Martin Gauger
Staatsanwalt und Kirchenjurist
Geb. 4.8. 1905 in Elberfeld (heute: Wuppertal)
Gest. 15.7. 1941 in Pirna-Sonnstein
„Nach sorgfältiger Prüfung sehe ich mich gewissenshalber außerstande, den Treueid auf den Reichskanzler und Führer Adolf Hitler zu leisten, wie ihn das Reichsgesetz vom 20. August 1934 von allen Beamten verlangt.“
Der Wuppertaler Staatsanwalt und Kirchenjurist Martin Gauger wäre am 04. August 2005 100 Jahre alt geworden. Der Name und die Geschichte dieses Mannes sind nur wenigen bekannt. Dabei war er zur Zeit des Nationalsozialismus der einzige Jurist, der kurz nach der Machtergreifung der NSDAP den Treueid auf Hitler verweigerte. Doch das ist nur eine der Etappen seines Kampfes gegen ein Unrechtsregime, den er zwei Jahre nach Kriegsausbruch mit dem Leben bezahlte.
Martin Gauger war ein Ausnahmejurist. Am 25. August 1934 – erst wenige Monate im Amt – bittet er den Wuppertaler Gerichtspräsidenten schriftlich um seine Entlassung bei der Staatsanwaltschaft. Er wollte den Treueeid auf Hitler nicht leisten.
Dabei ist Martin Gauger noch keine 30. Er liebt seinen Beruf. Warum er als einer der ganz wenigen Juristen den Nationalsozialisten die Gefolgschaft verweigerte, das lässt sich nur aus seiner Vita erklären. Für Hedwig Heiland, Gaugers Schwester, sie ist inzwischen 91 Jahre alt und lebt in Stuttgart, ist die Antwort klar:
„Da war kurz vorher der Röhmputsch, bei dem ehrenwerte Leute ums Leben gebracht wurden unter dem Motto, sie wären dem Dritten Reich nicht treu. Und das hat meinen Bruder darauf aufmerksam gemacht, dass einfach das Dritten Reich keine Gerechtigkeit walten ließ.“
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(Mit freundlicher Erlaubnis des WDR, WDR-Westblick 4. 8. 2005)
Martin Gauger bleibt mit dieser Entscheidung ein Einzelfall in der Justiz des Dritten Reiches. Eine Vielzahl von Justizjuristen war nach der Machtergreifung im Januar 1933 in die NSDAP eingetreten.
Helia-Verena Daubach, die Leiterin der Dokumentations- und Forschungsstelle der Justizakademie in Nordrhein-Westfalen, beschreibt Gaugers Rolle in dieser Zeit:
„Man muss sagen, dass die NS-Justiz angesichts der ihr gestellten Aufgabe das Recht des Einzelnen zu schützen in katastrophaler Weise versagt hat. Während des Dritten Reiches, in dem die Justiz nationalsozialistische Gesetze kritiklos und übereifrig angewendet hat und nicht nur das, sondern dem Gesetzgeber auch noch durch ausufernde Gesetzesauslegung an Härte vorausgeeilt ist, ist Gauger wirklich eine besondere Persönlichkeit.“
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(Mit freundlicher Erlaubnis des MDR, MDR-Info 25. 9. 205)
Er war groß, kräftig, sehr sportlich und nie ernstlich krank, so beschreibt ein Biograph Martin Gauger als jungen Wuppertaler Gymnasiasten. Seine Kindheit verbrachte Gauger als fünftes von insgesamt acht Kindern in der Villa seiner Eltern in Wuppertal-Elberfeld. Sein Vater war evangelischer Pfarrer und Herausgeber des evangelischen Wochenblattes „Licht und Leben“. Seine Mutter stammte aus einer wohlhabenden Wuppertaler Familie. Martin Gauger entschied sich, nach dem Abitur Jura und Volkswirtschaft zu studieren. Seinem Vater wäre Theologie lieber gewesen. Aber Martin Gauger blieb der Kirche treu und schrieb für die Zeitschriften seines Vaters.
Sein Engagement kommt ihm nach seiner Entlassung aus dem Staatsdienst zu Gute. Anfang 1935 beginnt er als Jurist für die Bekennende Kirche zu arbeiten. Doch auch die Kirche wird für Martin Gauger zur Enttäuschung, als sie die antisemitischen und rassistischen Grundsätze der NSDAP anerkennt. Als Martin Gauger wenige Monate nach dem Überfall auf Polen den Einberufungsbefehl bekommt, taucht er unter. Er schreibt:
Martin Gauger durchschwimmt den Rhein und flieht in die Niederlande. Einen Tag nach seiner Ankunft marschieren die Deutschen dort ein. Gauger gibt nicht auf und versucht mit dem Fahrrad in die Schweiz zu gelangen. Doch schon an der niederländischen Grenze wird er verhaftet. Am 12. August 1940 stellt das Reichssicherheitshauptamt einen Schutzhaftbefehl aus. Er sitzt ein Jahr im Düsseldorfer Gefängnis, dann wird er ins KZ Buchenwald deportiert und einen Monat später in die Euthanasie-Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein verlegt. Am 15. Juli 1941 stirbt Martin Gauger dort in einer Gaskammer.
In der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein töteten die Nationalsozialisten in den Jahren 1940 und 1941 etwa 15 Tausend Menschen (darunter auch die Malerin Elfriede Lohse-Wächtler, die 1940 im Zuge der nationalsozialistischen Krankenmordaktion T4 ums Leben kommt).
Inzwischen ist die frühere Euthanasietötungsanstalt eine Gedenkstätte. Eine Stele im Raum neben der Gaskammer in Pirna-Sonnenstein ist Martin Gauger gewidmet. Die Stele mit seinem Foto und seiner Biographie ist eine von insgesamt 22, die an die Menschen erinnert, die dort von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Gauger starb als einer von mehr als 1000 KZ-Häftlingen, die als Vorlauf zur sogenannten Endlösung in der Eutthansie-Tötungsanstalt ihr Leben lassen mussten. „Die Entscheidung konnte mir niemand abnehmen“ heisst der kleine Band, in dem Gaugers Biographie nachzulesen ist. Er gehört zu einer Reihe, die die Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer herausgegeben hat.
Autorin:
Michaela Heiser
Literatur:
Justizministerium des Landes NRW (Hrsg.): Zwischen Recht und Unrecht. Lebensläufe deutscher Juristen, Düsseldorf 2004
Links (deutsch):
http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Gauger
http://www.zivilcourage-pirna.de/cgi-bin/art_detail.pl?idx=2&detail=7122&cutoff=400
http://www.justiz.sachsen.de/smj/pdf/GrusswGauger-27-09-05.pdf
http://www.stsg.de/main/pirna/ueberblick/einfuehrung
http://www.evpfalz.de/presse/index_kibo05-14_lp3.htm
http://kirke.hbz-nrw.de/dcb/Alle_043/Buecher_10/in_NRW_43/009326614.html
http://www.justiz.nrw.de/JM/zeitgeschichte/3publikationen/sonstige_publikationen/G_1/index.php
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