Berthold Jacob (eigtl.: Berthold Jacob Salomon, Pseud.: Marcel Rollin und Berthold Jay)
Journalist
Geb. 12.12. 1898 in Berlin
Gest. 26.02.1944 ebenda
“Warum schweigt die Welt?!“ (Berthold Jacob)
Der Sohn eines Kunsthändlers und Seidenfabrikanten macht zuerst eine kaufmännische Lehre, meldet sich 1917 freiwillig an die Front – und kommt als radikaler Pazifist aus dem Ersten Weltkrieg zurück. An der Seite des Journalisten und Pazifisten Carl von Ossietzky berichtet er von nun an für die ‘Berliner Volks-Zeitung‘, hauptsächlich über militärpolitische Themen, und schreibt daneben in pazifistischen Publikationen wie ‘Das Andere Deutschland‘ (herausgegeben von Fritz Küster) und die ‘Warte für Menschenrechte‘. Von 1923 bis 1928 verfasst Jacob, teilweise unter dem Pseudonym ‘Ein alter Soldat‘, zahlreiche Artikel für die von Siegfried Jacobsohn gegründete Wochenzeitschrift ‘Die Weltbühne‘ , die nach Jacobsohns Tod erst von Kurt Tucholsky und später dann von Ossietzky geleitet wird. Berthold Jacob, Mitglied im ‘Friedensbund der Kriegsteilnehmer‘, in der ‘Deutschen Liga für Menschenrechte‘ und der ‘Deutschen Friedensgesellschaft‘, richtet sein journalistisches Augenmerk in diesen Jahren der ausgehenden Weimarer Republik auf die Bestrebungen der deutschen Reichswehr zur heimlichen Aufrüstung und damit Umgehung des Vertrags von Versailles. Eine dieser Recherchen führt zur Aufdeckung des Systems der sogenannten “Zeitfreiwilligen“, bei dem Soldaten kurzfristig zu militärischen Übungen herangezogen werden, aber in keiner Statistik auftauchen. Aufgrund seines Artikels im ‘Anderen Deutschland‘ werden der Autor Berthold Jacob und Herausgeber Fritz Küster im März 1928 vom Reichsgericht im “Ponton-Prozess“ wegen Landesverrats zu je neun Monaten Festungshaft verurteilt. Seit 1928 gehört er der SPD an, wechselt dann aber 1931 zur, unter anderen von pazifistischen SPD-Abgeordneten gegründeten, ‘Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands‘.
Bereits 1932 emigriert der unbequeme Journalist ins elsässische Straßburg und entgeht damit einer möglichen Verhaftung durch die Nationalsozialisten nach deren Machtübernahme im Januar 1933. Aus dem Exil gibt Jacob bis 1939 die ‘Korrespondenz Unabhängiger Zeitungs-Dienst/Service de Presse Indépendant‘ heraus, deren Schwerpunkt die Berichterstattung über die Aufrüstung Deutschlands ist. Sein Name steht, neben zahlreichen prominenten Autoren und Politikern (darunter Lion Feuchtwanger, Alfred Kerr, Emil Julius Gumbel, Heinrich Mann, Ernst Toller und Kurt Tucholsky) auf der ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reiches vom 25. August 1933. Zusammen mit dem ebenfalls im Exil lebenden ehemaligen Generalsekretär der ‘Deutschen Liga für Menschenrechte‘, Kurt Grossmann, initiiert Jacob 1934 die Nobelpreiskampagne für Carl von Ossietzky, die im November 1936 schließlich zum Erfolg führt.
Auch vom Ausland aus versucht Jacob, die militärischen Pläne der Nationalsozialisten aufzudecken und veröffentlich in französischen Zeitungen 1935 Details über Hitlers Aufrüstungspläne. Das hat Konsequenzen: mit Hilfe des Journalisten und Gestapo-Spitzels Dr. Hans Wesemann wird er in die Schweiz gelockt, am 9. März 1935 von Basel aus ins deutsche Weil am Rhein entführt und später im Gestapo-Gefängnis in Berlin inhaftiert. Nach heftigen Protesten der Schweiz und deren – für Nazi-Deutschland außenpolitisch unangenehmen – Recherche-Details zur Entführung, wird Berthold Jacob am 17. September 1935 schließlich wieder den Schweizer Behörden übergeben. Aber auch hier will man den Unbequemen nun nicht mehr haben und weist ihn nach Frankreich aus, wo er sich in den kommenden Jahren neben seiner journalistischen Arbeit u. a. am ‘Vorläufigen Ausschuss zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront‘ beteiligt.
Nach Kriegsbeginn 1939 von den Franzosen zunächst im Lager Le Vernet in Südfrankreich interniert, emigriert Jacob nach der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen im Frühjahr 1940 über Marseille und Spanien nach Portugal. Kurz bevor er im Jahre 1941 das rettende Schiff betreten kann, das ihn in die USA bringen soll, wird er von Agenten des NS-Sicherheitsdienstes entführt und ein weiteres Mal nach Deutschland verschleppt. In den folgenden drei Jahren ist er im Gestapo-Gefängnis in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße 8 inhaftiert, wo sich sein Gesundheitszustand zunehmend verschlechtert. Kurz nach seiner Einlieferung ins Jüdische Krankenhaus Berlin erliegt einer der ersten investigativen Journalisten Deutschlands (dessen Vater, der Antiquar David Salomon, bereits am 18. Februar 1943 im KZ Auschwitz ermordet worden ist) den Folgen von Lungentuberkulose und Fleckfieber.
Literatur:
Peter Finkelgruen „Berhold Jacob – von welchem Wesemann wurde er entführt?“ in der Anthologie des Exil-PEN „Im Schnittpunkt der Zeiten“, 2012, Synchron – Wissenschaftsverlag der Autoren. Jost Nikolaus Willi, Der Fall Jacob – Wesemann (1935/1936): Ein Beitrag zur Geschichte der Schweiz in der Zwischenkriegszeit, Frankfurt 1972. Charmian Brinson, The Gestapo and the German Political Exiles in Britain during the 1930s: The Case of Hans Wesemann — and Others. In German Life and Letters, JG 51, Band 1, Balckwell Publishers. 1998 James J. Barnes, Patience P Barnes, Nazi Refugee Turned Gestapo Spy: The Life of Hans Wesemann-1895-1971, Westport Connecticut 2001, ISBN 0-275-97124-4.
Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Berthold_Jacob
http://www.rundfunkfreiheit.de/upload/m4635d4de4c65e_verweis2.pdf
http://antifa.vvn-bda.de/2013/09/11/in-der-columbiaholle/
http://www.knerger.de/html/nissensonstige_28.html
Links (deutsch):
https://portal.dnb.de/opac.htm?query=Woe%3D118639870&method=simpleSearch
http://www.gdw-berlin.de/nc/de/vertiefung/biographien/biografie/view-bio/jacob/
http://webopac.hwwa.de/digiview/DigiView_PND.cfm?PND=118639870
http://www.zeit.de/1963/26/die-affaere-jacob
http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17338.php
http://library.fes.de/fulltext/afs/htmrez/80360.htm
International:
http://motlc.wiesenthal.com/site/pp.asp?c=gvKVLcMVIuG&b=395033
http://www.seniorweb.ch/it/type/magazine-story/2010-04-17-l-affaire-berthold-jacob
http://hansard.millbanksystems.com/commons/1936/may/11/dr-hans-wesemann-trial
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