Hermann Landshoff
Fotograf, Grafiker und Karikaturist
Geb. 02.03. 1905 in München
Gest. 1986 in New York/USA
Hermann Landshoff wird in ein musisches Elternhaus hineingeboren: sein Vater ist der international bekannte Musikwissenschaftler, Bachforscher, Komponist und Dirigent Ludwig Landshoff, seine Mutter die Hofsängerin Philippine Landshoff. “Die verwandte Schriftstellerin Ruth Landshoff-Yorck, Muse von Otto Umbehr und Paul Citroen führte in Berlin einen Salon, der zu den aufregenden Treffpunkten der künstlerischen Avantgarde in der Weimarer Republik zählte. Zur weiteren Verwandtschaft der Familie gehören außerdem bedeutende Verlegerpersönlichkeiten wie Samuel Fischer, Gründer des S. Fischer Verlages, und Fritz H. Landshoff, der nach 1933 mit dem Querido-Verlag in Amsterdam das wichtigste Forum für die deutsche Exilliteratur aufbaute und die Romane von u.a. {ln:Mann, Heinrich ‚Heinrich Mann }, {ln:Mann, Klaus ‚Klaus Mann }, {ln:Kesten, Hermann ‚Hermann Kesten }, {ln:Roth, Joseph ‚Joseph Roth }, {ln:Döblin, Alfred ‚Alfred Döblin }, {ln:Feuchtwanger, Lion ‚Lion Feuchtwanger }, {ln:Seghers, Anna ‚Anna Seghers }, {ln:Toller, Ernst ‚Ernst Toller } und {ln:Zweig, Stefan ‚Stefan Zweig } verlegte.“ (Quelle: {ln:nw:http://www.muenchner-stadtmuseum.de/no_cache/sonderausstellungen/archiv/2013/hermann-landshoff-eine-retrospektive.html?type=98&print=1 }). Auch der, ebenso wie Hermann, später in die Vereinigten Staaten emigrierte Physiker Rolf Landshoff gehört zum Kreis der Familie.
Gemeinsam mit seiner zwei Jahre älteren Schwester Ruth wächst er in wohlhabenden Verhältnissen auf. In der neu erbauten Villa in der Kolonie Prinz-Ludwigs-Höhe in München-Solln und ab 1923 im gutbürgerlichen Domizil in der Bauerstrasse 2 in Schwabing gehen die Künstlerfreunde der Landshoffs ein und aus, darunter Franziska zu Reventlow, Ricarda Huch, Christian Morgenstern, {ln:Ringelnatz, Joachim ‚Joachim Ringelnatz }, {ln:Mann, Thomas ‚Thomas Mann } und Max Reinhardt, Autoren des S. Fischer-Verlages ebenso wie die Herausgeber der Zeitschrift ‘Der neue Merkur – Monatsschrift für geistiges Leben‘, Efraim Frisch und Wilhelm Hausenstein.
Nach dem Abitur schreibt sich Landshoff 1923 an der Kunstgewerbeschule in München für die Fächer Schrift, Buchdruck, Buchausstattung und Gebrauchsgraphik ein und arbeitet bis 1926 für die Zeitschrift ‘Der Kreis‘ seines Lehrers Fritz Helmuth Ehmcke. Neben seiner Tätigkeit als Typograph zeichnet Landshoff nach dem Abschluss der Kunstgewerbeschule auch als freiberuflicher Illustrator und Karikaturist, dessen scharfe Feder auch und vor allem im ‘Simplicissimus‘ Bekanntheit erlangt, nicht zuletzt durch seine satirische “Marke Adolf“. Ab 1928 fertigt er mit dem ihm eigenen schnell-präzisen Stil regelmäßig Karikaturen berühmter Zeitgenossen für die ‘Süddeutsche Sonntagspost‘ und gestaltet Überschriften- und Inserate für diverse Zeitschriften des Knorr & Hirth-Verlages.
Nachdem 1929 allerdings nur noch sporadisch Zeichnungen von ihm erscheinen, wendet er sich seinem anderen Interessengebiet, der Fotografie, zu. Im Februar 1930 hat der Autodidakt sein Debüt als Fotograf in der ‘Münchner Telegramm-Zeitung und Sport-Telegraf‘ mit Aufnahmen der Uraufführung von Ferdinand Bruckners “Die Kreatur“. Bald folgten weitere Veröffentlichungen von Fotografien, diesmal wieder in der ‘Süddeutschen Sonntagspost‘ und in der ‘Münchner Telegramm-Zeitung‘. Insbesondere als Fotoreporter, Werbe- oder Modefotograf ergeben sich mit der zunehmenden Verbreitung der illustrierten Massenpresse auch für Seiteneinsteiger wie Landshoff durchaus lukrative Zukunftsperspektiven. Im Juli 1930 erscheint eine seiner ersten Fotoreportagen über {ln:Einstein, Albert ‚Albert Einstein } auf dessen Segelboot in Caputh bei Berlin. Damit hat sich für ihn die Türe zu einer neuen Karriere geöffnet, und fortan veröffentlicht Landshoff fast ausschließlich Photos in der ‘Münchner Illustrierten Presse‘, der ‘Münchner Telegramm-Zeitung und Sport-Telegraf‘, sowie der ‘Süddeutschen Sonntagspost‘.
Mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Januar 1933, die im Zuge der Gleichschaltung der Medien und durch den Ausschluss aus der Reichsschriftkammer für viele jüdische Journalisten und Pressefotografen den sicheren finanziellen Ruin bedeutet, emigriert Hermann Landshoff vom 8. auf den 9. Juli 1933 nach Paris, wo er im November 1935 den ersten Auftrag für die französische ‘Vogue‘ erhält. Mit seinen Aufnahmen der Cembalistin {ln:Landowska, Wanda ‚Wanda Landowska } und der Baronin Visconti (der Mutter des Regisseurs Lucchino Visconti) entstehen in dieser Zeit erste Porträts in Frankreich und Italien.
Als bei der französischen ‘Vogue‘ ab August 1936 die Aufträge ausbleiben, arbeitet Landshoff ab Sommer 1938 bis Januar 1939 als Fotograf für die Pariser Modezeitschrift ‘femina‘ und fotografiert nun fast nur noch im Freien, auf Pariser Plätzen, in Parkanlagen und an anderen öffentlichen Orten, meist mit einer Rolleiflex und Infrarotfilm. Mit Landshoffs Emigration nach New York wird seine fotografische Tätigkeit im Bereich der Modefotografie keinesfalls zum Erliegen kommen, ganz im Gegenteil: Auch in seiner neuen Heimat ist Landshoff als Modefotograf für diverse Journale äußerst erfolgreich und wird knapp ein Jahr nach seiner Ankunft in New York, im Frühjahr 1942, für das einflussreichste Modejournal seiner Zeit, ‘Harper’s Bazaar‘, als Porträt- und Modefotograf engagiert. Bis 1946 erscheinen in nahezu jeder Ausgabe Modeaufnahmen des deutsch-stämmigen Fotografen in jenem Magazin, für das auch bereits andere namhafte Fotografen, wie Erwin Blumenfeld oder {ln:Munkácsi, Martin ‚Martin Munkácsi } gearbeitet haben. Insbesondere die Schnappschuss-Ästhetik des aus Ungarn emigrierten Munkácsi übt einen prägenden Einfluss auf Landshoffs fotografisches Wirken aus. 1947 wechselt er zur Modezeitschrift ‘Mademoiselle‘ und findet in Bradbury Thompson, seit 1945 Art-Director des Modejournals, einen interessierten Förderer. Neben seinen weiterhin jugendlich-frisch anhauchenden Modeaufnahmen beschäftigt Landshoff sich nun zunehmend auch mit der Farbfotografie. Viele der Farbaufnahmen für ‘Mademoiselle‘ und ‘Mademoiselle College‘ – ähnlich wie ‘Junior Bazaar‘ ein Magazin, das sich vorwiegend an den Teenager, die College-Studentin und die junge berufstätige Frau richtet – entstehen während Auslandsreisen, die der Fotograf in den 1950er Jahren im Auftrag der Zeitschrift unternimmt.
Die umfassende Serie an Künstlerporträts, die Landshoff in New York ab den 1940er Jahren fertigt, beginnt mit Aufnahmen der europäischen Exilanten, die die reiche Kulturszene New Yorks während und in der Folge des Zweiten Weltkrieges maßgeblich bestimmen. So porträtiert er beispielsweise mit Helene Thimig, österreichische Schauspielerin und Ehefrau von Max Reinhardt, den Malern Julius W. Schülein aus München und Eugen Spiro aus Berlin oder dem österreichischen Illustrator und Grafiker Wilhelm Thöny nicht zuletzt auch immer wieder jüdische Künstler, die dem Holocaust entkommen sind.
Er fertigt Gruppenbildnisse ebenso wie zahlreiche Einzel-Porträts von Künstlern wie Frederick (Friedrich) Kiesler oder Jean Hélion, die sich im Umfeld der Galerie Art of This Century und (der mit dem Maler {ln:Ernst, Max ‚Max Ernst } befreundeten Exilantin und Kunstmäzenin) Peggy Guggenheim bewegen. Landshoff ist aber nicht nur ein anerkannter, stets auf Neuerungen bedachter Modefotograf, sondern fertigt in New York zwischen 1942 und 1961 einen einzigartigen Zyklus von etwa 70 Fotografenporträts, darunter viele Kollegen von ‘Harper’s Bazaar‘ und ‘Vogue‘. Neben den berühmten wie etablierten Altmeistern Walker Evans, Paul Strand, Alfred Stieglitz, Ansel Adams, Berenice Abbott, Margaret Bourke-White oder Weegee sind auch die jungen, noch am Anfang ihrer Karriere stehenden Fotografen Robert Frank, Irving Penn und Richard Avedon von Landshoff in außergewöhnlichen Bildnissen porträtiert. Nicht minder auffällig ist der hohe Anteil jüdischer Fotografen unter den Porträtierten, die infolge der politischen und antisemitischen Verfolgung aus Europa in die USA emigriert sind, darunter die bereits erwähnten Erwin Blumenfeld, Martin Munkácsi, des weiteren André Kertész, Lisette Model, Roman Vishniac, Alfred Eisenstaedt, Fritz Goro oder der junge Andreas Feininger.
Neben einer Vielzahl zeitgenössischer Künstler, Fotografen, Schauspieler und anderen kreativen Köpfen porträtiert Hermann Landshoff auch zahlreiche zeitgenössische Wissenschaftler, darunter die Archäologin Margarete Bieber und die Kinderpsychoanalytikerin Berta Bornstein. Sein besonderes Interesse gilt aber in dieser Zeit Naturwissenschaftlern, wie dem ebenfalls vor den Nazis in die USA geflohenen Albert Einstein. Insbesondere der neue Wohnsitz des Nobelpreisträgers in Princeton (New Jersey) wird zu Landshoffs bevorzugtem Aufnahmeort für jene Fotos, die den sonst eher kamerascheuen Physiker in seiner häuslichen und vertrauten Umgebung, fernab jeglicher öffentlicher Inszenierungen, zeigen. Zwischen 1946 und 1950 wird allein das Arbeitszimmer des Physikers Schauplatz mehrerer Aufnahmesitzungen, die schließlich in einem Portfolio mit 12 Porträtfotografien in der Auflage von sechs Exemplaren ihren Abschluss finden. Unter den Bildern befindet sich auch Landshoffs berühmtes Einstein-Porträt, das den Wissenschaftler in seitlicher Nahsicht erfasst und im Jahre 1979 anlässlich Einsteins hundertjährigem Geburtstag als Vorlage für eine amerikanische 15-Cent-Briefmarke dient.
In den 1940er/ 50er Jahren entstehen auch zahlreiche weitere Aufnahmen von Atomphysikern wie Robert Oppenheimer, Arno Brasch oder {ln:Szilárd, Leó ‚Leó Szilárd }. Letzterer gehört, wie sein Freund Einstein, 1939 alarmiert durch die atomaren Versuche von Otto Hahn und Fritz Straßmann in Berlin, zu den Initiatoren einer Petition an den amerikanischen Präsidenten Roosevelt, die Konstruktion einer Nuklearwaffe mit Nachdruck voranzutreiben. Die Leitung dieser kriegsentscheidenden Initiative in der Wüste Neu-Mexikos, bekannt als ‘Manhattan-Projekt‘, obliegt dem ebenfalls deutschstämmigen jüdischen Atomwissenschaftler Robert Oppenheimer. Obgleich Oppenheimer die Entwicklung der ersten Atombombe noch forciert, lehnt er wie Szilárd deren Einsatz in Hiroshima und Nagasaki entschieden ab. Seine kritische Haltung und sein Widerstand gegenüber der Weiterentwicklung einer Wasserstoffbombe bringen Oppenheimer in der McCarthy-Ära in große Bedrängnis und enden 1954 schließlich im Verlust seiner leitenden Vertrauensstellung bei den Atomprogrammen der US-Regierung. Hermann Landshoffs Porträtserie entsteht in eben dieser Umbruchphase.
Noch zu Lebzeiten vernichtet Landshoff sämtliche Dubletten, Dias und Negative, trifft eine verbindliche Werk-Auswahl und bietet seinen Vorlass mehreren amerikanischen Museen als Schenkung an. Im Jahr 1975 findet sein Archiv zunächst im Neuberger Museum im Bundesstaat New York eine Bleibe, wird 1995 an das New Yorker ‘Fashion Institute of Technology‘ (FIT) transferiert und kommt 2012 schließlich ins Münchner Stadtmuseum: “Der vollständige Nachlass des deutsch-amerikanischen Fotografen Hermann Landshoff (1905-1986) mit 3.600 Originalabzügen aus dem Zeitraum von 1927 bis 1970 ist dem Museum im Namen der Familie durch den Verleger Andreas Landshoff, Amsterdam als Schenkung überlassen worden.“ (Hier zitiert aus: {ln:nw:http://www.photoscala.de/Artikel/Eine-Entdeckung-Hermann-Landshoff })
Mit der Ausstellung “Hermann Landshoff – Eine Retrospektive“ (29.11.2013-21.04.2014) erinnert das Münchner Stadtmuseum mit Bildern aus seinem Schaffen in den Jahren 1930-1970 an einen der bedeutendsten, aber lange Zeit zu Unrecht in Vergessenheit geratenen, Foto-Porträtisten des 20. Jahrhunderts.
Quellen:
{ln:nw:http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Landshoff }
{ln:nw:http://www.muenchner-stadtmuseum.de/no_cache/sonderausstellungen/archiv/2013/hermann-landshoff-eine-retrospektive.html?type=98&print=1 }
Links (deutsch):
{ln:nw:http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/land-und-leute/hermann-landshoff-muenchner-fotograf-knopf102.html }
{ln:nw:http://www.merkur-online.de/aktuelles/kultur/landshoff-retrospektive-stadtmuseum-3245642.html }
{ln:nw:http://www.photoscala.de/Artikel/Eine-Entdeckung-Hermann-Landshoff }
{ln:nw:http://muenchenphoto.wordpress.com/2014/03/13/fotografien-von-hermann-landshoff-gleichung-mit-einem-unbekannten/ }
{ln:nw:http://www.foto-kunst-kultur.de/foto-kunst/der-fotograf-hermann-landshoff/ }
{ln:nw:http://www.schirmer-mosel.com/homed1/pdf/PM_Landshoff.pdf }
{ln:nw:http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/18090 }
International:
{ln:nw:http://www.loeildelaphotographie.com/fr/2014/04/07/exposition/24583/munich-hermann-landshoff-photographies-1930-1970 }
{ln:nw:http://artblart.com/2014/04/11/exhibition-hermann-landshoff-a-retrospective-photographs-1930-1970-at-the-munchner-stadtmuseum/ }
{ln:nw:http://www.ias.edu/people/einstein/landshoff }
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