Hans Flesch
Arzt, Hörspielautor und Intendant
Geb. 18.12. 1896 in Frankfurt am Main
Verschollen im April 1945
Das jüngste Kind des Juristen, Politikers und Sozialreformers Karl Flesch studiert in Heidelberg Medizin (mit Schwerpunkt Radiologie) und besucht einige Zeit die Schauspielschule von {ln:Ebert, Carl ‚Carl Ebert} in Frankfurt am Main. Nach seiner Promotion wird Hans Flesch am 1. April 1924 mit gerade einmal 27 Jahren zum Künstlerischen Leiter der Südwestdeutschen Rundfunkdienst AG (SÜWRAG) in Frankfurt am Main berufen – und schreibt, auf der Suche nach einer rundfunk-originären Kunstform, mit “Zauberei auf dem Sender“ (Untertitel: „Versuch einer Sendespiel-Groteske“) das erste deutschsprachige Hörspiel, das am 24. Oktober 1924 (damals noch live) auf Welle 467 ausgestrahlt wird.
Sehr bald schon gilt Flesch als der fortschrittlichste aller deutschen Rundfunkleiter. Unter seiner Ägide arbeiteten für den Frankfurter Sender u.a. {ln:Brecht, Bertolt ‚Bertolt Brecht}, {ln:Benjamin, Walter ‚Walter Benjamin}, der junge {ln:Adorno, Theodor W. ‚Theodor W. Adorno} oder Fleschs Freund und Schwager Paul Hindemith. Am 1. Juli 1929 beruft man ihn zum Intendanten der Berliner Funkstunde. Hier setzt er seine erfolgreiche Rundfunkarbeit fort, und nicht zuletzt er ist es, der die Verwendung des Tonbands auch und vor allem in der Hörspielproduktion fördert.
Im Rahmen einer “Rundfunkreform“ unter Reichskanzler Franz von Papen wird das NSDAP-Mitglied Erich Scholz zum Rundfunkkommissar des Reichsinnenministers ernannt und der Modernisierer Hans Flesch, als Vertreter eines bedingungslos demokratischen Rundfunks von der politischen Rechten und besonders dem Nationalsozialisten Richard Kolb seit langem angefeindet, am 15. August 1932 als Intendant der Funk-Stunde Berlin entlassen. Seinen Platz nimmt ab Februar 1933, kurz nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten, Richard Kolb ein.
Nur wenige Monate nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler wird Hans Flesch im August 1933 mit anderen Vertretern des Weimarer Rundfunks inhaftiert, zunächst im Konzentrationslager Oranienburg (wo u.a. auch {ln:Mühsam, Erich ‚Erich Mühsam}, {ln:Hiller, Kurt ‚Kurt Hiller}, {ln:Welk, Ehm ‚Ehm Welk} und {ln:Küster, Fritz ‚Fritz Küster} inhaftiert sind), später in Untersuchungshaft im Gefängnis Moabit. Im November 1934, Flesch ist mittlerweile auf Kaution entlassen, beginnt mit dem “Reichs-Rundfunk-Prozess“ ein vom neuen NS-Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky initiierter 86-tägiger Schauprozess gegen einige der Spitzen des von den Nazis so genannten Systemrundfunks. Das Verfahren endet jedoch mit geringfügigen Haftstrafen (unter Anrechnung der Untersuchungshaftzeit), da den Beschuldigten selbst unter zweifelhaften juristischen Bedingungen keine Schuld nachgewiesen werden kann. Nach Ende des Rundfunkprozesses 1935 wird dem (nach NS-Definition) “Halbjuden“ Flesch jede künstlerische und ärztliche Tätigkeit untersagt, und er ist in dieser Zeit auf die Einkünfte durch Sekretariatsarbeiten seiner Frau Gabriele angewiesen. Vorübergehend wohnt er bei Freunden in Frankfurt, kehrt nach deren Emigration im November 1938 zu seiner Familie nach Berlin zurück und schlägt sich in der Folgezeit mit Gelegenheitsarbeiten durch.
Im Kriegsjahr 1943 wird Hans Flesch zu Praxisvertretungen für Ärzte im Militärdienst zwangsverpflichtet und leitet später als Zivilarzt im Wehrmachtsgefolge das auf seine Initiative eingerichtete Militärlazarett des Oderstädtchens Crossen (heute: Krosno Odrzańskie/ Polen). Er folgt den hinter die Oder vor der herannahenden Roten Armee zurückweichenden deutschen Truppen Richtung Guben und wird im März 1945 als Arzt an den Volkssturm überstellt. Zwischen Guben und Berlin schreibt er am 1. April seinen letzten der Nachwelt erhaltenen Brief und meldet sich später noch einmal telefonisch. Seitdem gilt Hans Flesch als verschollen. Auch die Suche der alliierten Truppen bleibt erfolglos. Die Absicht der US-amerikanische Armee, ihn als Intendanten für ihren neuen Rundfunksender (den späteren RIAS), zu verpflichten, kann somit nicht mehr realisiert werden.
Am 24. Oktober 2004, 80 Jahre nach Erstausstrahlung von Fleschs “Zauberei“ wird in der Innenstadt von Frankfurt am Main, auf dem Gelände des ehemaligen Postgiroamtes an der Stephanstrasse, ein Platz eingeweiht, der den Namen des progressiven Rundfunkpioniers trägt. Hier, in der 5. Etage, befanden sich von 1924 bis 1930 die ersten Studios des Frankfurter Senders.
Quellen:
{ln:nw:https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Flesch }
{ln:nw:http://www.deutschlandfunk.de/ein-zauberer-auf-dem-sender.704.de.html?dram:article_id=297132 }
{ln:nw:http://www.lmz-bw.de/medienbildung/medienpraxis/audio/zauberei-auf-dem-sender.html }
Links (deutsch):
{ln:nw:http://www.reinhard-doehl.de/forschung/flesch.htm }
{ln:nw:http://www.whagen.de/publications/NeueMenschStoerung/NeueMenschStoerung.htm }
{ln:nw:http://www.hr-online.de/website/derhr/home/index.jsp?rubrik=2354 }
{ln:nw:http://www.dra.de/online/dokument/1998/september.html }
{ln:nw:http://www.lmz-bw.de/fileadmin/user_upload/Medienbildung_MCO/mp3s/zauberei_sender.mp3 }
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