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Benjamin, Dora

H.A.M. 0

Dora Benjamin

Juristin und Nationalökonomin

Geb. 30.04. 1901 in Berlin

Gest. 01.06. 1946 in Zürich/ Schweiz


Nach Abschluss des Bismarck-Lyceums in Berlin-Grunewald nimmt die Kaufmannstochter (und jüngste Schwester von Georg und Walter Benjamin, der eine Kinderarzt, der andere Philosoph, Essayist und Übersetzer) an den Universitäten von Berlin und Jena das Studium der Nationalökonomie auf und wird 1924 in Greifswald mit ihrer staatswissenschaftlichen Dissertation über “Die soziale Lage der Berliner Konfektionsarbeiterinnen mit besonderer Berücksichtigung der Kinderaufzucht“ promoviert. In Berlin arbeitet Dora Benjamin anschließend in verschiedenen Einrichtungen, führt, ohne feste institutionelle Anbindung, diverse Forschungen durch, publiziert zahlreiche Studien zu brisanten sozialen Problemen wie Heimarbeit, Alkoholismus und Kinderarbeit (letzteres für sie eine “Kulturschande“) und wendet sich dabei immer stärker psychologischen und pädagogischen Fragen zu, ähnlich dem seit Mitte der 20er Jahre im Arbeiterbezirk Wedding als Stadtschularzt tätigen Bruder Georg, dessen Beitritt zur KPD sie allerdings nicht folgt und Zeit ihres Lebens parteilos bleibt. Die mit Dora seit Schultagen befreundete Hilde Lange aus Steglitz wird 1926 Ehefrau von Georg Benjamin (und macht nach Kriegsende in der späteren DDR Karriere, zuerst als Richterin, ab 1953 als Justizministerin).


Während ihr Bruder Georg von den Nazis inhaftiert wird und im KZ Mauthausen ums Leben kommt, gelingt Dora Benjamin 1933 die Flucht nach Frankreich, wo sie vorübergehend mit dem ebenfalls emigrierten älteren Bruder Walter in einer kleinen Pariser Mietwohnung lebt. “Spätestens ab 1935 versuchte sie, an ihr altes berufliches Tätigkeitsfeld vor 1933 anzuknüpfen, das, wenn auch wenig, so doch etwas Geld einbrachte. Sie arbeitete mit Flüchtlingskindern in ihrer kleinen Wohnung 7, rue Villa Robert Lindet“ (Hier zitiert aus: http://www.bonjour-geschichte.de/?p=865). Für zwei Monate kehrt die mittlerweile an Bechterew-Erkrankte im Januar 1938 sogar noch einmal ins nationalsozialistische Deutschland zurück, um sich dort von einer auf ihre Krankheit spezialisierten Kapazität behandeln zu lassen.


Am 10. Mai 1940 überfällt Hitler-Deutschland die neutralen Benelux-Staaten und marschiert in Frankreich ein. “Am 15. Mai 1940 mußte sich Dora Benjamin, wie alle unverheirateten und kinderlosen Frauen zwischen 17 und 55 Jahren, im Vélodrome d‘Hiver, einem riesigen Eissportpalast mit Glaskuppel, melden. Sie durfte Verpflegung für zwei Tage, Eßgeschirr, Taschen oder Koffer mitbringen, die nicht mehr als dreissig Kilo wogen. Vielleicht war sie eine der beiden anderen Frauen, die gemeinsam mit Hannah Arendt und Fränze Neumann, der Freundin Fritz Fränkels, einen Platz zugewiesen bekamen. Nach einer Woche, am 23. Mai 1940, gehörte Dora Benjamin zu dem ersten Transport von 2.364 Frauen, die in das berüchtigte Pyrenäenlager Gurs eingeliefert wurden (…). Nach der Besetzung von Paris durch die deutschen Truppen am 14. Juni 1940 nutzten viele Internierte – unter ihnen auch Dora Benjamin, Hannah Arendt, Lisa Fittko und Louise Goldhaber – das dadurch entstandene Chaos und die Unsicherheit der Lagerkommandanten zur Flucht. Dora Benjamin schlug sich nach Lourdes durch. Dort traf sie zum letzten Mal Walter Benjamin, der aus Paris vor den Deutschen geflohen war. Ein paar Wochen verbrachten die Geschwister gemeinsam in Lourdes, 8, rue Notre Dame. Ende Juli / Anfang August fuhr Walter Benjamin nach Marseille. “Wir trennten uns in dem Augenblick“, so berichtete Dora Benjamin Karl-Otto Thieme, “als er nach Marseille fuhr, um sein amerikanisches Visum in Empfang zu nehmen.“ (Hier zitiert aus: http://www.bonjour-geschichte.de/?p=865)


Dora Benjamin wartet vergeblich auf ein Visum in die USA, obgleich die mit ihr befreundete und bereits 1933 ins US-amerikanische Exil geflohene Wissenschaftlerin Frieda Wunderlich ein Affidavid auf sie ausgestellt hat. Walter Benjamin nimmt sich im selben Jahr noch nach seiner Flucht über die französischen Pyrenäen im spanischen Küstenort Port Bou unter ungeklärten Umständen das Leben.


Im Dezember 1942 schließlich kann seine mittlerweile völlig unbemittelte Schwester (u.a. mit Hilfe von Ruth und Walter Fabian) von Aix-en-Provence aus über die französisch-schweizerische Grenze bei Landecy (unweit von Genf) fliehen, wo sie sich freiwillig den dortigen Behörden stellt und von dort ins Auffanglager Charmilles  überstellt wird. Nur ihrem schlechten Gesundheitszustand ist es letztlich zu verdanken, dass man sie nicht wieder nach Frankreich zurück schickt. Nach Aufenthalten in mehreren Arbeitslagern lebt sie schließlich ab 1943 bei einer Lehrerfamilie als ‘Privatinternierte‘ unter Polizeiaufsicht und ohne Arbeits-, geschweige denn Vortrags- oder Publikationserlaubnis.


Dora Benjamins Wunsch, in den Vereinigten Staaten leben und arbeiten zu können, wird sich auch nach Kriegsende nicht mehr realisieren. Die seit den Pariser Jahren schwer erkrankte Cousine der von den Nationalsozialisten ermordeten Dichterin Gertrud  Kolmar arbeitet ab 1945 noch als Dozentin in Seminaren von diversen Hilfsorganisationen, erliegt aber bereits 1946, im Alter von nur 45 Jahren, einem Krebsleiden.


Quellen:

http://www.bonjour-geschichte.de/?p=865

http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=19286


Links (deutsch):

http://www.scheinschlag.de/archiv/2006/05_2006/texte/18.html

http://www.adk.de/de/archiv/news/index.htm?we_objectID=24939


International:

http://walterbenjaminarchives.mahj.org/abecedaire-13-Benjamin-Dora.php

http://www.campgurs.com/default.asp?type=SR&savoirplus=74&idsection=2

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