Eduard Fuchs
Kulturwissenschaftler, Historiker, Schriftsteller und Kunstsammler
Geb. 31.01. 1870 in Göppingen
Gest. 26.01.1940 in Paris/ Frankreich
“In seiner Stuttgarter Zeit hat er bei Clara Zetkin Französisch-Stunden genommen, war mit Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Lenin und anderen Granden der damaligen linken Szene befreundet. Als ihm eine Mäzenatin ein Schloss schenken wollte, hat er diese Gabe erst angenommen, als geklärt war, dass dort ein Kinderheim der Roten Hilfe eingerichtet werden konnte. In der Kunstwelt ist er wegen seiner Daumier-Sammlung bekannt, in der Stuttgarter Staatsgalerie hängt sein Portrait als junger Mann, das Slevogt gemalt hat. Seine illustrierte Sittengeschichte ist vermutlich das am häufigsten ausgeliehene Buch im deutschen Reichstag, das mindestens zweimal jährlich neu eingebunden werden musste, weil es auseinander zu fallen drohte…“ (Quelle: Mail an ELS-Gesellschaft)
Der Kaufmannssohn tritt bereits als Jugendlicher 1886 in die damals verbotene Vorgängerorganisation der heutigen SPD, die Sozialistische Arbeiterpartei, ein und ist später auch führendes Mitglied im radikalsozialistischen Liederverein ‘Carmina‘. Schon der 18Jährige macht sich bei den Herrschenden mit seinen Aktivitäten unbeliebt: Für ein Flugblatt, auf dem er den damals noch regierenden Kaiser Wilhelm I. als “preußischen Massenmörder“ bezeichnet, wird das Gründungsmitglied des “Vereins der Handlungsgehilfen in Stuttgart zu fünf Monaten Haft wegen Verbreitung verbotener sozialistischer Schriften verurteilt.
Im August 1890 findet er dann, zunächst als Anzeigenleiter, später als Redakteur bei der sozialdemokratischen ‘Münchener Post‘ Anstellung und gestaltet im April 1892 die 1. Mai-Ausgabe der satirischen Zeitschrift ‘Süddeutscher Postillon‘. Und erneut macht sich Fuchs mit seinen politischen Äußerungen als Redakteur unbeliebt und bekommt prompt dafür die staatliche Quittung: 1894 wird er wegen “Aufreizung zu Gewalttätigkeiten“ angeklagt, 1897 wegen des Gedichts “Enthüllungen“ zu sechs Monaten Haft verurteilt und 1898 wegen “Majestätsbeleidigung“ zu zehn Monaten Gefängnis (in dieser Zeit entsteht Fuchs‘ Buch zur “Karikatur der europäischen Völker“). Als ein Wirt Plakate der sozialdemokratischen Partei abreißt, verabreicht ihm Eduard Fuchs eine Ohrfeige – die Konsequenz: Fünf Tage Haft.
1901 übersiedelt Fuchs nach Berlin, wo er als Redakteur bei der Zeitung ‘Vorwärts‘ weiter seine journalistischen Unbotmäßigkeiten veröffentlicht und daneben für den Verlag mehrere illustrierte Festnummern zum 1. Mai, zum Sozialistengesetz, zum 8. März und zu Ostern herausgibt. 1907 folgt, zusammen mit Ernst Kreowski, ein Band mit Karikaturen über Richard Wagner und bis 1923 mehrere kulturgeschichtliche Abhandlungen, darunter “Die Frau in der Karikatur (1905), die dreibändige “Geschichte der erotischen Kunst“ (1908-1923), in den Jahren 1902-1912 entstehen sechs Bände “Sittengeschichte“ (die ihm übrigens den Beinamen “Sittenfuchs“ einbringen wird), gefolgt von “Der Weltkrieg in der Karikatur“ (1916) und “Die Juden in der Karikatur“ aus dem Jahr 1921.
Bereits seit 1913 ist Eduard Fuchs Vorstandsmitglied im ‘Deutschen Hilfsverein für die politischen Gefangenen und Verbannten Russlands‘, in dem auch Karl Liebknecht mitarbeitet. Vom 11. Februar bis 3. Mai 1914 reist Fuchs zusammen mit dem Maler Max Slevogt nach Ägypten. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges endet auch seine Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie. 1918 ist er einer der geistigen Vätern des Spartakusbundes, führt, legitimiert durch einen Brief Rosa Luxemburgs, mit Lenin Gespräche über die Gründung der III. Internationale und gehört 1919 zu den Gründungsmitgliedern der KPD, ebenso wie Franz Mehring, mit dem Fuchs eine intensive Freundschaft verbindet und dessen Nachlassverwalter er nach dessen Tod sein wird. Im Juni 1923 ist er an der Entstehung der ‘Gesellschaft der Freunde des neuen Russland‘ beteiligt und im August 1925 an der Aktion ‘Hände weg von China‘, initiiert durch die Internationale Arbeiterhilfe. Im März 1926 wirkt er mit an einem Aufruf von Intellektuellen für eine Enteignung der Fürsten, ist 1927 Mitglied im Kuratorium für die Kinderheime der Roten Hilfe und protestiert gegen die Zerstörung der Heinrich Vogeler-Fresken im Barkenhoff, einem ehemaligen Gehöft nordöstlich von Bremen und seit Ende des 19. Jahrhunderts Mittelpunkt der ‘Künstlerkolonie Worpswede‘. Aufgrund parteiinterner Auseinandersetzungen verlässt Eduard Fuchs 1928 die KPD und schließt sich im darauffolgenden Jahr der Kommunistischen Partei-Opposition (KPO) an.
Der Verhaftung noch in der Reichstagsbrand-Nacht Ende Februar 1933 kann sich der linke Journalist, Kulturwissenschaftler und Mitbegründer des Frankfurter Instituts für Sozialforschung durch seine Flucht über Schaffhausen und die Schweiz nach Frankreich entziehen. Fuchs‘ Kunstsammlung mit zahlreichen impressionistischen Werken, unter anderem von Liebermann und Slevogt, sowie Gemälde, Zeichnungen und nahezu sämtliche Lithographien von Honoré Daumier und seine einmalige Graphiksammlung, werden von den Nazis (mit Hilfe des Finanzamtes Zehlendorf) beschlagnahmt und in drei Auktionen bei Rudolph Lepke in Berlin und einer weiteren bei C.G. Boerner in Leipzig versteigert. Als NS-Studenten am 9. und 10. Mai 1933 Bücher missliebiger Autoren reichsweit auf die Scheiterhaufen werfen, werden auch die von Eduard Fuchs herausgegebenen Schriften von Franz Mehring zur deutschen Geschichte ein Raub der Flammen. Seine Bücher (darunter die „Illustrierte Sittengeschichte“) werden verboten. Fuchs‘ Zehlendorfer Villa in der Hermannstraße 14 (einem Mies van der Rohe-Bau, in dem einst Leo Trotzki übernachtet hat und linke Prominente der Weimarer Zeit wie George Grosz und John Heartfield zu Gast gewesen sind) “wurde von der SA besetzt und geplündert: Das Archiv, die Zettelkästen und Fuchs’ Korrespondenz wanderten in die Heizung.“ (Hier zitiert aus: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/12201)
Die finanzielle Unterstützung der KPO setzt Fuchs auch aus dem Pariser Exil fort, wo er sich unter anderem mit dem gleichfalls aus Hitler-Deutschland geflüchteten Walter Benjamin anfreundet. Eine von Fuchs angedachte und bereits organisierte Reise in die Vereinigten Staaten kann er nicht mehr antreten: Im Alter von nur 69 Jahren erliegt er den Folgen einer Angina Pectoris und wird Ende Januar 1940 auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise beerdigt, in Nachbarschaft zu den Kämpfern der Pariser Kommune und Honoré Daumier, jenem Bildhauer, Maler, Grafiker und Karikaturisten Honoré Daumier, dessen umfangreiches lithografisches Werk der Kunstsammler Eduard Fuchs auch nicht mehr vor dem Zugriff der Nazis hat retten können. “In sein Zehlendorfer Haus und das benachbarte Gebäude zog 1939 eine »Spezialfabrik für lichtelektrische Zellen und Apparate«…1977 erwarb die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin die Mies-van-der-Rohe-Häuser für das anthroposophische Heilpädagogische Therapeutikum, die heutige Parzival-Schule. Inzwischen unter Denkmalschutz gestellt, wurden die Gebäude 1992 nach historischen Aufnahmen so rekonstruiert und restauriert, wie sie 1928 aussahen. Aber die Aufgabe, die Eduard Fuchs seinem Haus zugedacht hatte, kann es nicht erfüllen. Darum hat Berlin kein Karikaturenmuseum.“ (Hier zitiert aus: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/12201)
Die Zeitzeugenschaft des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die Benelux-Staaten und Frankreich wird Eduard Fuchs erspart bleiben. Auch seine zweite Ehefrau Margarete kann den Nationalsozialisten entkommen. Ihr gelingt die Flucht aus Frankreich ins US-amerikanische Exil, wo sie am 7. Juni 1953 in New York City stirbt.
Quellen:
Mail ELS-Mitglied Martina Schofeld an Hajo Jahn im Juli 2014
http://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Fuchs_%28Kulturwissenschaftler%29
http://www.kontextwochenzeitung.de/ueberm-kesselrand/107/verbrannt-240.html
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/12201
Links (deutsch):
https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=118693956
http://s389576407.e-shop.info/shop/catalog/details?shop_param=aid%3D02299-0%26
http://das-blaettchen.de/2014/07/neues-zu-eduard-fuchs-29528.html
http://www.thata.net/ursula_e_koch_1995_ueber_eduard_fuchs_und_den_sueddeutschen_postillon.pdf
http://www.thata.ch/sueddeutscherpostillon.htm
http://www.thata.ch/kurttucholsky1912zusatireundeduardfuchs.html
http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kb/article/view/11192/5043
http://www.bdwi.de/forum/archiv/themen/kultur/6744720.html
http://library.fes.de/pdf-files/adsd/06730/06730-11.pdf
https://archive.org/details/DieJudenInDerKarikatur
http://nicsbloghaus.org/2012/08/26/eduard-fuchs-mehr-als-nur-eine-biographische-skizze/
http://www.konkret-magazin.de/hefte/heftarchiv/id-2013/heft-32013/articles/finale-des-grauens.html
https://soundcloud.com/golem-dieuntuchtigen/micha-brumlik
International:
http://fr.wikipedia.org/wiki/Eduard_Fuchs
http://www.thata.ch/eduardo.htm
http://bataillesocialiste.wordpress.com/biographies/fuchs-1870-1940/
http://www.microsillons.org/collection/notesdelecture/BenjaminEdouardfuchs.pdf
http://www.microsillons.org/collection/BenjaminFuchs.pdf
http://www.academia.edu/326699/Eduard_Fuchs_between_Elite_and_Mass_Culture
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