Hirsch Lewin
Buchhändler und Musikverleger
Geb. 1892 in Wilna/ Russ. Reich
Gest. 1958 in Israel
Während des Ersten Weltkrieges gerät er als Zivilgefangener nach Deutschland und muss in einer Lokomotiven-Fabrik arbeiten. Nach Ende des Krieges beschließt Hirsch Lewin, in Berlin zu bleiben und arbeitet im Gonzer Buchladen in der Grenadierstraße 34, bevor er 1930 nur wenige Häuser entfernt in der Nummer 28 (heute: Almstadtstraße 10) hinter seiner kleinen Wohnung einen eigenen ‘Hebräischen Buchladen‘ eröffnet. Seiner Kundschaft, die vom Ultrafrommen bis zum Reformjuden reicht, bietet Lewin ein breitgefächertes Angebot für jeden Geschmack: religiöse Literatur in Hebräisch ebenso wie historische Abhandlungen und Kinderbücher. Auch rituelle Gegenstände wie Gebetschals, Leuchter und Shabat-Kerzen findet man in seinem Laden, wo neben Deutsch und Jiddisch auch Russisch gesprochen wird. Denn hier, mitten im Berliner Scheunenviertel, pulsiert das jüdische Leben jener Tage, das überwiegend von traditionell gekleideten armen Emigranten aus Russland und Polen geprägt ist. Dutzende von Gebetsräumen, kleinen Synagogen, koscheren Bäckereien, Lebensmittelgeschäften und Restaurants gehören zur Nachbarschaft der Lewin’schen Buchhandlung, in der auch noch etwas ganz Besonderes zum Sortiment gehört: Schallplatten, die von 1932 bis 1937 unter dem Namen ‘Semer‘ (Lied) im eigenen Verlag erscheinen: Populäre Schlager finden sich hier ebenso wie Volkslieder, Opernarien und kantorale Musik, gesungen in Jiddisch, Hebräisch, Deutsch, Russisch und Italienisch, häufig als Eigenproduktion, aber auch als Übernahme von der in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen jüdischen Plattenfirma ‘Artiphon‘. 1935 spielt das ‘Semer‘-Label mit der später in Auschwitz ermordeten Sängerin Dora Gerson das Lied “Vorbei“ ein und 1936 “entdeckt“ Hirsch Lewin den polnischen Kantor Israel Bakon, mit dem er 28 Aufnahmen für das ‘Semer‘-Label einspielt, darunter hauptsächlich jiddische Folklore.
Den Verwüstungen des nationalsozialistischen November-Progroms 1938 fällt auch der ‘Hebräische Buchladen‘ mit seinem gesamten Inventar, darunter das ‘Semer‘-Label, zum Opfer: an die 4500 Platten und 250 Metall-Matrizen werden vernichtet, nur wenige Schellack-Exemplare bleiben erhalten. Hirsch Lewin wird im September 1939 verhaftet und kurz darauf ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Nach sechs Monaten und unermüdlichen Interventionen seiner Ehefrau, setzen die Nazis ihn wieder auf freien Fuß, allerdings unter der Auflage, Deutschland umgehend zu verlassen. Er emigriert in die Tschechoslowakei und gelangt schließlich auf Umwegen, gemeinsam mit anderen jüdischen Flüchtlingen, auf ein fast schrottreifes Schiff Richtung Palästina. Doch die Passage in die Freiheit wird zur Katastrophe: Das Schiff sinkt, die Passagiere überleben zwar, werden aber anschließend in Italien interniert.
Im Juli 1944 endlich treffen sich die Mitglieder der Familie Lewin im damaligen Palästina wieder. Sie sind die einzigen aus ihrem Berliner Freundeskreis, die niemanden im Holocaust verloren haben.
2012 wird von dem renommierten us-amerikanischen Klezmer-Musiker und Komponisten Alan Bern für das Jüdische Museum Berlin das “Semer Label Reloaded Projekt“ zusammengestellt, “eine meisterhafte, bewegende, zeitgenössische Re-Interpretation jener Musik, die von 1933 bis 1938 durch das fast vergessene Schallplaten-Label Semer aufgenommen wurde“. (Hier zitiert aus: http://www.gorki.de/spielplan/semer-label-reloaded/929/) Die wenigen aus den 30er Jahren erhaltenen und vor den Nazis geretteten Schellack-Platten des ‘Semer‘-Labels sind für das internationale Ensemble um Alan Bern nunmehr Quelle und Inspiration zugleich für die musikalische Hommage an einen der bedeutendsten deutsch-jüdischen Plattenverlage und seine Künstler.
Quellen:
http://www.jmberlin.de/berlin-transit/en/orte/lewin.php
http://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=2855&_ffmpar[_id_inhalt]=23670745
Links (deutsch):
http://www.jmberlin.de/berlin-transit/en/orte/lewin.php
http://www.youtube.com/watch?v=yOXYCPzq7Ro
http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=44170
http://batchgeo.com/map/berlintransiten
http://www.leo-baeck.org/leobaeck/sachbuchallgemein/buch-01370.html
International:
Die Kommentare sind deaktiviert.