Edith Tudor-Hart
Fotografin
Geb. 28.08. 1908 in Wien/ Österreich-Ungarn
Gest. 12.05. 1973 in Brighton/ GB
Ihr Vater Wilhelm und dessen Bruder Philipp betreiben eine sozialistische Buchhandlung in der Wiener Favoritenstraße, ihr Bruder {ln:Suschitzky, Wolf ‚Wolf Suschitzky} wird später ein bekannter Fotograf und Kameramann. Nach Ende des ersten Weltkrieges wird die 10Jährige aus gesundheitlichen Gründen im Rahmen einer Kinderlandverschickung nach Schweden geschickt. Im Alter von 16 Jahren macht die Tochter aus einem säkularisierten jüdischen Elternhaus eine Ausbildung bei der Montessori-Pädagogin Lili Roubiczek und kommt 1925 im Rahmen eines Praktikums zum ersten Mal nach Großbritannien. Zurückgekehrt ins heimatliche Wien, lernt Edith Suschitzky 1926 den kommunistischen Agenten Arnold Deutsch kennen und lieben, beginnt 1928 das Studium am Bauhaus mit dem Vorkurs bei {ln:Peterhans, Walter ‚Walter Peterhans} und veröffentlicht 1931 in der englischen Zeitschrift Commercial Art einen Artikel über das Bauhaus.
Aufgrund ihrer Verbindung zur Kommunistischen Partei Großbritanniens endet ihr dortiger Aufenthalt ab Oktober 1930 bereits nach knapp drei Monaten mit der Ausweisung. Man kontrolliert ihre Korrespondenz mit ihrem Verlobten, dem englischen Medizinstudenten und Kommunisten Alexander Tudor-Hart, und teilweise werden Briefe ihr gar nicht erst ausgehändigt. Zurück in Wien, erhält sie von der Komintern eine Aufgabe, als Fotografin für die sowjetische Nachrichtenagentur TASS zu arbeiten. Suschitzky publiziert 1931 einen Foto-Essay über die Montessori-Pädagogik “Was will der neue Kindergarten?“ in der Zeitschrift Der Kuckuck. Ihre Fotografien erscheinen auch in der Arbeiter Illustrierten Zeitung (AIZ), sowie in Die Bühne, aus London hat sie eine Fotoreportage über das “Elend auf Caledonian Market“ mitgebracht und ebenfalls in Großbritannien erscheint eine Auflage von John Reeds Roman “Ten Days that Shook the World“ mit einer Fotomontage Edith Suschitzkys als Umschlagbild.
Nach dem Verbot der KPÖ durch das Dollfuß-Regime am 26. Mai 1933 wird auch Edith Suschitzky als Agentin festgenommen, ihr Foto-Material wird beschlagnahmt und geht später verloren. Im August 1933 heiratet sie Tudor-Hart und kann somit im Oktober 1933 aus Österreich emigrieren. Ihr ebenfalls als Kommunist aktiver Bruder Wolfgang flieht in die Niederlande und trifft seine Schwester 1935 im britischen Exil wieder. Während Alexander Tudor-Hart im walisischen Rhondda Valley eine Anstellung als Arzt findet, fotografiert seine Frau das Leben der dortigen Bergarbeiter. Tudor-Hart findet in London Unterstützung bei zahlreichen Intellektuellen (darunter die Architekten Jack Pritchard und Ernő Goldfinger), und der renommierte Rundfunk-Journalist Richard S. Lambert veröffentlicht ihre Fotografien in der Publikumszeitschrift der BBC, The Listener. Auch das Ehepaar Tudor-Hart wiederum unterstützt deutsche Emigranten, unter ihnen die Dichterin und Dramatikerin {ln:Moos, Margarete Charlotte ‚Lotte Moos}.
Edith Tudor-Hart veröffentlicht ihre Reportage-Fotografien zur Unterstützung der Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg, in dem Alexander auf republikanischer Seite als Arzt kämpft, und zur Lage der Arbeiter in Englands Nordosten in The Social Scene, Design Today und liefert die Fotos zu Margery Spring Rices 1939 veröffentlichtem Buch “Working-Class Wives“. Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Tommy 1936 trennen sich die Eheleute. Durch eine schwere Erkrankung des Kindes ist die Fotografin in den 1940er Jahren ans Haus gebunden, ein Umstand, der nicht zuletzt auch ihre berufliche Tätigkeit erheblich beeinflusst.
Tudor-Harts Freundschaft mit Lizzy Friedmann, der Ehefrau von Kim Philby, führt schließlich 1934 zu einem Treffen ihres alten Freundes und ehemaligen Geliebten, des KGB-Agenten Arnold Deutsch, mit Philby, bei dem man ihn für Spionagedienste zugunsten der Sowjetunion gewinnt. Auch Anthony Blunt wird von Tudor-Hart angeworben. Damit ist der Grundstein für die sogenannten Cambridge Five gelegt, eine erfolgreiche Spionagegruppe für die Sowjetunion, die in Großbritannien zur Zeit des Zweiten Weltkrieges tätig ist. Edith Tudor-Hart selber arbeitet als Kurierin für den sowjetischen Geheimdienst. 1938 holt sie ihre Mutter nach Großbritannien und unterstützte auch die ebenfalls exilierten Vettern Josef und Wilhelm Suschitzky. Sie engagiert sich in einem Kreis von linken Intellektuellen und Emigranten, unter ihnen die Fotografin {ln:Moholy, Lucia ‚Lucia Moholy}, ein Unterfangen, das vom britischen Geheimdienst wiederum akribisch beobachtet und registriert wird.
Nach Kriegsende erhält die renommierte Fotografin nur noch sporadische Aufträge, so vom Bildungsministerium 1952 für die Publikation “Moving and Growing“. Ihre Lebensbedingungen verschlechtern sich zusehends: Tudor-Harts Liebesverhältnis mit dem Atomwissenschaftler Engelbert Broda führt dazu, dass man auch sie der Spionage verdächtigt. Aus Sorge vor einer Hausdurchsuchung kurz nach der Flucht der Spione Donald Macleans und Guy Burgess 1951 vernichtet Edith Tudor-Hart die meisten ihrer Abzüge, einen Teil der Negative und die dokumentarischen Aufzeichnungen. Sie übersiedelt nach Brighton, wo sie in Armut ein kleines Buchantiquariat betreibt, nicht mehr für ihren behinderten Sohn sorgen kann und ihn in ein Heim geben muss. Ihre Agententätigkeit setzt sie dennoch, obschon seit 1931 unter der Beobachtung des MI5, letztlich unentdeckt bis in die 1960er Jahre fort.
Tudor-Harts fotografisches Werk, zu dem thematisch auch und vor allem immer wieder Kinder, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit gehören, wird nach ihrem Tod der National Gallery of Scotland übergeben, die den Nachlass rekonstruiert 2012 in einer Retrospektive einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Peter Stephan Jungk, der Sohn von Ediths Cousine Ruth Suschitzky, veröffentlicht 2015 eine Biografie über Leben und Werk dieser ungewöhnlichen Frau.
Quelle:
{ln:nw:https://de.wikipedia.org/wiki/Edith_Tudor-Hart }
International:
{ln:nw:https://en.wikipedia.org/wiki/Edith_Tudor_Hart }
{ln:nw:http://spartacus-educational.com/Edith_Tudor_Hart.htm }
{ln:nw:https://www.nationalgalleries.org/whatson/exhibitions/edith-tudor-hart/highlights-23473 }
{ln:nw:http://artblart.com/2013/05/21/exhibition-edith-tudor-hart-in-the-shadow-of-tyranny-at-the-scottish-national-portrait-gallery-edinburgh/ }
{ln:nw:http://ndmagazine.net/photographer/edith-tudor-hart/ }
{ln:nw:http://www.telegraph.co.uk/culture/9897504/Edith-Tudor-Hart-the-Soviet-spy-with-a-conscience.html }
{ln:nw:https://fr.wikipedia.org/wiki/Edith_Tudor-Hart }
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