre Tochter bleibt in München zurück. Von der Schwerstarbeit in einer Glimmerspalterei, die ihr – als kriegswichtig eingestufte Tätigkeit – erst einmal einen gewissen Schutz vor dem Weitertransport nach Auschwitz bietet, berichtet sie später unter anderem in ihrer Erzählung Das schwarze Kleid.
Das Schreiben hilft Gerty Spies, die Gräuel des Alltags zu überleben. Um in den Bezitz von Papier zu gelangen, übernimmt sie zusätzlich einen Posten als Heizerin, der ihr den Zugang zum Packraum mit dem zum Heizen notwendigen Papier ermöglicht. Ihre Leidensgenossinen und vor allem die Begegnung mit der ebenfalls in Theresienstadt inhaftierten Schriftstellerin Elsa Bernstein ermutigen Gerty Spies, sich mit ihren Gedichten an einem von den Gefangenen organisierten Dichterwettbewerb teilzunehmen, bei dem sie dann auch zu den Ausgezeichneten gehören wird.
1945 kehrt Gerty Spies in das kriegszerstörte München zurück. Von 12 Tausend Münchener Juden haben 200 die Nazi-Diktatur überlebt. Gerty Spies bleibt trotz aller Leiden in Deutschland. Ihre Tochter übersiedelt in die Vereinigten Staaten, wo sie 1963 stirbt: an „innerer Einsamkeit“, wie es die Mutter beschreibt, die ihre eigenen leidvollen Erfahrungen in ihren Gedichten, Erzählungen und autobiographischen Skizzen festgehalten hat.
Seit den 80er Jahren wird das literarische Werk von Gerty Spies verstärkt publiziert. 1984 erscheint Drei Jahre Theresienstadt, 1987 Im Staube gefunden und 1992 Das schwarze Kleid. Ihr Roman von Verfolgung und Überleben im Nationalsozialismus – Bittere Jugend findet erst 1997 einen Verleger. In den 50er Jahren geschrieben, will damals kein Verlag das Werk herausgeben. Begründung: „So schlimm sei es nicht gewesen!“
1986 wird Gerty Spies mit dem Schwabinger Kunstpreis für Literatur ausgezeichnet und 1987 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Seit 1996 verleiht die Landeszentrale für Politische Bildung Rheinland Pfalz den mit 2.500 Euro dotierten Gerty-Spies-Literaturpreis für literarische Arbeiten zu gesellschaftspolitischen Themen.
Ihren einhundersten Geburtstag feiert Gerty Spies im Jüdischen Seniorenheim München.
Quelle:
Renate Wall, Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil 1933-1945, © 2004 Haland & Wirth/ Psychosozial-Verlag, Gießen, ISBN 3-89806-229-5, S. 417ff.
Links (deutsch):
http://www.politische-bildung-rlp.de/angebot/download/d52005.pdf
http://www.literatur-rlp.de/db_suche.php?autor=Spies,%20Gerty
http://www.gcjz-m.de/Geschichte/geschichte_gerty_spies.htm
http://www.literaturhaus.at/buch/fachbuch/rez/wlaschek
http://www.hagalil.com/tacheles/m-tach2.htm#spies
http://www.juedisches-archiv-chfrank.de/kehilot/deutsland/jew-muc45.htm
http://www.marburgnews.de/2003/mn-pol07.php?tag=13
http://www.kunst-und-kultur.de/Museumsdatenbank/show_ausstellung.php/9706
International:
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