Grete Hermann
Mathematikerin, Physikerin, Philosophin und Pädagogin
Geb. 02.03. 1901 in Bremen
Gest.15.04. 1984 Ebenda
Das dritte von sieben Kindern einer bürgerlich-protestantischen Bremer Kaufmannsfamilie besteht das Abitur mit 19 Jahren am Neuen Gymnasium in Bremen (an dem damals Mädchen nur in Ausnahmefällen zugelassen werden) und studiert später, mit der 1921 erworbenen Lehrbefähigung für Volks- und Mittelschulen als Voraussetzung in der Tasche, Mathematik, Physik und Philosophie in Göttingen und Freiburg im Breisgau. 1926 wird Grete Hermann mit ihrer Dissertation über “ Die Frage der endlich vielen Schritte in der Theorie der Polynomideale. Unter Benutzung nachgelassener Sätze von Kurt Hentzeit“ von der Göttinger Mathematikerin Emmy Noether promoviert, legt auch gleichzeitig noch die Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen ab und arbeitet anschließend, bis zu dessen Tod im Jahre 1927, als Privatassistentin des Göttinger Philosophen Leonard Nelson.
Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit engagiert sich Grete Hermann auch in dem 1926 von Nelson deswegen gegründeten ‘Internationalen Sozialistischen Kampfbund‘ (ISK), zu dessen führenden Mitgliedern Willi Eichler und Minna Specht zählen, und arbeitet in dem von Nelson gegründeten Landerziehungsheim “Walkemühle“ bei Melsungen mit. Gemeinsam mit Minna Specht gibt sie nach Nelsons Tod aus dessen Nachlass den Band “System der philosophischen Ethik und Pädagogik“ heraus, setzt aber auch ihre eigenen Forschungen fort.
Anfang der 1930er Jahre tritt die überzeugte Antifaschistin in die Redaktion der ab Januar 1932 vom ISK herausgegeben Tageszeitung “Der Funke“ ein, dessen zentrales Anliegen die Bildung und Unterstützung einer Einheitsfront aller gegen den Nationalsozialismus eingestellten Kräfte ist, wozu bis 1933 mehrfach ein von bekannten Künstlern, Politikern und Wissenschaftlern unterzeichneter Dringender Appell publiziert und plakatiert wird.
Nach der Machtübernahme Hitlers hält Grete Hermann philosophische Kurse zu politisch-ethischen Werten sowie den Sinn des Widerstandes gegen das NS-Regime ab, setzt gleichzeitig ihre wissenschaftliche Arbeit fort, korrespondiert mit Wissenschaftskollegen wie Carl Friedrich von Weizsäcker, Werner Heisenberg und Niels Bohr und nimmt, zusammen mit mehreren anderen renommierten Physikern, im Sommer 1934 in Leipzig an einem Heisenberg-Seminar teil. Ihre daraus resultierende 1935 erscheinende Publikation über “Die naturphilosophischen Grundlagen der Quantenmechanik“ findet in der Fachwelt große Beachtung, und bereits ein Jahr später erhält sie für ihre Arbeit mit dem Titel: “Welche Konsequenzen haben die Quantentheorie und die Feldtheorie der modernen Physik für die Theorie der Erkenntnis?“ den Preis der Avenarius-Stiftung in Leipzig.
Im Zuge der Verfolgungswelle der ISK-Gruppen seit 1935/36 sieht auch Grete Hermann sich zur Emigration gezwungen, geht zunächst nach Dänemark, wo Minna Specht eine Schule für Kinder aus der von den Nationalsozialisten bereits 1933 geschlossenen “Walkemühle“ eingerichtet hat, und 1937 weiter nach Großbritannien. Die durch die Eheschließung nunmehr britische Staatsbürgerin wird zu einem führenden Mitglied der Londoner ISK-Gruppe, arbeitet an dem ISK-Organ ‘Sozialistische Warte‘ mit, beteiligt sich an der programmatischen Diskussion über den demokratischen Neuaufbau Deutschlands und gehört dem im März 1941 geschaffenen Exekutivkomitee der ‘Union deutscher sozialistischer Organisationen‘ in Großbritannien an, zu der sich Sozialdemokraten und die sozialistischen Gruppen ‘Neu Beginnen‘, die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) und der Internationale Sozialistischer Kampfbund (ISK) zusammengeschlossen haben.
1946 kehrt Grete Henry-Hermann nach Deutschland zurück, beteiligt sich ab 1947 am Aufbau der Pädagogischen Hochschule Bremen (PH), deren kommissarische Leitung sie auch bis 1950 innehat, danach als Stellvertreterin (bis 1966) und Professorin für Philosophie und Physik. Neben der wissenschaftlichen ist auch immer die bildungspolitische Arbeit eines ihrer Hauptanliegen. Seit 1947 engagiert sie sich dafür in der SPD, ist Leiterin der pädagogischen Hauptstelle der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, gehört von 1954 bis 1966 dem Deutschen Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen an, ist (von 1961 bis 1978) Vorsitzende der von Nelson gegründeten und nach dem Krieg wiedereingerichteten Philosophisch-Politischen Akademie und 1975 Herausgeberin der Schriften von Nelson.
Ein Teilnachlass der im Alter von 83 Jahren verstorbenen Mathematikerin und Philosophin befindet sich im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich Ebert-Stiftung in Bonn und enthält neben persönlichen Dokumenten auch einen Briefwechsel mit Carl Friedrich von Weizsäcker und anderen Wissenschaftlern, dazu Korrespondenz (u.a. aus den Jahren des Exils) mit Minna Specht und Gustav Heckmann.
Ein 2010 an der Universität Bremen installiertes Grete-Henry-Programm zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und personeller Vielfalt in der Wissenschaft hat zum Ziel, den Frauenanteil deutlich zu erhöhen sowie eine größere personelle Vielfalt auf allen Ebenen des wissenschaftlichen Personals im Sinne der DFG-Gleichstellungsstandards zu realisieren.
Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Grete_Hermann
http://genealogy.math.ndsu.nodak.edu/id.php?id=63779
Links (deutsch):
http://www.frauen-im-aufbruch-ausstellung.de/frauen/grete_henry-hermann/
http://www.tollmien.com/noethergretehermann.html
http://www.bremer-frauenmuseum.de/frauenhandbuch/Henry.html
International:
http://www.frauen-im-aufbruch-ausstellung.de/en/women/grete-henry-hermann/
http://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/0812/0812.3986.pdf
http://mpseevinck.ruhosting.nl/seevinck/Aberdeen_Grete_Hermann2.pdf
http://web.mit.edu/redingtn/www/netadv/PHghermann.html
http://www.sfcp.org.uk/wp-content/uploads/2011/01/GRETE-HERMANN-ABERDEEN-WORKSHOP-ACCOUNT.doc
http://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-1-4020-9510-8_20
http://www.hcs.harvard.edu/~hrp/issues/1999/Hermann.pdf
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