Oskar Werner (alias Erasmus Nothnagel)
Schauspieler
Geb. 13.11.1922 in Wien/Österreich
Gest. 23.10.1984 in Marburg an der Lahn
Weltberühmt wurde dieser begabte Schauspieler mit der unverwechselbare Stimme – geprägt von einer sanften, poetischen Modulation mit Wiener Sprachfärbung – in der Rolle des Guy Montag in „Fahrenheit 451“, der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ray Bradbury. Oskar Werner war als Feuerwehrmann Brandstifter: Er verbrannte Bücher. Bis er eines Tages ein Buch entwendete und vor dem Verbrennen bewahrte. Die Lektüre entbrannte in ihm den Wunsch nach mehr Lesestoff. Guy Montag wurde vom Saulus zum Paulus und schloss sich einer – wenn man so will – literarischen Widerstandsgruppe an. Wie in einem Schneeballsystem erzählte jeder Teilnehmer einem Zuhörer den Inhalt eines auswendig gelernten Buchs. Die Ideologie, die hinter der Verfolgung von „entarteter“ Kunst und „undeutschen Büchern“ stand, hat das Leben von Oskar Werner prägend belastet.
Im Wald von Birkenau gab es als Erweiterung des Auschwitz-Komplexes ein »Familienlager« mit dem Block Nr. 31 speziell für Kinder. Damit sollte der Welt bewiesen werden, dass die deportierten Juden nicht umgebracht wurden. Tatsächlich durften sie sechs Monate lang am Leben bleiben, bevor sie ins Gas geschickt wurden. Nachdem es seinen Propagandazweck erfüllt hatte, wurde das »Familienlager« geschlossen. In seiner aktiven Zeit beherbergte Block 31 bis zu 500 Kinder. Trotz strengster Überwachung gab es dort – so unglaublich das klingt – eine versteckte Kinderbücherei.
Sie bestand zwar lediglich aus acht bis 10 Büchern. Aber welch ein Schatz unter diesen Umständen: Darunter H. G. Wells‘ Die Geschichte unserer Welt, aber auch ein Russisch- und ein Geometrielehrbuch. Ein- oder zweimal gelang es jemandem aus einem anderen Lager, ein neues Buch einzuschmuggeln. Am Ende jedes Tages wurden die Bücher zusammen mit anderen wertvollen Dingen – Medizin etwa oder Nahrungsmitteln – einem der älteren Mädchen anvertraut. Seine Aufgabe war es, die Sachen jede Nacht an einem an-deren Ort zu verstecken. Es ist paradox, aber Bücher, die im ganzen Reich verboten waren, fanden manchmal einen Weg in die KZs. Doch es gab noch andere Bücher, die ausschließlich mündlich weitergegeben wurden. Wann immer sie sich ihren Bewachern entziehen konnten, rezitierten die Betreuer den Kindern aus Büchern, die sie selbst zu einem früheren Zeitpunkt auswendig gelernt hatten. Dabei wechselten sie sich ab, sodass sie jedes Mal anderen Kindern »vorlasen«. – Dieses Rotationssystem bezeichneten sie als „Büchertausch“ . Fahrenheit 451ist die Selbstentzündungstemperatur von Papier und entspricht 232,8 °Celsius.
Oskar Werner, der mit dem Film „Fahrenheit 451“ in der Rolle des Guy Montag zu einem internationalen Star wurde, hatte als 15jähriger in Wien 1938 die Novemberpogrome erlebt und wurde zum Pazifisten. Als Burgschauspieler war er mit einer sogenannten „Halbjüdin“ verheiratet – das Ehepaar versteckte sich in der Provinz, damit er nicht Soldat werden musste. Dieser wunderbare Schauspieler litt später an psychischen Störungen – möglicherweise aufgrund dieser Erlebnisse.
Geboren Oaskar Werner als Oskar Josef Bschließmayer. Seine Mutter, eine einfache Fabrikarbeiterin, versuchte Selbstmord. Auch das ein Erlebnis, das die empfindsame Seele des damals Achtjährigen belastet haben dürfte. Der Vater, ein Versicherungsvertreter, hatte sich sehr früh scheiden lassen. So wuchs der junge Oskar in ärmlichen Verhältnissen bei Mutter und Großmutter auf. Bereits als Gymnasiast spielte er in Schulaufführungen mit. Schnell folgten erste Angebote als Komparse, kleine Rollen in den Filmen „Geld fällt vom Himmel“ (1938) und Hotel Sacher (1939), Sprechrollen im Rundfunk, beim Kabarett und am Theater. Er schien vom Glück begünstigt, vertraute seinem Talent mehr als den Lehrern und verließ die Schule ohne abschließendes Abitur vorzeitig.
Nach der Befreiung kehrte der junge Künstler aus der inneren Emigration ans Burgtheater zurück, legalisierte seine erste Ehe mit der Schauspielerin Elisabeth Kallina, die er 1944 nach den Bestimmungen der damals geltenden „Noteheschließungsreform“ eingegangen war. Zugleich legte er auch seinen bürgerlichen Familiennamen Bschließmayer ab. Ab 4. Oktober 1946 hieß er Oskar Werner; als Regisseur benutzte er das Pseudonym Erasmus Nothnagel.
Gedenktafel für Oskar Werner in der Marchettigasse 1A (Wien-Mariahilf)
Seine internationale Karriere begann Oskar Werner 1949 mit der österreichisch-britischen Filmproduktion „Der Engel mit der Posaune“ (1949). Es folgten schnell hintereinander weitere Leinwandrollen und ein Vertrag über eine siebenjährige Zusammenarbeit mit dem Produzenten Darryl F. Zanuck in Hollywood bei der 20th Century Fox,. Dieser Vertrag wurde jedoch bereits nach einem Jahr aufgekündigt; denn Oskar Werner galt schnell als schwieriger Künstler, Kritiker sprachen von „Starallüren“, ohne die Ursachen zu können. Das Burgtheater kündigte ihm fristlos, weil er ohne Genehmigung zu den Dreharbeiten des „Engels mit der Posaune“ nach London gereist war.
In Hollywood spielte Oskar Werner seine erste eindrückliche Hauptrolle in dem Anti-Kriegsfilm Entscheidung vor Morgengrauen, der sogleich für den Oscar nominiert wurde. Im Lauf der 1950er Jahre wurde Werner als Theater- und Filmschauspieler zu einem der führenden Darsteller seiner Generation. 1955 spielte er bei der Wiedereröffnung des Wiener Burgtheaters – das im Krieg zerstört worden war – im sogenannten „Jahrhundert-Don-Carlos“ in Schillers gleichnamigen Drama die Titelrolle an der Seite von Werner Krauß, der den König Philipp II. verkörperte. 1958 gestaltete er für das Fernsehen den Film Ein gewisser Judas. Werner führte Regie und spielte darin die Rolle des Judas mit einer deutlich kritischen Haltung gegenüber der christlichen Religion.
„Seinen“ Regisseur Werner in François Truffauts, Es begann 1962 mit Jules und Jim, der zum Kultfilm werden sollte und noch immer gelegentlich im Fernsehen wiederholt wird. Werner und Truffaut verband seitdem eine Freundschaft. Der zweite geniale Film unter Truffaut war der bereits erwähnte „Fahrenheit 451“ im Jahr 1966. Doch trotz dieses Erfolgs war das Werk auch das Ende der freundschaftlichen Zusammenarbeit. Die beiden hatten ein völlig entgegengesetztes Bild der Rolle. Während der Dreharbeiten hatte Werner zunehmend Truffauts Entscheidungen zu hinterfragen und seine Anweisungen zu ignorieren versucht. Schließlich wurde Oskar Werner sogar mit dem Vorwurf der Sabotage einzelner Szenen konfrontiert.
Dennoch bleiben seine Rolle als Feuerwehrmann Guy Montag ebenso in der Erinnerung der Kinobesucher wie seine Mitwirkung in den Filmen „Das Narrenschiff“ (1964), „Der Spion, der aus der Kälte kam“ (1965), in dem er sich ein faszinierendes darstellerisches Duell mit Richard Burton lieferte. Unter der Regie von Kevin Billington verkörperte Oskar Werner 1968 im Film Zwischenspiel den Dirigenten Stefan Zelter. Neben Anthony Quinn war Oskar Werner 1968 als zweifelnder Pater David Telemond im Film In den Schuhen des Fischers zu sehen. Stanley Kubrick bot ihm die Hauptrolle in einer wegen finanzieller Engpässe nie verwirklichten Verfilmung der Lebensgeschichte Napoléon Bonapartes an. Kubrick drehte dann 1971 Uhrwerk Orange, das Werner aufgrund seiner expliziten Gewaltdarstellung für problematisch hielt. So kam auch eine Zusammenarbeit beim nächsten Kubrick-Film Barry Lyndon (1975) für den unbestechlichen Schauspieler, der über 300 Rollenangebote als „Verrat am künstlerischen Geschmack“ ablehnte, nicht mehr in Frage.
Ab 1968 war Oskar Werner nur noch zweimal auf der Leinwand zu sehen: 1976 trat er in Reise der Verdammten als Dr. Egon Kreisler auf, 1975 spielte er als Peter Falks Widersacher den Schurken Harold van Wyck in der Episode „Playback“ der Krimiserie Columbo.
Mit dem Erfolg kam das große Geld, dass er in Immobilien anlegte, etwa in Tirol, in der Wachau, in Paris und in Spanien.
In zweiter Ehe heiratet Oskar Werner nach seiner Scheidung von Elisabeth Kallina Anne Power, die von Tyrone Power adoptierte Tochter der französischen Schauspielerin Annabella. Aus einer späteren Beziehung mit Diane Anderson geht 1966 der Sohn Felix Florian Werner hervor. Von 1970 bis 1979 dauerte die Beziehung mit der Schauspielerin Antje Weisgerber. 1978 kehrte Werner an das Theater in der Josefstadt wieder nach Wien zurück.
Aus dem einstigen Wunderkind war ein internationaler Star geworden, aber er galt zunehmend als schwierig und exzentrisch. Tatsächlich plagten ihn, der sich den Spitznamen „Teixl“ gegeben hatte, Depressionen und eine Alkoholkrankheit. Er hielt Lesungen und Rezitationsabende ab und nahm 1983 an einer Gedenkfeier im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen teil. Seine politische Haltung gegenüber Nazis und Antisemiten war eine der wenigen Konstanten in seinem bewegten Leben. In Liechtenstein scheiterte er – wie zuvor schon in Innsbruck – mit eigenen Theaterfestspielen. Auch ein Faust-Projekt mit dem ORF konnte nicht realisiert werden, da seine Forderungen an die beteiligten Partner für diese nicht erfüllbar waren. An der Pforte zu seinem Grundstück hing ein Schild mit der Aufschrift: „Gewährt, daß ich ersuche, keine unangesagten Besuche. Private – no visitors please“.
In Wien klebte ein Papier mit dem Hinweis „Cäsars geheimes Feldlager“. Denn der damalige Burgtheaterdirektor Achim Benning hatte Oskar Werner 1983 gewinnen können, den Julius Cäsar im gleichnamigen Shakespeares-Stück zu übernehmen, das Pavel Kohout, der tschechische Dichterdissident bearbeiten sollte, der nach dem Niederschlagen des „Prager Frühlings“ ins Wiener Exil gekommen war. Werner verschmolz Fiktion und Wirklichkeit, ging voll in der Rolle auf und sprach in seiner Wohnung das komplette Stück auf Band. Doch statt der für Dezember 1983 geplanten Premiere kam es zu einem offenbar alkoholbedingten Eklat. Auch die Aufführung bei seinem Oskar-Werner-Festival in der Wachau konnte nicht mehr realisiert werden. Ein Jahr später starb dieser unglückliche, begnadete Mime an einem Herzinfarkt in einem Hotel in Marburg an der Lahn auf einer geplanten Rezitationsreise durch Deutschland. Aber er hatte schon Jahre zuvor bestimmt.
Gedenktafel für Oskar Werner auf dem Friedhof (Wikipedia)
1984 starb er mit 61 Jahren in einem Hotel in Marburg an der Lahn an einem Herzinfarkt, als er sich auf eine Rezitationstournee durch Deutschland vorbereitete. Seine letzte Ruhestätte im österreichischen Triesen hatte er lange zuvor ausgesucht.
Bearbeitung:
Hajo Jahn
Quelle:
Wikipedia
Filmrollen:
- 1938: Geld fällt vom Himmel; Regie: Heinz Helbig
- 1939: Hotel Sacher; Regie: Erich Engel
- 1939: Leinen aus Irland; Regie: Heinz Helbig
- 1948: Der Engel mit der Posaune; Regie: Karl Hartl
- 1949: Eroica; Regie: Walter Kolm-Veltée
- 1950: The Angel with the Trumpet; Regie: Anthony Bushell, Karl Hartl (nicht genannt)
- 1950: Ruf aus dem Äther / Piraten der Berge; Regie: George C. Klaren
- 1950: Ein Lächeln im Sturm; Regie: René Chanas
- 1950: Entführung ins Glück; Regie: Karl Hartl
- 1950: Das gestohlene Jahr; Regie: Wilfried Fraß
- 1951: Entscheidung vor Morgengrauen (Decision Before Dawn); Regie: Anatole Litvak
- 1955: Oberst Redl / Spionage; Regie: Franz Antel
- 1955: Der letzte Akt; Regie: Georg Wilhelm Pabst
- 1955: Mozart; Regie: Karl Hartl
- 1955: Lola Montez (Lola Montès); Regie: Max Ophüls
- 1958: Ein gewisser Judas; Regie: Oskar Werner (unter dem Pseudonym Erasmus Nothnagel)
- 1962: Jules und Jim (Jules et Jim); Regie: François Truffaut
- 1964: Torquato Tasso; Regie: Josef Gielen
- 1964: Das Narrenschiff (Ship of Fools); Regie: Stanley Kramer
- 1965: Der Spion, der aus der Kälte kam (The Spy Who Came In from the Cold); Regie: Martin Ritt
- 1966: Fahrenheit 451 (Fahrenheit 451)- Regie: François Truffaut
- 1968: Zwischenspiel (Interlude); Regie: Kevin Billington
- 1968: In den Schuhen des Fischers (The Shoes of the Fisherman); Regie: Michael Anderson
- 1975: Columbo: Playback; Regie: Bernhard L. Kowalski
- 1976: Reise der Verdammten (Voyage of the Damned); Regie: Stuart Rosenberg
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