Hans Siemsen
Schriftsteller und Journalist
Geb. 27.03.1891 in Mark bei Hamm in Westfalen
Gest. 23.06.1969 in Essen
Er war ein Pionier der deutschen Filmkritik. Der gelernte Buchhändler studierte ab 1912 in München kurze Zeit Kunstgeschichte. Bereits 1913 zog es ihn nach Parisw, das später seine erste Exilheimat werden sollte auf den Weg ins amerikanische Asyl.
Hans Siemsen stammt aus einer Pastorenfamilie und war in Osnabrück aufgewachsen. Dort erinnert auf dem Friedhof, wo er neben seinen Eltern und den Geschwistern Anna und August Siemsen begraben ist, eine Gedenktafel an den ungewöhnlichen Autor. Sein etwas provokantes Pseudonym war „Pfarrer Silesius“. Provokant, weil er homosexuell war. Sein Nachlass wird heute im „Schwulen Museum Berlin“ verwahrt. Denn er war auch ein Pionier im Kampf für die Abschaffung des § 175 des deutschen Strafgesetzbuches.
Dieser unwürdige „Schwulenparagraph“ existierte 123 Jahre vom 1. Januar 1872 bis 1994. Er stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Insgesamt wurden etwa 140.000 Männer nach den verschiedenen Fassungen des § 175 verurteilt. 1935 verschärften die Nationalsozialisten den § 175, unter anderem durch Anhebung der Höchststrafe von sechs Monaten auf fünf Jahre Gefängnis. Darüber hinaus wurde der Tatbestand von beischlafähnlichen auf sämtliche „unzüchtigen“ Handlungen ausgeweitet. Der neu eingefügte § 175a bestimmte für „erschwerte Fälle“ zwischen einem Jahr und zehn Jahren Zuchthaus. Die Steigerung dieser Strafen waren die Konzentrationslager, wo die „175er“ einen rosa Winkel an ihrer Häftlingskleidung tragen mussten.
Hans Siemsen schrieb Essays, Romane, Gedichte, unter anderem auch poetisch-erotische „Jungensgeschichten“. Doch nicht nur wegen seiner homosexuellen Publikationen, sondern auch wegen seiner politischen Stellungnahmen als Sozialist und Gegner der Todesstrafe musste er Hitler-Deutschland 1934 verlassen. Im Exil schrieb er den Roman „Die Geschichte des Hitlerjungen Adolf Goers“, in dem es um die latente Homosexualität in der Jugendorganisation der Nazis ging.
„Provokativ wie polemisch legte er sich nicht nur mit der professionellen Filmkritik und der Filmindustrie an, früh beschwor Siemsen auch die gesellschaftliche Verantwortung der neuen Medien Rundfunk und Film.“
So steht es im Klappentext des jüngsten Buches über ihn. Weiter heißt es darin:
Hans Siemsen machte sich als Chronist seiner Zeit und als streitbarer Theater- und Filmkritiker in der Weimarer Republik sehr bald einen Namen. Er war Mitarbeiter der »Weltbühne«, Redakteur des »8 Uhr- Abendblatts« und anderer Zeitungen und Kulturzeitschriften. Als Erzähler beherrschte er die »kleine Prosaform«. Sein Interesse galt daneben auch der bildenden Kunst: Er beriet den Galeristen Alfred Flechtheim und war der Bildhauerin Renée Sintenis in enger Freundschaft verbunden. Als einer der Ersten machte er auf Charlie Chaplin aufmerksam. Besondere Wertschätzung brachte er der Schauspielerin Asta Nielsen entgegen. Sein politischer Realismus machte ihn zu einem Diagnostiker der Gefahren politischen Machtmissbrauchs und des Nationalsozialismus, gegen den er im Exil weiterhin engagiert Stellung bezog.
Als die Wehrmacht in Frankreich einmarschierte, stellte Hans Siemsen den Antrag auf Einreise in die USA. Kam jedoch ins Internierungslager Colombes. Aber bereits 1940 gelang es ihm zu entkommen, unterzutauchen und nach Sanary-sur-Mer zu fliehen. 1941 hielt er sich in Marseille auf. Erneute Bemühungen um ein Visum für die USA waren inzwischen durch die Mithilfe der von Hubertus Prinz zu Löwenstein gegründeten American Guild for German Cultural Freedom erfolgreich gewesen, so dass Siemsen über Portugal in die Vereinigten Staaten gelangte.
In Amerika arbeitete Siemsen erneut als Journalist für Presse und Rundfunk. Persönliche Probleme, wie seine Alkoholsucht und die ständige Geldnot, von denen bereits das französische Exil geprägt gewesen war, nahmen immer mehr überhand. Siemsen lebte in ausgesprochen ärmlichen Verhältnissen, fühlte sich isoliert und vereinsamte zunehmend. Ab 1946 hatte er den dringenden Wunsch, nach Europa zurückzukehren, dessen Erfüllung sich jedoch durch Schwierigkeiten bei der Ausstellung von Pass und Visum verzögerte. 1948 gelangte er schließlich nach Frankreich, und ab 1949 lebte er wieder in Deutschland, anfangs bei seinem Bruder Karl Siemsen in Düsseldorf. Hans Siemsen war nicht mehr in der Lage, schriftstellerisch zu arbeiten und galt inzwischen als Pflegefall. Er starb in einem Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt in Essen.
FILM & SCHRIFT
Herausgegeben von
Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen
in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen
Band 15
Hans Siemsen
Kritiker und Essayist
Konzeption und Redaktion: Rolf Aurich, Brigitte Bruns, Wolfgang Jacobsen
Mai 2012, etwa 300 Seiten
ISBN 978-3-86916-184-6
€ ca. 25,-
Bearbeitung:
Hajo Jahn
Quelle:
Wikipedia
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