Carl Stern
Schriftsteller und Fotograf
Geb. 5.1.1918 in Troppau*
Gest. 25.6.1985 in Jerusalem
„Wenn Wahnbilder Sie bedrängen, so schließen Sie nicht die Augen, sondern versuchen Sie einmal, diese Bilder in sich deutlich werden zu lassen… Auch der Wahnsinn hat seine heilige Seite….“
Nicht Else Lasker-Schüler erhielt diesen Brief von Hermann Hesse, sondern der junge Carl Stern, der ihm anvertraute, mit welcher Akkuratesse seine Familie und von dieser zu Rate gezogene Psychologen sich bemühten, die in ihm wirkende und zum Ausbruch drängende Fantasie als Resultat einer verkappten Nervenkrankheit abzustempeln. – Es ist eine spannende Lebensgeschichte die Tilly Zacharow nach langer Recherche über diesen Exilanten zu Papier gebracht hat: Die Geschichte eines starken Sohnes, der eine noch stärkere Mutter hatte, die ihn aber schließlich schwach machte: Als Jude aus Troppau gehörte er dem deutschen Kulturkreis an. Das in Prag begonnene Jurastudium wurde durch den Einmarsch der Hitler-Wehrmacht an jenem nebligen Morgen des 15. März 1939 jäh unter- und dann abgebrochen. Die Verfolgung der Juden durch die Nazis im okkupierten Land begann. Noch vor seinen zögernden Eltern flüchtete er nach Palästina. An die Auswanderung von Mutter und Vater erinnert er sich: „Ich sehe sie beide noch im Haifaer Hafen stehen, meine Mutter wie apathisch, unbeteiligt, mein Vater verlegen ob all des Fremden.“
Fremd blieb Carl Stern das Stammland der Juden, nicht nur wegen der schwierigen ökonomischen Verhältnisse, Lebensumstände und der Tatsache, dass seine eigentliche Heimat die deutsche Sprache war. Einen Eindruck davon vermittelt das Gedicht, das er der Berlinerin Ingeborg Trautmann-Minter 1983 widmete, als sie sein erstes Buch „Die Begegnung“ rezensierte
Euch mein Vermächtnis
-Für Ingeborg Trautmann-Minter –
Durch all das Verwirrende,
irrend mich weisende,
kleinlich durchjammerte
Labyrinth
eigenes Leidens;
verzweifelnd und doch
ohne Sinn und Sicht –
immer noch gläubig
rang ich mich frei.
Daß andern ich sei
Was ich bin:
Trost und Verheißung
Euch Hoffnung und Glauben
Gleichnis und Kunde
Durch mein Gedicht.
Werke, viele davon autobiografisch und z. T. unveröffentlicht, u.a.: “Vom Tod zur Erfüllung“; „Der Pepi“; „Meinem Vater“: „Mein Frühlingsbild“; „Der Vierzeiler“; „Menschenwrack“ (Lyrik); „Schaljapin in Prag“ – Erzählung, „Sie ist’s“, Lyrik, „Gedichte um Gott“, lyrischer Zuklus – alle in: „Die Begegnung“, 1983, Boesch-Verlag, Berlin; „Erstes Erlebnis“, „Vorüber an allen“ (Lyrik); „Meine Psychiater“ – darin „Ich lasse mich schuldig werden“, 1981, Teil des geplanten, aber unvollendet gebliebenen Werkes – 1982; „Israelische Landschaften“ (ursprünglich „Bilder und Landschaften“, Boesche-Verlag Berlin, 1984; „Doktor Haas“; „Meine Begegnungen mit Schalom Ben Chorin“, 1981, erschienen unter dem Titel „Wandslungen eines Menschenbildes“ in „Der Mann, der Friede hieß“, Bleicher Verlag, Gerlingen, 1983; „Gedichte“, erschienen als Bd. 3 der Mnemosyne-Schriften, Klagenfurt, 1992; „Erzählen und anhören“, etwa 1976; Briefwechsel zwischen Hermann Hesse und Carl Stern – nachzulesen im Suhrkamp-Taschenbuch 211, Ausgewählte Briefe, S. 168/9; verschiedene Beiträge in der Internationalen Literaturzeitschrift „Silhouette“, Berlin, 26 Nummern bis 1990; „Ich singe gegen dich, lächelnde Wand“ „Einje letzte Erinnerung an meine Mutter“, 1981; „Einer Pantherin gleichst du“, „Hymnen an den Tod“ (Gesamtzyklus in “Ich bin der Welt abhanden gekommen“, Boesche-Verlag Berlin-Haifa, 2003, „Wunder des Geigenspiels“, „Liccis Bild“, „Die Gnade“.
*Troppau war damals die so genannte „Hauptstadt“ von Österreich-Schlesien, die ab 1919 zur Tschechoslowakei gehörte.
Autor:
Hajo Jahn
Literaturhinweis:
Tilly Zacharow „Ich bin der Welt abhanden gekommen. Leben und Werk des Dichters Carl Stern aus Jerusalem“, 304 Seiten, gebunden M. u. N. Boescher Verlag, Berlin – Haifa, € 16,50, ISBN 3-923809-75-1
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