Stefan Großmann
Journalist und Schriftsteller
Geboren am 18. Mai 1875 in Wien
Gestorben am 31. Januar 1935 in Wien (im Exil)
„Einer der Wenigen, die mutig die Feder rühren“ urteilte sein prominenterer Schriftstellerkollege Alfred Polgar über Stefan Großmann. Die globalisierte Internetgeneration kennt den fast gleichnamigen, in der Schreibweise anglisierten Stefan Grossman, Blues-Musiker mit eigenem Plattenlabel. Aber „unser“ Vorbild gilt es wiederzuendecken, ihn muss man lesen. Und das ist so, wie der Titel seiner Lebensgeschichte lautet, 2009 in der Reihe „Biblikothek Bücherverbrennung“ der WB Verlagsgruppe erschienen: „Ich war begeistert“.
„Das Leben ist eine Gelegenheit, sich die Welt anzuschauen“. Dieser tiefsinnige Satz eines unbekannten Caféhausphilosophen wurde zum Leitmotto des Journalisten Stefan Großmann, dem Gründer der Volksbühne. Bewundernswert der Mut von Verleger Rudolf Wolff, die „Lebensgeschichte“ dieses Publizisten aus dem Jahr 1930 jetzt neu herauszugeben, wo doch die wenigsten von uns exilierte Autoren wie Stefan Großmann kennen. Dabei gehörte „das Kind Wiener Eltern, und das bedeutet ein Schicksal“ zu den renommiertesten Schreibern der Weimarer Republik, bewundert von Karl Kraus, gehasst, verfolgt von den Nazis. Selbstkritisch, ohne falsche Koketterie, vermerkt Großmann bereits im Vorwort, dass in die Schilderung seines Lebens „etwas Hochmut einfließt“:
„Ich bin der Sohn verarmter Wiener Bürger. Ich habe mit 17 Jahren angefangen, mein Brot zu verdienen, und ich habe nie einen Pfennig geerbt. Und dennoch habe ich niemals, niemals, irgendeine Zwangsarbeit getan. Jede Arbeit habe ich mit Freude getan.“ Vielleicht ist das auch die Erklärung, seine bis zu 17stündige Arbeit als „Spiel“ empfunden zu haben, der Schlüssel zu seiner ironischen Haltung etwa gegenüber der Kriegszensur für Journalisten im Ersten Weltkrieg, über die er witzig bis sarkastisch berichtet und erschreckend deutlich macht, wie eng die Grenzen der Pressefreiheit „eingebetteter“ Journalisten war und immer noch ist. Er schildert die Attrappen in den Schaufensters des Kaiserreichs und die der Zeitungen: „Nachrichten, die keine waren, Reflexionen für die Auslagefenster des Gutgläubigen. Die Korrespondenten in Lugano, Kopenhagen, Stockholm verschwendeten Tag für Tag ein kleines Vermögen für Depeschen, die, wenn sie wichtig waren, dem Rotstift erlagen.“ Großmanns „Zensurbuch für die deutsche Presse“ hatte die Nummer 3824, in dem es unter F wie Frieden heiß: Durch Friedensartikel wird die moralische Wirkung unserer Waffenerfolge nur abgeschwächt“. Oder U: „Wir führen keinen rücksichtslosen U-bootkrieg, sondern einen ungehemmten und uneingeschränkten.“
Großmann ist ein feiner Beobachter vor allem von Menschen. Das macht dieses Buch mit seinen vielen, faszinierenden Geschichten lesens- und liebenswert. Und weil das Brevierformat handlich ist, zu empfehlen auch auf Reisen, im Urlaub.
Schon früh „kristallisierte sich bei Großmann die Sympathie für die Notleidenden heraus, die ihn zu einem politisch denken Menschen machten“, schreibt Verleger Wolff im Nachwort zu „Ich bin begeistert“. Und er bedauert, dass es (noch?) nicht den zweiten Band gibt, in dem Stefan Großmann „genauso scharfsichtig die Zeit des Aufstiegs des Nationalsozialismus dokumentiert.“
Die publizistischen Kettenhunde der Nazis hatten sich schon früh die Zähne an Großmann gewetzt: „Dieser freche Jude gehört nicht etwa vor einen Richter gezogen und zur Geldstrafe verdonnert, sondern wegen Förderung französischer Interessen und Verhöhnung des um sein Dasein ringenden deutschen Volkes zum Tode durch den Strang verurteilt. Auch dann sogar, wenn man sagen muß, dass ein Strick noch zu schade ist für ihn“, so der „Völkische Beobachter“ im April 1923. Sein journalistischer Konkurrent – wenn es denn eine Konkurrenz war – hasste und kritisierte ihn in der berühmten zeitschrift „Die Fackel“ ebenso wie er ihn bewunderte.
Dazu noch einmal Rudolf Wolff:
„Den Respekt, den ihm Karl Kraus zeit seines Lebens zollte, konnten die Nationalsozialisten zu keiner Zeit aufbringen. Folgerichtig wurden die Werke Großmanns später ein Opfer der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen. 1933 wollten die Nazis Stefan Großmann verhaften. Doch ein gnädiges Schicksal ersparte ihm Folter und KZ-Aufenthalt: Großmann war zu dieser Zeit bereits todkrank, die SA-Leute sahen von einer Verhaftung ab, zwangen ihn allerdings dazu, Deutschland zu verlassen. Großmann kehrte zurück nach Wien. Dort starb er 1935.“
Großmann hat ein umfangreiches Oeuvre hinterlassen, das heute jedoch weitgehend unbekannt ist.
Autor:
Hajo Jahn
Werk:
Stefan Großmann: „Ich war begeistert. Eine Lebensgeschichte“. 370 Seiten, Paperback, Bibliothek Bücherverbrennung, WFB Verlagsgruppe, ISBN 978-3-86672-301-6. Leseprobe von Großmann über Libreka im Internet.
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