Margarete Berent
Rechtsanwältin
Geb. am 09.07.1887 in Berlin
Gest. am 23.06.1965 in New York
„Ich habe eine ausreichende Lebensgrundlage nachhaltig nicht erlangt.“ M. Berent, November 1959; Kanzleianschrift: Goltzstraße 34, Berlin-Schöneberg/ Hallesches Ufer 14, SW 11. Letzte Anschrift: Spichernstraße 4, Wilmersdorf.
Margarete Berent war die Tochter des Kaufmanns Max Berent und seiner Frau Natalie geb. Gabriel. Im Alter von 19 Jahren legte sie bereits ihr Examen für Lehrerinnen an mittleren und höheren Mädchenschulen ab; ein Jahr später – 1910 – bestand sie das Abitur am Königstädtischen Realgymnasium in Berlin. Im Anschluss studierte sie Jura – bis 1913. 1914 schloss sie das Jurastudium mit der Promotion ab. Für ihre Dissertation „Die Zugewinnstgemeinschaft der Ehegatten“ erhielt sie das Prädikat magna cum laude (1915 veröffentlicht als Heft 123 von Gierkes Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte; die Dissertation ist eine der Grundlagen für die sehr viel später, nämlich erst 1958, erfolgte gesetzliche Umgestaltung des ehelichen Güter- und Erbrechts).
Sie konnte weder Richterin noch Rechtsanwältin werden, da sie als Frau nicht zum Staatsexamen zugelassen wurde, daher betätigte sie sich als „juristische Hilfsarbeiterin“ in Anwaltsbüros und in Rechtsschutzstellen für Frauen in Berlin-Charlottenburg, dann als juristische Dezernentin bei der AEG. Ab 1917 war sie ebenfalls als juristische Dezernentin beim Zweckverband Groß-Berlin – nach Schaffung der Gemeinde Groß-Berlin – bei der Stadtgemeinde angestellt. In der jungen Weimarer Republik wurde 1919 durch Verfügung des Preußischen Justizministers die Zulassung von Frauen zum Referendarexamen möglich. Margarete Berent legte kurz darauf, am 22. Dezember 1919, ihr Erstes Staatsexamen mit dem Prädikat „gut“ ab.
1921 wurde sie zum Referendariat zugelassen. Schon vor dem Assessor-Examen wurde sie in den Deutschen Juristentag aufgenommen. Nach vier Jahren, 1925, legte sie ihr Zweites Staatsexamen ab. Vierzehn Tage später, am 7. März 1925, wurde sie als Rechtsanwältin bei den Berliner Landgerichten und beim AG Berlin-Mitte zugelassen – als erste Anwältin Preußens. „Ich war der zweite weibliche Rechtsanwalt in Deutschland…“, wird sie später schreiben.
„Die Anwaltspraxis bildete 1933 die Grundlage meiner Existenz. Es war mir gelungen, sie so weit zu entwickeln, dass ich ein eigenes Büro aufrechterhalten konnte und ein angemessenes Anwaltseinkommen hatte und wiederholt Auslandsreisen machte. Ich mag erwähnen, dass ich Vertrauen, Ansehen und wachsende Anerkennung genoss. Ich war bis 1933 im Beirat des Bundes Deutscher Frauenvereine, war Vorsitzende des Juristinnen-Vereins, bis ich den Vorsitz im März 1933 niederlegte… Ich wurde vielfach zu Vorträgen und Kursen in Berlin und auswärts von Organisationen und behördlichen Stellen aufgefordert. Ich sprach wiederholt im Rundfunk, u.a. in Hamburg und in einem Zyklus über Familienrecht für das Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht über den Sender Königs Wusterhausen.“ (aus der Entschädigungsakte)
Daneben war sie bis 1933 Dozentin für Rechtsfragen an der Sozialen Frauenschule von Alice Salomon bzw. der Akademie für Soziale und Pädagogische Frauenarbeit, Mitglied im Soroptimist Club (internationale Organisation für berufstätige Frauen) und Mitbegründerin des Deutschen Akademikerinnen-Bundes.
Die Fülle des neben- bzw. ehrenamtlichen Engagements – in reinen Frauenverbänden wie in gemischten berufständischen Verbänden – veranschaulicht, dass sich Margarete Berent bewusst in Gruppen begab, um für eine selbstverständliche Anerkennung von Frauen in allen Berufen, vor allem aber in der Jurisprudenz, zu streiten. Da war es nur ein kleiner Schritt, die gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung der Frau allgemein anzustreben. Margarete Berent bemühte sich um dieses Ziel sowohl in Gremien, aber auch durch ihre fachspezifische berufliche Ausrichtung, das Familienrecht.
Zusätzlich war sie innerhalb der Jüdischen Gemeinde Berlins Mitglied der Repräsentantenversammlung und gehörte dem engeren Rat des Landesverbandes Preußischer Synagogengemeinden an.
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde politisch die Ausgrenzung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte jüdischer Herkunft verfolgt. Am 19. Juni 1933 wurde Margarete Berents Zulassung „gelöscht“, weil sie nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom 7. April 1933, als „nicht arisch“ galt und für sie als Frau die darin formulierten Ausnahmeregelungen nicht in Betracht kamen. Als Frau konnte sie weder Frontkämpfer noch vor 1914 zugelassen gewesen sein. Als Jüdin wurde sie – wie alle (bis auf eine Ausnahme) anderen jüdischen Rechtsanwältinnen – mit Berufsverbot belegt.
Von Sommer 1933 bis November 1939 arbeitete sie für die Zentralwohlfahrtstelle der deutschen Juden in Berlin und Köln.
Ab Sommer 1938 bemüht sie sich um die Emigration in die USA, lässt sich beim Konsulat für ein Einreisevisum registrieren. Doch wegen des großen Andrangs kommt ihre Wartenummer nicht zum Aufruf; daher sucht sie Zuflucht in einem anderen Land, um dort die Erteilung des Visums für die USA abzuwarten. Am 30. November 1939, also bereits nach Kriegsbeginn, verlässt sie Deutschland. Sie reist über Basel nach Genua, schifft sich dort auf der S.S. Augustus nach Chile ein, wo sie am 28. Dezember 1939 in Valparaiso ankommt. Ein gutes halbes Jahr, bis Ende Juli 1940, lebt sie in Chile. Ihren Lebensunterhalt verdient sie als Sprachlehrerin. Dann gelingt es ihr doch noch, ein US-Visum zu erhalten. Sie verlässt Chile und gelangt am 20. August 1940 nach New York.
Die Vereinigten Staaten und die quirlige Metropole haben nicht auf die erste Rechtsanwältin Preußens gewartet. Dennoch bleibt sie in New York, hier gibt es ein dichtes Netzwerk von Hilfsorganisationen und Emigrantengemeinschaften. Margarete Berent lebt von Hilfsarbeiten, jobbt als Haushaltshilfe und im Postversand. 1942 beginnt sie erneut ein Jurastudium, überwiegend im Abendstudium, da sie nebenbei weiter arbeiten muss (sie wird zugleich finanziell von Verwandten unterstützt). 1945 bis 1950 arbeitet sie als „Law Clerk“ in einer Anwaltskanzlei in New York. 1948 besteht sie ihr Examen ‚Bachelor of Laws‘ an der New York University Law School, 1949 das ‚Bar Examen‘ des Staates New York. 1950 lässt sie sich hier, mittlerweile im 63. Lebensjahr, als Rechtsanwältin nieder, das Einkommen bleibt gering. 1953 bis Ende 1959 (wegen Auslaufen des Vertrags) ist sie als Junior Attorney bei der Rechtsabteilung der Stadt New York angestellt.
Margarete Berent ist nicht nach Deutschland zurückgekehrt, vielleicht war die Tatsache, dass ihr Bruder und dessen Familie in Auschwitz ermordet worden sind, der Grund dafür.
Margarete Berent hat nie geheiratet, keine Kinder bekommen. Nur wenige Juristen sind in der Emigration ihrem Beruf treu geblieben. Bei den meisten war das Trauma, Unrecht am eigenen Leib erfahren zu haben, zu groß. Margarete Berent blieb bei der Juristerei. Doch diese Passion verschaffte ihr keine adäquate materielle Absicherung. Sie starb kurz vor ihrem 78. Geburtstag in dem Land, das ihr Schutz vor Verfolgung geboten hatte, den USA.
Autorin:
Dr. Simone Ladwig-Winters
In der Goltzstraße 34 in Berlin, wo sich die Kanzlei der ersten preußischen Anwältin befand, wurde 2003 eine Gedenktafel angebracht.
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