Bertha (Berthe) Zuckerkandl-Szeps
Schriftstellerin, Journalistin und Kritikerin
Geb. 13.04. 1864 in Wien/ Österreich
Gest. 16.10. 1945 in Paris/ Frankreich
Ihr aus Galizien stammender Vater ist eine der einflussreichsten Medienpersönlichkeiten seiner Zeit. Aufgestiegen vom einfachen Journalisten zum Zeitungsverleger, gehört der Leiter des “Neuen Wiener Tageblatts“ zum engen politischen Berater des Kronprinzen Rudolf. Tochter Bertha verlebt ihre Kinder- und Jugendjahre in der Donaumetropole, der Hauptstadt des damaligen Kaisertums Österreich, erhält, ebenso wie ihre ältere Schwester Sophie, durch Privatlehrer eine erstklassige Ausbildung und lernt auch ganz nebenbei, als Assistentin und Begleiterin ihres Vaters, das journalistische Handwerk.
Am 15. April 1886 heiratet sie den namhaften Anatomie-Professor Emil Zuckerkandl und übersiedelt zu ihm nach Graz, bis er 1888 eine Professur in Wien erhält. Hier führt Bertha Zuckerkandl bis 1938 einen literarischen Salon, zunächst in einer von ihrem Mann auf ihren Wunsch angekauften Villa in der Nußwaldgasse in Döbling (seit 1892 der 19. Wiener Gemeindebezirk), von 1917 an im Stadtzentrum (dem 1. Bezirk) in der Oppolzergasse unweit des Burgtheaters. In ihrem Salon verkehrt die künstlerische und wissenschaftliche Elite des Landes, darunter Johann Strauss (Sohn), Gustav Klimt, Arthur Schnitzler, Max Reinhardt und {ln:Csokor, Franz Theodor ‚Franz Theodor Csokor}, {ln:Zweig, Stefan ‚Stefan Zweig} und {ln:Friedell, Egon ‚Egon Friedell}. {ln:Mahler, Alma ‚Alma Mahler-Werfel} lernt hier 1901 ihren späteren Ehemann, den Komponisten, Kapellmeister und Hofoperndirektor Gustav Mahler, kennen. Zu den von Berta Zuckerkandl protegierten Künstlern gehören unter anderen Anton Kolig und Sebastian Isepp vom Nötscher Maler-Kreis. Als Journalistin betreut sie für die “Wiener Allgemeine Zeitung“ die Ressorts Theater und Kunst und kommentiert beim “Neuen Wiener Journal“ außenpolitische Themen. Sie wird zur Vorkämpferin sowohl für die Secession wie auch der Wiener Werkstätte, ist Mitbegründerin der Salzburger Festspiele und lädt zur ersten öffentlichen Lesung von Hofmannsthals “Jedermann“ in ihren literarischen Salon. Daneben übersetzt Zuckerkandl auch Theaterstücke von Marcel Achard, Jean Anouilh, Jacques Bousquet und Paul Géraldy aus dem Französischen.
Nicht zuletzt Frankreich ist es, wohin sie intensive Beziehungen pflegt, vor allem seit der Heirat ihrer Schwester Sophie mit Paul Clemenceau, dem Bruder des späteren französischen Ministerpräsidenten. Auch Sophie führt, wie ihre Schwester in Wien, in der französischen Hauptstadt einen Salon, und hier macht Bertha die Bekanntschaft von so namhaften Künstlern wie Auguste Rodin und Maurice Ravel. (Auch und vor allem diese ausgezeichneten Verbindungen nach Frankreich sind es, die dazu führen, dass sie während des Ersten Weltkrieges in die – allerdings erfolglos gebliebenen – Bemühungen des österreichischen Kaisers Karl I. und seiner Gattin Zita um einen Separatfrieden eingebunden wird) Auch in der Zwischenkriegszeit ist Bertha Zuckerkandl immer wieder als Vermittlerin bei politischen und wirtschaftlichen Kontaktaufnahmen zwischen Wien und Paris gefragt.
Nach dem sogenannten “Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland im März 1938 entschließt sich auch Bertha Zuckerkandl-Szeps, wie mit ihr zahlreiche andere jüdische Intellektuelle (darunter {ln:Troller, Georg Stefan ‚Georg Stefan} Troller}, {ln:Fried, Erich ‚Erich Fried} und {ln:Weigel, Hans ‚Hans Weigel}) zur Flucht. Mit Hilfe des zu ihr nach Wien geeilten französischen Autors Paul Géraldy gelingt es ihr, nach Paris zu entkommen, wo sich auch bereits andere vertriebene Intellektuelle aus Deutschland und Österreich aufhalten, unter ihnen {ln:Werfel, Franz ‚Franz Werfel} {ln:Arendt, Hannah ‚Hannah Arendt}, {ln:Benjamin, Walter ‚Walter Benjamin}, {ln:Sahl, Hans ‚Hans Sahl}, {ln:Mehring, Walter ‚Walter Mehring}, {ln:Döblin, Alfred ‚Alfred Döblin}, {ln:Mann, Klaus ‚Klaus Mann} und {ln:Kesten, Hermann ‚Hermann Kesten }. Als Trägerin des Ordens der Ehrenlegion bleibt Bertha Zuckerkandl die Internierung (als sogenannte ‘feindliche Ausländerin‘) erspart, und im Frühjahr 1940 kann sie zu ihrem bereits zuvor ausgewanderten Sohn Fritz nach Algier emigrieren. Nach der Eroberung durch die Alliierten arbeitet die gelernte Journalistin bei einem dortigen Rundfunksender und ruft die Österreicher zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus auf.
Der Versuch einer Weiterreise in die Vereinigten Staaten scheitert. Nach Kriegsende 1945 kehrt sie aus dem Exil nach Paris zurück, wo Bertha Zuckerkandl im selben Jahr noch an den Folgen einer schweren Erkrankung stirbt. Ihre letzte Ruhe findet die Schriftstellerin, Kulturjournalistin, Salonnière, Geheimdiplomatin und Friedensaktivistin auf dem Friedhof Père Lachaise. In ihrer Geburtsstadt Wien wird 2009 im 9. Bezirk Alsergrund ein am Donaukanal gelegener Weg nach ihr benannt. 2012 erwirbt die Österreichische Nationalbibliothek von Berta Zuckerkandls in den Vereinigten Staaten lebendem Enkel Emile Zuckerkandl sein persönliches Archiv mit den Autografen berühmter Persönlichkeiten, die einstmals im Salon seiner Großmutter zu Gast gewesen sind, darunter auch ein umfangreicher Briefverkehr (u.a. mit Peter Altenberg, {ln:Polgar, Alfred ‚Alfred Polgar}, {ln:Salten, Felix ‚Felix Salten}, Rainer Maria Rilke und Arthur Schnitzler) sowie Bertha Zuckerkandls Bericht über ihre Flucht von Frankreich ins nordafrikanische Algerien, 2013 im Wiener Czernin Verlag als Buch erschienen unter dem Titel “Flucht! Von Bourges nach Algier im Sommer 1940“.
Veröffentlichungen:
- Die Pflege der Kunst in Österreich 1848–1898. Dekorative Kunst und Kunstgewerbe. Wien 1900
- Zeitkunst Wien 1901–1907. Heller, Wien 1908
- Ich erlebte fünfzig Jahre Weltgeschichte. Autobiographie. Bermann-Fischer Verlag, Stockholm 1939
- Clemenceau tel que je l’ai connu. Algier 1944
- Österreich intim. Erinnerungen 1892-1942. Hrsg. Reinhard Federmann. Propyläen, Frankfurt 1970
- Taschenbuch: Ullstein, Frankfurt am Main 1988, ISBN 978-3-548-20985-2
- Polens Malkunst 1915. In: Roman Taborski (Hrsg.): Stanisław Wyspiański, der große Schöpfer der Polnischen Moderne. Wien 1996
- Jung-Polen 1906. In: Roman Taborski (Hrsg.): Stanisław Wyspiański, der große Schöpfer der Polnischen Moderne. Wien 1996
- Flucht!: Von Bourges nach Algier im Sommer 1940. Theresia Klugsberger und Ruth Pleyer (Hrsg.). Cernzin-Verlag, Wien 2013. ISBN 978-3-7076-0456-6
Übersetzungen:
- Paul Annont und Jacques Bousquet: Mama Nicole. Lustspiel in 3 Akten. Wien 1925
- Edouard Bourdet: Soeben erschienen. Komödie in 3 Akten. Für die deutsche Bühne bearbeitet von Paul Kalbeck. o.O., um 1925
- Jean-Jacques Bernard: Seele in Not. Schauspiel in 3 Akten. Eirich, Wien um 1928
- Paul Géraldy. Dramen. Autorisierte Übersetzung aus dem Französischen. {ln:Zsolnay, Paul ‚Zsolnay} Wien 1928
- Henri-René Lenormand: Theater. Dramen. Autorisierte Übersetzung aus dem Französischen. Zsolnay, Wien 1930
Quellen:
{ln:nw:http://de.wikipedia.org/wiki/Berta_Zuckerkandl-Szeps }
Wall, Renate: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil 1933-1945, Verlag Haland & Wirth/ Psychosozial-Verlag, Gießen 2004, S. 507ff.
{ln:nw:http://tv.orf.at/groups/kultur/pool/zucker }
Links (deutsch):
{ln:nw:http://www.literaturepochen.at/exil/lecture_5005.pdf }
{ln:nw:http://www.onb.ac.at/ariadne/vfb/bio_zuckerkandl.htm }
{ln:nw:http://www.onb.ac.at/sammlungen/litarchiv/bestaende_det.php?id=zuckerkandl }
{ln:nw:http://austria-forum.org/af/AEIOU/Zuckerkandl-Szeps,_Berta }
{ln:nw:http://www.literaturhaus.at/index.php?id=4054 }
{ln:nw:http://www.czernin-verlag.com/buch/berta-zuckerkandl-flucht }
{ln:nw:http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/97074.html }
International:
{ln:nw:http://fr.wikipedia.org/wiki/Berta_Zuckerkandl-Szeps }
{ln:nw:http://data.bnf.fr/12151863/bertha_zuckerkandl/ }
{ln:nw:http://jwa.org/encyclopedia/article/zuckerkandl-berta }
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