Gottfried Fuchs
Fußballer
Geb. 3.05.1889 in Karlsruhe
Gest. 25.02.1972 in Montreal, Kanada
Er war der deutsche Nationalspieler, der die meisten Tore in einem Länderspiel erzielt hat: Bei den Olympischen Spielen 1912 erzielte er 10 von 16 Treffern gegen Russland (das leer ausging). Noch heute ist er der Rekordtorschütze des Deutschen Fußballbundes. Aber die heutigen Fußballfans dürften mit dem Namen Gottfried Fuchs kaum etwas anzufangen wissen. Er war Jude. Als die deutsche Nationalmannschaft mit einem Spiel gegen die Sowjetunion am 24. Mai 1972 das Münchner Olympiastadion einweihen sollte, hatte kein Geringer als der Weltmeistertrainer Sepp Herberger ‘den Franz Beckenbauer meiner Jugend’ dazu eingeladen. Der Deutsche Fußballbund lehnte ab.
In einem Brief an den von ihm seit ‘Schulbubenzeiten’ bewunderten schussgewaltigen Stürmer schrieb Herberger über die Absage: ‘Eine einzige Enttäuschung’. Der Brief kam zu spät, wie ‘DER SPIEGEL’ in seiner Ausgabe 14 im Jahr 2012 berichtete: ‘Diese Nachricht erreichte den Rekordtorschützen des DFB nicht mehr. Gottfried Fuchs war vier Wochen zuvor in Montreal an einem Herzinfarkt gestorben.’
Ohne das auflagenstarke Magazin wäre die Geschichte nur den Lesern des Buchs ‘Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet.’ zur Kenntnis gelangt. Erschienen in einem verhältnismäßig kleinen Verlag. In dessen Eigenwerbung heißt es auf der Homepage: ‘Der Verlag Die Werkstatt wurde im Sommer 1981 in Göttingen gegründet. Zunächst erschienen Sachbücher und pädagogische Literatur zu Umwelt- und Friedensthemen, u.a. in Zusammenarbeit mit Organisationen wie Greenpeace. 1992 begannen wir mit der Herausgabe von Fußballbüchern, die seither den Schwerpunkt unseres Programms ausmachen. Auch Titel zu anderen Sportarten erscheinen regelmäßig. 1998 startete unser kulinarisches Buchprogramm mit der Schwerpunktreihe >Gerichte und ihre Geschichte< sowie Ratgebern für Genießer.’
Julius Hirsch, dessen Biographie ebenfalls im Exil-Archiv online zu finden ist, spielte mit Gottfried Fuchs zusammen in der deutschen Nationalmannschaft und für den Karlsruher FV. Gemeinsam wurden sie 1910 Deutscher Fußballmeister. Hirsch starb vermutlich 1945 in Auschwitz. Gottfried Fuchs aber war 1972, zum Zeitpunkt der Herberger-Initiative, der einzige lebende jüdische deutsche Fußballnationalspieler.
Es ist das Verdienst des 1949 in Düsseldorf geborenen Journalisten Werner Skrentny, die Lebensgeschichten von Hirsch und Fuchs akribisch recherchiert und veröffentlicht zu haben. Skrentny ist den Fußballfans als Verfasser eines Standardwerks über 350 deutsche Stadien kein Unbekannter. Darüber hinaus hat er Stadt- und Reiseführer geschrieben. Aber auch die Bücher ‘Davidstern und Lederball’ und ‘Hakenkreuz und rundes Leder’. Denn der DFB hat sich erst im Jahr 2000 aus Anlass seines 100jährigen Bestehens dazu durchgerungen, die NS-Zeit wissenschaftlich erforschen zu lassen. Veröffentlicht wurde sie fünf Jahre später…
Gottfried Fuchs wurde zwischen 1911 und 1913 sechsmal für die Deutsche Fußballnationalmannschaft aktiv und erzielte dabei insgesamt 13 Tore. Diese Erfolgsquote von 2,17 hat bislang kein anderer deutscher Nationalspielers erreicht. Dass er als Offizier im Ersten Weltkrieg dem Kaiser ‘diente’ – viermal verwundet fürs ‘Vaterland’ – schützte Fuchs ebenso wenig wie die anderen deutschen jüdischen Soldaten vor der Verfolgung durch die Nazis.
1937 floh Fuchs über die Schweiz nach Frankreich und 1940 schließlich nach Kanada . Dort anglisierte er seinen Namen: Godfrey Fochs starb 1972 in Montreal. Wegen der Nürnberger Rassengesetze, die der spätere Bonner Staatssekretär Hans Globke kommentiert hatte, wurde sein Name aus vielen deutschen Fußballstatistiken getilgt. Immerhin hat der DFB Gottfried Fuchs mit einer goldenen Ehrennadel geehrt. Nachträglich.
Autor:
Hajo Jahn
Quelle:
‘Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet.’ Von Werner Skrentny. Verlag Die Werkstatt, SPIEGEL 14/2012, S. 107
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