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Daghani, Arnold

H.A.M. 0

Arnold Daghani (Dagani) (eigtl. Arnold Korn)
Maler und Schriftsteller


Geb. 22.2. 1909 in Suczawa/ Österreich-Ungarn
Gest. 6.4. 1985 in Hove/ Großbritannien


Arnold Korn wird in einer deutschsprachigen jüdischen Familie in der Bukowina geboren, an der damaligen Ostgrenze der österreichisch-ungarischen Donaumonarchie. Anfang der dreissiger Jahre zieht er nach Bukarest und legt sich dort auch mit dem Namen Dagani – abgeleitet von dagan, dem hebräischen Wort für Korn – eine neue Identität zu. Die Ende der 50er Jahre in Israel fälschlich verwendte Schreibweise mit „h“ hat er dann später beibehalten. „Wie er in einem Brief (heute im Archiv des Kunstmuseums von Konstanz) erwähnt, steht das „h“ nach den Worten seines Bruders Manfred ‚für Glück (Happiness), Heil, Hoffnung und Harmonie, es ist also wie ein Amulett.'“ *)


Auf Wunsch seiner Eltern nimmt er ein Wirtschaftsstudium auf. Ende Juni 1940 heiratet Daghani Anisoara Rabinovici (genannt Anna, Kosename Nanino). Wenige Monate später wird ihr Haus in Bukarest bei einem Erdbeben schwer beschädigt und die Eheleute übersiedeln – nicht zuletzt auch vor den zunehmenden antisemtischen Pressionen in Rumänien – in die mittlerweile von der Sowjetunion besetzte Nordbukowina, wo sie sich in Cernaut (dem früheren Czernowitz) niederlassen.


Hier arbeitet Daghani zuerst als Spielzeugmacher. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und der rumänischen Rückeroberung im Juni 1941 dürfen Juden jedoch nur noch niedere Arbeiten ausführen. Das Ehepaar wird im Sommer 1942 in das Arbeitslager Michailowka, westlich des Bugs, deportiert. Im selben Lager stirbt die jüdische Dichterin Selma Meerbaum-Eisinger wenige Monate später im Alter von gerade einmal 18 Jahren.

Die Eheleure Daghani müssen für eine der Nazi-Organisation Todt unterstellte Baufirma an der Durchgangsstraße IV, einem strategisch wichtigen Versorgungsweg zwischen dem besetzten Polen und der südlichen Ukraine, Zwangsarbeit leisten. Schriftlich und in Zeichnungen hält Arnold Daghani die Ereignisse jener Zeit fest. Eine erste Textfassung jener Aufzeichnungen aus dem Lager erscheint 1947 auf Rumänisch, drei weitere 1961 in Englisch.


Paradoxerweise hat er es zwei rumänischen Geheimpolizisten zu verdanken, daß er seinen Aquarellkasten mit ins Lager genommen hat: mit dem Deportationsbefehl in der Tasche kommen sie in seine Wohnung und nötigen ihn, Malkasten und Skizzenbuch mitzunehmen. Dies sollte ihm das Leben retten…


Im Lager Michailowka wird Daghani als Künstler bekannt. Sogar mancheWachposten lassen sich von ihm (heimlich) porträtieren, der Pfarrer besorgt ihm das Schreibpapier für Aquarelle. Für die leitenden Ingenieure der Firma Dohrmann soll er im 20 km entfernten Gaisin ein Adlermosaik anfertigen. Er besteht darauf , diese Arbeit mit seiner Frau zusammen auszuführen und kann – mit Hilfe eines ukrainischen Schusters – nach Transnistrien fliehen, das der rumänischen Zivilverwaltung untersteht. Im Ghetto von Berschad sind Arnold und „Anna“ nun erst einmal halbwegs sicher.


Wenige Monate später wird das Lager von Partisanen angegriffen. Einige Häftlinge können fliehen, die meisten jedoch werden ins nahegelegene Tarasiwka gebracht und dort von der SS ermordet. Die Erinnerung an seine getöteten Leidensgenossen wird Arnold Daghani zeit seines Lebens nicht mehr loslassen und ihn immer wieder in tiefe Schuldgefühle und Albträume stürzen.


Während der Monate seines Aufenthaltes in Berschad setzt er seine Arbeit als Zeichner und Maler fort. Daghanis Bilder zeugen vom Alltag in den Straßen und auf dem Markt des Ghettos. Allerdings sind derlei künstlerische Aktivitäten von seiten der Lagerverwaltung nicht erlaubt, ja, streng verboten.


Ende Dezember 1943 können die Eheleute Daghani mit Hilfe des Roten Kreuzes nach Bukarest zurückkehren. Der Künstler überlebt Kriegsgräuel und Nationalsozialismus. Nach Gründung der Volksrepublik Rumänien 1948 wird das kulturelle Leben im Land vom sozialistischen Realismus bestimmt. Bis zu seiner Emigration im Jahre 1957 weigert sich Daghani jedoch beharrlich, im offiziell vorgeschriebenen Stil zu arbeiten und dem Künstlerverband beizutreten. Auf einem Selbstporträt von 1949 notiert er: „Ich habe ein abgesondertes Leben geführt, nur für mich gearbeitet. Kein Führungskomitee, kein Sozialistischer Realismus, keine Unterordnung unter die Parteilinie.“ Er darf nicht öffentlich ausstellen, verdient sich in dieser Zeit seinen Lebensunterhalt als Englisch-Lehrer und zeichnet heimlich das Alltagsleben der Menschen in seiner Umgebung.


Mitte der 50er Jahre wird in Rumänien die Auswanderung nach Israel liberalisiert, und 1958 schließlich erhält das Ehepaar Daghani die Ausreisegenehmigung. Innerhalb von fünf Tagen müssen sie mit einem certificate de voyage das Land verlassen. An die neunhundert Zeichnungen und Gemälde Arnold Daghanis bleiben zurück.


Aber auch das Leben im Westen erweist sich für den Künstler sehr bald als enttäuschend, da er nicht die erhoffte Beachtung findet und – abgesehen von einer Präsentation seiner Werke in der französischen Botschaft in Tel Aviv – die versprochenen Ausstellungen auf sich warten lassen. Daghani und seine Frau sind immer wieder gezwungen, umzuziehen und führen ein Leben in ständiger finanzieller Unsicherheit.

1960 verlassen beide, nach nicht einmal zwei Jahren, Israel, halten sich vorübergehend bei Annas Schwester Carola, einer Pianistin, in London auf, wohnen für kurze Zeit bei einer reichen Freundin in der Nähe von Zürich – und sind doch nirgendwo zu Hause. Als ihre israelischen Pässe ablaufen, gelten sie offiziell als staatenlos, ziehen jedoch für fünf Jahre, mit anfänglicher Unterstützung einer Stiftung, ins südfranzösischen Vence, wo man hofft, an die dortige Kulturszene Anschluß zu finden, die von namhaften Künstlern wie Picasso, Chagall und Matisse beherrscht wird.

In dieser Zeit entstehen unter anderem zahlreiche Collagen – von Daghani Verfremdungen genannt – , in denen Teile von Fotografien zu Gestalten und Objekten arrangiert werden. Der Charakter dieser Werke spannt einen Bogen von Witz und Ironie bis zur Satire. Daghani verbindet Wort und Bild, verknüpft Zeichnungen mit Gedichten und kurzen Texten zu so verschiedenen Themen wie den Liebesgedichten Ovids, dem Zirkus, den Zehn Geboten und dem Raumfahrtzeitalter.


Obgleich seine Werke in dieser Zeit Beachtung finden, er einen Kreis von Bewunderern um sich scharen kann und mittlerweile im Besitz einer unbegrenzten Aufenthaltserlaubnis für Vence ist, fühlt sich Daghani in der dortigen Künstlerszene zunehmend unwohl und läßt sich schließlich mit seiner Ehefrau 1977 im südenglischen Hove nieder. Sein Gesundheitszustand wird immer schlechter, er leidet unter Depressionen und Parkinson, arbeitet aber trotz seiner zunehmenden Beschwerden weiter, indem er – wie auch schon in früheren Wohnungen – nicht nur die Wände, sondern auch Mobiliar und Lampenschirme, Badezimerfliesen und Glastüren mit seinen Werken bedeckt. Arnold Daghani stirbt – knapp ein Dreivierteljahr nach dem Tod seiner Frau Anna – im Alter von 76 Jahren in einem Pflegeheim.


*) hier zitiert aus: Deborah Schultz: Der Künstler Arnold Daghani, in: Helmut Braun und Deborah Schultz (Hrsg.): Der Maler Arnold Daghani, zu Klampen!-Verlag, Springe 2006, ISBN 3-934920-55-1, S. 9


Links (deutsch):

http://www.kirche-hannover.de/media/ad2cda6c5ecb54d6e9cf9307ec126a49.pdf


International:

 

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