Fritz Strassmann
Arzt
Geb. am 27.08.1858 in Berlin
Gest. am 30.01.1940 in Berlin
In Deutschland gibt es einige bedeutende Familien, die vielen Bürgern bekannt sind, etwa die Mommsens, die Weiszäckers oder die Manns. Dass die Ärztedynastie der Strassmanns nicht die gleiche Bekanntheit hat, obwohl sie diese verdient hätte, liegt an den Nazis und deren Antisemitismus. Der hier im Mittelpunkt stehende Dr. Fritz Strassmann war der namhafteste Gerichsmediziner Deutschlands. 31 Jahre lang leitete er die „Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde“ in Berlin. Das war das Zentrum der Aus- und Weiterbildung in der gerichtlichen Medizin für Ärzte, Medizinal- und Kriminalbeamte aus dem In- und Ausland.
Fritz Strasmann, geboren am 27. August 1858 in Berlin und dort am 30. Januar 1940 gestorben, hatte 1904 die Deutsche Gesellschaft für gerichtliche Medizin mitbegründet; er war ihr erster Vorsitzender und später Ehrenmitglied. Die juristische Fakultät der Universität Edinburgh verlieh diesem Pionier der Gerichtsmedizin 1913 einen Ehrendoktorhut. Zum 100. Geburtstag der Gesellschaft wurde die Fritz-Strassmann-Medaille gestiftet und das Institutsgebäude in Berlin-Mitte, Hannoversche Straße 6, in dem der Wissenschaftler so lange erfolgreich gearbeitet hat, erhielt seinen Namen: „Strassmann-Haus“
Stammvater der Familie, aus der auch Mathematiker und Frauenärzte hervorgegangen sind, ist der jüdische Kaufmann Hermann Ludwig Straßmann aus Rawitsch, „einer kleinen, regelmäßig angelegten, sauberen Stadt in ganz reizloser Umgebung in der reizlosesten unseres preußísischen Vaterlandes, nämlich in der Provinz Posen“. So Heinrich Strassmann in seinen „Erinnerungen aus meinem Leben, niedergeschrieben für meine Kinder“, Berlin, 1899, hrsg. Von Gerhard Masur im Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, 23, 1974, S. 160 ff.
„Diese Erinnerungen“, so schreiben die Familienbiografen Jutta Lange-Quassowski und Volkmar Schneider in der Reihe „Jüdische Miniaturen“ im Berliner Hentrich-Verlag, zu recht, „sind ein Dokument für die Assimilation einer jüdischen Familie, ihre Integration in das politische Leben der Reichshauptstadt und ein kleiner Beitrag auch zur Geschichte des deutschen Bildungsbürgertums.“ Deutlich werde das u.a. auch dadurch, dass der Stammvater nicht nur seine Söhne, sondern auch die Töchter in eine christliche Elementarschule schickte.
Fünf in Rawitsch geborene Straßmann-Brüder waren nach 1840 nach Berlin gegangen, vier wurden Ärzte und schrieben ihren Namen bald nicht mehr mit „ß“ sondern mit dem doppelten „ss“.
Verheiratet war Fritz Strassmann seit 1887 mit Rose Borchardt (1866–1934), einer Tochter des Stadtrats Gustav Borchardt. Sohn Georg Strassmann (1890–1972) folgte beruflich seinem Vater und wurde ebenfalls ein bedeutender Gerichtsmediziner und Professor in Breslau. Mit seiner Familie konnte er rechtzeitig der Vernichtung durch Flucht aus Deutschland in die USA entkommen. Sein jüngerer Bruder Reinhold Strassmann (1893–1944) war ein ausgezeichneter Mathematiker. Seine schweren Verletzungen, die er als Soldat im Ersten Weltkrieg erlitten hatten, waren ein Hindernis für eine Flucht. 1944 wurde er in Auschwitz ermordet.
Bearbeitung:
Hajo Jahn
Quellen/Literatrur:
Wolfgang Paul Strassmann: Die Strassmanns. Schicksale einer deutsch-jüdischen Familie über zwei Jahrhunderte. Campus, Frankfurt/New York 2006, ISBN 3-593-38034-X.
Englische Fassung: The Strassmanns: Science, Politics, and Migration in Turbulent Times, 1793–1993. Berghahn Books, New York 2008, ISBN 978-1-84545-416-6.
Jutta Lange-Quassowski, Volkmar Schneider: Eine bedeutende Ärztedynastie. Die Strassmanns, Hentrich & Hentrich-Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-942271-70-7.€ 8,90
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