Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Langensiepen, Friedrich

H.A.M. 0

Friedrich Langensiepen

Pfarrer, Widerstandskämpfer

Geb. am 29. November 1897 in Herzogenrath
Gest. am 6.Mai 1975 in Rheinbach

friedrich_langensiepe2.pngAls der Erste Weltkrieg bereits tobte, die Begeisterung sich längst abgekühlt hatte, wurde an der mörderischen Front jeder junge Mann gebraucht. Deshalb war der Gymnasialabschluss für Jugendliche wie für Friedrich Langensiepen ein schnell durchgezogenes Notabitur. Ab ging es in die Schützengräben. Von 1916 bis 1918. Die traumatischen Erfahrungen dürften neben seinem tiefen Glauben die Wurzeln seines mutigen Widerstands gegen den Hitlerstaat gewesen sein, denn dass der Diktator wieder einen Krieg anzetteln würde, kündigte sich zwischen den Zeilen seinen Hassreden und Veröffentlichungen bereits an.


Der Heimkehrer Langensiepen studierte von 1918 bis 1922 Theologie in Göttingen, Bonn, Tübingen und Bethel. Nach dem Ersten Theologisches Examen erhielt er eine Anstellung als Vikar in Düsseldorf. Es folgten, entsprechend der kirchlichen Laufbahn, Zweites Theologisches Examen und Ordination (1924). Als Hilfsprediger, ja, so hieß das wirklich, war Friedrich Langensiepen von 1924/25 im Duisburger Raum und bis 1926 in Andernach angestellt, bevor er 13 Jahre lang Pfarrer in Gödenroth im Kirchenkreis Simmern-Trarbach (Hunsrück) tätig war. Die dortige rein evangelische Bevölkerung war bald in Gegner und Anhänger ihres Pfarrers gespalten – die Gegner, Nazis oder Mitläufer, verfolgten ihn mit  Schikanen, Denunziationen und Beschwerden an NSDAP und Amtskirche, die ihren widerspenstigen Bruder  schließlich in den Wartestand versetzte.

Vorangegangen aber war ab 1934 seine Berufung in den Rheinischen Bruderrat der Bekennenden Kirche, hervorgegangen aus der „Barmer Bekenntnissynode“ : Vom 29. bis 31. Mai 1933 hatte die in Wuppertal-Barmen  tagende Synode der Bekennenden Kirche u. a. die „Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche“ formuliert und verabschiedet. Das sogenannte „Barmer Bekenntnis“ enthält Leitsätze für eine Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Kirchenregiment und dem Anspruch des totalitären Staats.

friedrich_langensiepen.pngAber totalitäre Staaten dulden keinen Widerstand. Im Dezember 1937 wurde Friedrich Langensiepen verhaftet und in einem Sondergerichtsverfahren wegen Verweigerung der kirchenamtlichen Kollekte angeklagt.

Auch im Rheinischen Bruderrat, dem Leitungsgremium der Bekennenden Kirche, war Langensiepen unbequem und beharrlich, weil er andere Ziele dieses Gremiums für richtiger und wichtiger hielt als die Mehrheit, wie aus folgendem Zitat aus einer Denkschrift hervorgeht, die Langensiepen 1936 geschrieben hatte:

„Es ist nicht zu erwarten, dass die Bekennende Kirche die Trennung der Kirche vom Staat betreibt. Sie bangt im Gegenteil um Ihre Stellung als Körperschaft öffentlichen Rechtes und um ihr Kirchensteuerrecht.“

Da sich keine Möglichkeit einer Einigung abzeichnete, legte Langensiepen 1939 zunächst seine Ämter nieder und nahm sie erst wieder auf, als die Synode der Bekennenden Kirche ihren Gemeinden den Weg frei gab, als Freikirche weiter zu bestehen.

Friedrich Langensiepen war es ein Anliegen, dass der Staat nicht in innerkirchliche Bereiche eingreift. Konsequent verweigerte er an Hitlers Geburtstag die Kirchenglocken zu läuten oder das Gotteshaus aus nichtkirchlichem Anlass zu beflaggen. Es war für ihn auch selbstklar, als Pfarrer den verlangen Treueid auf Adolf Hitler abzulehnen. Von der Kanzel warnte er vor propagandistischen Heilsversprechen und Aussagen des Staates, die der Bibel widersprachen. Beispielhaft dafür  sind seine Israelpredigten von 1933.

Gemäss dem Ordinationsgelübde  sah Friedrich Langensiepen sah seine Pflicht als Seelsorger darin, die Glaubwürdigkeit des Wortes Gottes kompromisslos zu vermitteln und selbst vorzuleben, um glaubwürdig zu sein. Die Frage nach der Glaubwürdigkeit seiner Kirche und seiner Amtskollegen , von denen ja allzuviele das Regime stillschweigend hinnahmen oder sogar unterstützten, stellte er immer wieder, fast provokant. Konflikte, verknüpft mit erheblichen Risiken und Gefahren für sich selbst und seine Familie, waren unvermeidlich, wie Günther van Norden in einer lesenswerten Biographie dieses eindrucksvollen Geistlichen im Inneren Exil beschrieben hat: Etwa beim Versuch, zusammen mit seinem Amtsbruder Karl Ippach aus Baden-Baden, verfolgte Juden vor dem KZ zu retten. Das Vorhaben wurde von Schweizer Behörden durch Zurückweisung an der Grenze verhindert, was einem Todesurteil gleichkam.

Politischen Gefangenen aus den Niederlanden half Langensiepen entgegen dem Verbot mit lebenserhaltenden Medikamenten und Nahrungsmitteln. Ein weiteres Beispiel für den mutigen Einsatz war Langensiepens Versuch, die Verhaftung seines Amtsbruders Paul Schneider zu verhindern. Dieser Pfarrer ging in die Annalen der Bekennenden Kirche als „Prediger von Buchenwald“ ein – in diesem Konzentrationslager wurde der Kollege 1938 ermordet. Die Predigt bei der Beerdigung hielt Friedrich Langensiepen.

Überraschend war der Ausgang des Unrechtsverfahrens gegen Langensiepen im Jahre 1937. Es endete rechtstaatlich. Mit Freispruch. Doch diese Freiheit mündete bald im Zwangsdienst als Soldat, allerdings nur von August bis Oktober 1939: Das Rheinische Konsistorium der Evangelischen Kirche versetzte den unbequemen  Querdenker von 1940 bis 1945 in den Wartestand. Aber das war kein Däumchendrehen: Von 1940 bis 1944 wirkte er als Studentenpfarrer und Stadtmissionsinspektor in Bonn und im Nebenamt Seelsorger im Zuchthaus in Siegburg.

Von 1946 bis 1950 wirkte dieser mutige Geistliche als Pfarrer in Saarbrücken, wo er sich ebenfalls als unbeugsamer Verfrechter seiner Ideen erwies, deshalb ehrenvoll aus dem Kirchendienst entlassen und in den Staatsdienst übernommen wurde, um im Zuchthaus Rheinbach von 1951 bis 1962 als Seelsorger zu wirken. Glaubwürdig bis zur Pensionierung. Weil er Eigenverantwortung in schwerer Zeit beispielhaft vorgelebt hat.

Literatur :
Günther van Norden: Friedrich Langensiepen: Ein Leben in Deutschland zwischen Pfarrhaus und Gefängnis; Stuttgart: Kreuz, 2006; ISBN 3-7831-2690-8
Simone Rauthe: „Scharfe Gegner“. Die Disziplinierung kirchlicher Mitarbeitender durch das Konsistorium der Rheinprovinz und seine Finanzabteilung von 1933 bis 1945; Bonn: Dr. Rudolf Habelt, 2003; ISBN 3-7749-3215-8
Günther van Norden, Klaus Schmidt: Sie schwammen gegen den Strom. Widersetzlichkeit und Verfolgung rheinischer Protestanten im „Dritten Reich“; Köln: Greven, 20062; ISBN 978-3-7743-0382-9

Autor:
Hajo Jahn

Weblink:  

Quellen:
 
Günther van Nordens Buch „Friedrich Langensiepen…“ und Wikipedia.

Die Kommentare sind deaktiviert.