Joseph Hahn
Schriftsteller und Zeichner
Gest. 31.10.2007 in Middlebury, Vermont/USA
„Wenn die Finsternis Feuer fängt
wandelt der Geist mit dem Tod übers Land
und öffnet sich im Gewölk
das verknotete Bündel Geschick.
Wenn die Finsternis Feuer fängt
singen die Nachtigallenim Dorn
und Rembrandt im Schöpfungstrance
Saskias entirdischtes Angesicht.
Wenn die Finsternis Feuer fängt
tanzt Kali über den Leib der Welt,
nährt die Zermalmung unter den Füßen
mit Schlehe und Schaum.
Wenn die Finsternis Feuer fängt
geißeln die Galaxen die Ewigkeit weiß
und Sebastian der hohe Knecht
wäscht mit seiner Musik die Verstümmelung der Welt.“
(Joseph Hahn: Altes Gemälde – für Jürgen Serke)
Joseph Hahn ist einer der letzten Vertreter jener glanzvollen, von den Nazis für immer vernichteten deutsch-jüdischen Kulturepoche, deren berühmtester Exponat Kafka war.
Hahns südböhmische Geburtsstadt Bergreichenstein in Böhmen trägt heute den Namen Kasperské Hory (Tschechien). Der deutschsprachige wächst in einem zionistisch geprägten Elternhaus auf und studiert nach dem Abitur ab 1935 an der Akademie der Bildenden Künste in Prag, wo er Kontakt zu Peter Weiss und Peter Kien pflegt. 1939 emigriert Joseph Hahn nach Großbritannien und schlägt sich dort als Fabrikarbeiter und Bauernknecht duch, bis er in Oxford sein in Prag begonnenes Kunststudium fortsetzen kann. Im April 1945 emigriert er weiter in die Vereinigten Staaten, wo er lange Jahre als Fotoretuscheur in New York tätig ist.
Gemeinsam mit seiner zweiten Frau, der Künstlerin Henriette Lerner, lebt er seit 1989 in Middlebury im amerikanischen Bundesstaat Vermont.
„Was könnte Poesie und Kunst inmitten des unerbittlichen Gewoges von Gier und Geistesentgleisung dazu beitragen, die Menschheit und die Myriaden Geschöpfe und Pflanzen von der apokalyptischen Gefahr, die alle Lebendigkeit auf Erden bedroht, zu retten? Die Antwort ist schwerwiegend. Die Gefahren, Greuel und Grausamkeiten, welche ungehindert fortschreiten, zu ignorieren, wäre ein Verrat an der gesamten Menschheit und allen Lebewesen auf Erden.
Um zu einer Rettung beizutragen, müßten Poesie und Kunst es aufgeben, sich mit Ästhetik als Spiel oder als Endzweck zu befassen. Ästhetik müßte zu ihrer höheren Bestimmung zurückkehren und der Körper einer geistigen Essenz werden. Diese Forderung ist nicht im dogmatischen Sinne zu verstehen. Die Künste sollten die grundsätzliche geistige Erkenntnis, nämlich die von allen Dogmen emanzipierte Erfurcht vor dem Leben, selbst dem Leben der schlichtesten Geschöpfe, zum Ausdruck bringen.
Verknüpft mit diesem Gedanken ist die Tragik in der Kunst. Sie wurzelt in der Lebensbejahung und ist nicht bloß als eine biografische Spiegelung zu verstehen. Sie ist das Widersetzen gegen die Grausamkeit des Bösen und des Todes. Im Versuch die Sprache der Seele vernehmbar und sichtbar zu machen, in diesem ernstlichen Unternehmen sich in der unnahbaren Wirklichkeit zu nähern, begegnet dem nach Ausdruck Suchenden eine Schicksals überragende Potenz: Die Doppelgebärde der Welt.“
(Joseph Hahn, Vermont 2003)
Literatur:
Joseph Hahn „Die Doppelgebärde der Welt“ – Gedichte Prosa Zeichnungen, hrsgg. von Thomas B. Schumann. Mit einem Nachwort von Wolfgang Mieder und David Scrase. Edition Memoria Hürth b. Köln und Wien, 1. Aufl. 2004, ISBN 3-930353-19-9 (Normalausgabe) ISBN 3-930353-20-2 (Vorzugsausgabe)
Links (deutsch):
http://www.dickinson.edu/departments/germn/glossen/heft21/josephhahn.html
http://www.dickinson.edu/departments/germn/glossen/heft21/hahnzeichnungen.html
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